Wirtschaftspolitischer Beitrag

Wahlcheck Klimapolitik: Ziele ähnlich, Instrumente sehr verschieden

Autoren

  • Malte Herten
  • Christine Merk
  • Sonja Peterson
  • Wilfried Rickels
Erscheinungsdatum

Zum Thema Klimaschutz unterscheiden sich die genannten Ziele in den Programmen der Parteien zur Bundestagswahl wenig, aber deutlich wenn es um die vorgesehenen Instrumente geht.

Gesellschaftlich und wissenschaftlich gibt es eine Einigkeit, dass der menschengemachte Klimawandel eine der großen und zentralen Herausforderungen ist und Deutschland als Teil Europas und der Weltgemeinschaft jetzt die Weichen stellen muss, um seinen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu leisten. Nicht zuletzt der Druck der Straße durch die Fridays-for-Future-Bewegung hat dazu geführt, dass die Klimapolitik als eines der zentralen Themen dieses Bundestagswahlkampfs wahrgenommen wird. Gleichzeitig bleibt das Thema — wie zum Beispiel die Diskussionen um höhere Benzin- und Dieselpreise gezeigt haben — kontrovers.

Wir haben die Wahlprogramme von CDU/CSU, Grünen, SPD, der Linken und der FDP nach klimaökonomischen Kriterien analysiert. Auf das Programm der AfD, die den menschengemachten Klimawandel abstreitet und entsprechend klimapolitische Maßnahmen ablehnt, gehen wir nicht weiter ein.

Parteien orientieren sich am Pariser Klimaabkommen

Alle fünf Parteien orientieren sich an den Zielen des Pariser Klimaabkommens und streben für Deutschland Treibhausgasneutralität bis spätestens Mitte des Jahrhunderts an. Die FDP sieht dies für spätestens 2050 vor, die CDU und die SPD wie im Klimagesetz beschlossen für spätestens 2045, die Linke möchte bereits 2035 klimaneutral sein. Die Grünen nennen keine genauere Jahreszahl. Die Parteien gehen kaum auf die Unterschiede der CO2-Neutralität und der Treibhausgasneutralität ein, wobei letztere erfordert, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die CO2-Emissionen unter Strich negativ sind, also CO2 aus der Atmosphäre entnommen sowie abgeschieden und gespeichert werden muss (CCS).

Genauso wichtig wie die Zielambition und präzise Zieldefinition ist der Instrumentenmix, um die Ziele tatsächlich zu erreichen. Aus ökonomischer Sicht sollte eine langfristige, berechenbare und möglichst umfassende Treibhausgas-Bepreisung das klimapolitische Leitinstrument sein, wobei der Emissionshandel als Mengeninstrument den Vorteil hat, gesetzte Mengenziele sicher zu erreichen. Er ist gleichzeitig im Rahmen der EU-Politik bereits stark verankert. Das IfW Kiel (Rickels et al. 2019) hat 2019 erneut vorgeschlagen, neben dem bestehenden EU-Emissionshandel für den Strom- und Industriesektor ein zweites EU-Emissionshandelssystem für den Verkehrs- und Wärmesektor zu schaffen und mittelfristig beide Systeme zusammenzuführen. Außerdem soll die Bepreisung wo möglich auch auf weitere Sektoren (Landwirtschaft, Abfallwirtschaft) ausgedehnt werden. Dabei gilt auch: Je europäischer oder sogar internationaler die Bepreisung ist, umso besser. Zudem gehört zu einer effizienten Klimapolitik auch eine Energiesteuerreform, die sich am CO2-Gehalt orientiert und zudem die Abgaben und Steuern für Strom senkt. Teurer Strom senkt Anreize, etwa auch im Verkehrs- und Wärmesektor auf stromgetriebene and dann durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien emissionsfreie Technologien umzusteigen.

Wissenschaft präferiert Preise für CO2-Emissionen

Generell sorgt eine CO2-Bepreisung dafür, dass der Ausstoß dort vermieden wird, wo es am günstigsten möglich ist und dass Investitionen, Innovationen, Produktionsverfahren und Konsum in emissionsarme Richtungen gelenkt werden. Sie erspart auch an vielen Stellen eine sehr kleinteilige, administrativ aufwendige Politik, die Anreize verzerren und zu Ineffizienzen führen kann. Dennoch ist es sinnvoll und notwendig, eine CO2-Bepreisung durch spezifischere Förderung von Technologieentwicklung und -anwendung und durch Investitionen in Infrastruktur zu flankieren, etwa im Bereich der Mobilität oder der Gebäude. Im Mobilitätssektor gilt es dabei auch im Sinne einer breiten Technologieoffenheit, Alternativen zum motorisierten Individualverkehr und die dafür benötigte Infrastruktur im Blick zu behalten. Im Gebäudesektor stehen Informations- und Investitionshemmnisse und durch Mieter-Vermieterverhältnisse verkomplizierte Anreizstrukturen einer einfachen Dekarbonisierung im Weg. Beide Sektoren sind Beispiele dafür, dass eine CO2-Bepreisung alleine nicht ausreicht. Außerdem müssen für eine Dekarbonisierung bis Mitte des Jahrhunderts alle Emissionsquellen und Sektoren adressiert werden. Insgesamt setzen sich daher auch renommierte Ökonominnen und Ökonomen wie etwa Nobelpreisträger Joseph Stiglitz neben der CO2-Bepreisung explizit für Förderprogramme und Standards ein.

Neben Effektivität und Effizienz ist die internationale und nationale Verteilungsgerechtigkeit die dritte große Säule einer nachhaltigen Klimapolitik. International bedeutet dies, stark auf Partnerschaften mit den größten Wirtschaftspartnern und -emittenten zu setzen – allen voran die USA und China. Zur nationalen Verteilungsgerechtigkeit kann neben der bereits erwähnten Senkung der Stromabgaben vor allem eine Pro-Kopf-Rückerstattung von Emissionspreisen beitragen.

Instrumentenmix der Linken weder effizient noch effektiv

Spiegelt man die Parteiprogramme an diesem skizzierten Leitbild, so ist die LINKE hiervon am weitesten entfernt. Sie ist allen marktwirtschaftlichen Instrumenten gegenüber sehr kritisch eingestellt und lehnt den Emissionshandel als Leitinstrument ab, ebenso wie eine Ausweitung auf den Verkehrs- und Transportsektor. An vielen Stellen sieht das Programm Verbote (Kurzstreckenflüge, CCS) und Gebote (Tempolimit) vor. Außerdem setzt die Linke zentral auf milliardenschwere Innovations- und Technologieförderung des Bundes in allen relevanten Sektoren. Dies ist in diesem Mix sicher nicht effizient und nicht mal effektiv im Hinblick auf das erklärte Ziel der Treibhausgasneutralität. Der soziale Ausgleich soll durch massive staatliche Investitionen erreicht werden – etwa in kostenlosen ÖPNV. Richtigerweise betont die Partei immerhin die internationale Verantwortung für den „globalen Süden“, der auf dem Weg zur Klimaneutralität und bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden soll.

In eine ähnliche Richtung geht auch das Programm der SPD, die ebenfalls primär auf staatliche Investitionen und Ordnungsrecht setzt. Sie ist sie marktwirtschaftlichen Instrumenten gegenüber jedoch weniger abgeneigt. Diese tauchen allerdings nur am Rande auf. Das zentrale Bepreisungsinstrument der EU, das EU-Emissionshandelssystem wird nicht weiter erwähnt, ebenso wenig wie eine Energiesteuerreform. Der soziale Ausgleich soll über die Abschaffung der EEG-Umlage und damit sinkende Strompreise erfolgen. Eine Pro-Kopf-Rückerstattung der CO2-Kosten soll geprüft werden. Positiv hervorzuheben ist die Erwähnung eines Anreizsystems für die Landwirtschaft und die Betonung der transatlantischen Partnerschaft. Die notwendige CO2-Entnahme zur Erreichung der Treibhausgasneutralität soll durch Aufforstung und die Renaturierung von Mooren erreicht werden.

Grünen präsentieren Maßnahmen am detailliertesten

Die Grünen setzten explizit auf einen Mix aus CO2-Preisen, Anreizen und Förderung sowie Ordnungsrecht. Die Ausweitung der CO2-Bepreisung wird explizit thematisiert, ebenso wie eine Energiesteuerreform, und geht im Kern in die richtige Richtung. Die Ausweitung des EU-Emissionshandels ist vorgesehen, inklusive eines ökonomisch sinnvollen Mindestpreises, ebenso wie transnationale CO2-Preise und eine umfassende Steuer- und Abgabenreform inklusive Abschaffung der EEG-Umlage. Der soziale Ausgleich soll zudem durch eine Rückerstattung der CO2-Kosten an die Bürgerinnen und Bürger erreicht werden. Auch die internationale Klimagerechtigkeit findet ausgiebig Erwähnung, ebenso wird die transatlantische Zusammenarbeit betont und der Dialog mit China erwähnt. Insgesamt ist bei den Grünen die Breite, Tiefe und der Detaillierungsgrad der Maßnahmen am größten, und alle Sektoren werden adressiert. Dabei sind an vielen Stellen auch starke staatliche Investitionen und Förderung vorgesehen, ebenso wie Ordnungsrecht.

Wo die Grenze zwischen einem pragmatischen Instrumentenmix und einer zu kleinteiligen Förderung und Festschreibung verläuft, ist nicht immer einfach festzustellen. Aber bei der Analyse des Programms und einzelner Äußerungen der Grünen scheint an vielen Stellen eine größere Skepsis in Bezug auf Anreizinstrumente durch. Ähnlich wie im Fall der SPD soll die CO2-Aufnahme durch die Natur (Aufforstung, Moore etc.) erhöht werden. Allerdings gehen die Grünen nicht darauf ein, wie die notwendige Treibhausgasneutralität erreichet werden soll und interpretieren letztere an einigen Stellen scheinbar als CO2-Neutralität.

CDU bietet Mischung aus Markt und Staat

Die CDU setzt in ihrem Wahlprogramm auf Innovationen sowie auf „effiziente marktwirtschaftliche Instrumente als Leitinstrumente innerhalb eines Instrumentenmixes“. Die Details der Bepreisung (Ziel ist ein umfassender europäischer Emissionshandel mit einheitlichem Preis und globaler Anschlussfähigkeit, langfristig ein globaler Emissionshandel) entsprechen dem oben skizzierten Leitbild, ebenso wie die transatlantische Partnerschaft und internationale Entwicklungsfinanzierung. Für die internationale Anschlussfähigkeit sieht die CDU auch anders als Linke, SPD und Grüne die Anrechnung von Emissionsreduktionen aus anderen Ländern vor. Dies ist aus Effizienzgründen sinnvoll, solange die Erreichung der globalen Treibhausgasneutralität nicht verlangsamt wird.

Die kommunikativ stärker als die Bepreisung hervorgehobenen Innovationen finden sich prominent im Wahlprogramm, und auch die CDU sieht Förderung etwa von Verkehrsinfrastruktur inkl. ÖPNV und Gebäuden vor. Dabei vermittelt das Programm zum Teil in unrealistischer Weise, dass gesellschaftliche und strukturelle Änderungen nur begrenzt notwendig sein werden. Anders als Linke, SPD und Grüne (die nur auf natürliche CO2-Speicher setzten) möchte die CDU die Möglichkeiten zur Abscheidung und Speicherung von CO2 sichern und fördern und hält generell negative Emissionen explizit für notwendig. Für den nationalen sozialen Ausgleich möchte die CDU die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung alleine für eine Strompreissenkung verwenden. Eine direkte Rückerstattung an Bürgerinnen und Bürgern ist nicht vorgesehen

Technologie steht bei FDP im Fokus

Die FDP hebt in ihrem Programm noch stärker als die CDU technologische Entwicklungen und Innovationen hervor und misst gesellschaftlichen und strukturellen Änderungen damit noch weniger Bedeutung zu. Im Mobilitätssektor steht etwa ein emissionsfreier motorisierter Individualverkehr im Vordergrund, auch wenn im Nachhinein noch die Radverkehrsförderung aufgenommen wurde. Mit Blick auf negative Emissionstechnologien geht die FDP am weitesten: Sie sieht in CCS und CO2-Entnahme-Technologien eine große Chance für den Klimaschutz. Ihr Instrumentenmix setzt am konsequentesten auf Emissionshandel, CO2-Bepreisung und Energiesteuerreform und folgt damit dem ökonomischen Idealbild. Dafür kommen staatliche Förderung und Investitionen sehr kurz. Der oben erwähnte Gebäudesektor, in dem eine CO2-Bepreisung alleine nicht ausreichen wird, findet etwa im FDP-Programm keine Erwähnung. Sozialer Ausgleich durch ein Bürgergeld und niedrigere Strompreise wurde noch nachträglich in das Programm aufgenommen, internationaler Lastenausgleich wird nicht erwähnt. Wie auch die CDU möchte die FDP die Möglichkeit nutzen, Projekte in anderen Staaten zu finanzieren und die entsprechenden Treibhausgasreduktionen auf die eigenen Ziele anzurechnen.

Insgesamt propagiert keine Partei vollständig den Instrumentenmix des oben skizzierten Leitbilds.  Eine der Komponenten fehlt stets oder erhält (zu) wenig Aufmerksamkeit. Die CO2-Bepreisung ist erfreulicher Weise außer bei SPD und Linke das erklärte Leitinstrument, „auch wenn nur die FDP dies auch konsequent in der Außenkommunikation betont.

Im Prinzip erkennen auch alle Parteien außer der Linken an, dass es einen Instrumentenmix aus Bepreisung und Begleitinstrumenten braucht. Hier ist nicht immer einfach zu bewerten, inwieweit die Pläne pragmatisch und an den bestehenden politischen, gesellschaftlichen Restriktionen orientiert sind, oder auf eine zu kleinteilige und ineffiziente Förder- und Verbotspolitik hinauslaufen. Auf jeden Fall wird es etwa im Gebäudesektor mit einer Bepreisung alleine nicht getan sein. Nicht alle Parteien haben auch ausreichend alle Sektoren und Emissionsquellen im Blick – auch diejenigen, die sich einer sofortigen Bepreisung entziehen (zum Beispiel die Landwirtschaft). Der Geist scheidet sich dann an den negativen Emissionstechnologien, aber ohne diese sowie ohne CCS ist eine Erreichung der Treibhausgasneutralität nicht realistisch – ob diese Erkenntnis bei machen Parteien noch nicht angekommen ist oder ob hier die kritische Wählerschaft beruhigt werden soll, bleibt unklar.

Den sozialen Ausgleich betonten die Parteien unterschiedlich. Der internationale Lastenausgleich findet insgesamt wenig Beachtung. Während die USA als Partner in der Klimapolitik zu Recht von vielen Parteien genannt werden, fällt auf, dass China als größter Emittent nur in einem Parteiprogramm in Zusammenhang mit der Klimapolitik genannt wird.

Insgesamt ist zu hoffen, dass bei der letztlich regierenden Koalition die richtigen Elemente aus den einzelnen Programmen kombiniert werden – ein optimaler Politikmix in unserem Sinne wird so möglich. Ob die Parteien mit ihren Programmen die gesetzten Ziele der Treibhausgasneutralität rechtzeitig erreichen würden, hängt aber nicht allein von den Instrumentenmixen ab, sondern auch davon, wie ambitioniert und konsequent sie die Instrumente umsetzen.


Coverfoto: Zbynek Burival / Unsplash

In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Instituts für Weltwirtschaft wider.

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