Wirtschaftspolitischer Beitrag

CO2-Speicherung: in Norwegen schon lange salonfähig

Autor

  • Christine Merk
Erscheinungsdatum

In Deutschland ist es de facto verboten, abgeschiedenes CO2 unterirdisch zu speichern, und die allgemeine Skepsis gegenüber dieser technischen Möglichkeit ist groß.

Experte IfW Kiel

Carbon capture and storage (CCS) ist ein Verfahren, bei dem CO2 zum Beispiel bei der Produktion von Zement oder bei der Kohleverstromung abgeschieden und dann unterirdisch gespeichert wird. So wird verhindert, dass das CO2 in die Atmosphäre gelangt und dort die Erderwärmung weiter anheizt. Mögliche Speicherstätten sind zum Beispiel leere Öl- und Gasfelder oder poröse Gesteinsstrukturen, die von wasser- und gasundurchlässigen Schichten umschlossen sind. In Deutschland gibt es zwar geeignete Lagerstätten, aber rechtlich ist die Speicherung im Moment nicht möglich (Factsheet zur CO2-Speicherung in Deutschland). Voraussichtlich am 14. Dezember legt das Bundeskabinett den zweiten Evaluationsbericht zum Kohlendioxid-Speichergesetz (KSpG) vor, der den Bundestag über den neusten Stand zur Forschung und Entwicklung von CCS unterrichten soll. Der Bericht untersucht, welche Umweltauswirkungen CCS hat und was die Technologie zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann. Durch eine rechtliche Klarstellung der Rahmenbedingungen könnten sich hier neue Möglichkeiten ergeben.

CCS hat in Deutschland einen schlechten Ruf

Besonders die Angst vor der fehlenden öffentlichen Akzeptanz hat in Deutschland lange Zeit dazu geführt, dass das Thema in der öffentlichen Debatte nur selten aufgegriffen wurde. Es wird befürchtet, dass CO2 aus den unterirdischen Speichern entweichen könnte, und die Technologie steht häufig unter dem Verdacht, eine Hintertür aus dem eigentlich notwendigen Kohleausstieg zu sein. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Einsatzgebiete, wie bei der Herstellung von Zement, Dünger oder der Müllverbrennung, auf die wir auch in Zukunft – im Gegensatz zur Kohleverstromung – nicht ganz verzichten werden wollen. Ambitionierte Klimaziele setzen aber voraus, dass Mitte des Jahrhunderts kein zusätzliches CO2 mehr in die Atmosphäre gelangt.

Deshalb gibt es Pläne, in Deutschland abgeschiedenes CO2 per Schiff oder Pipeline nach Norwegen zu bringen, um es dort in alten Erdgasfeldern unter der Nordsee zu speichern. Norwegen gilt als glänzendes Vorbild, wo all das möglich ist, was hierzulande unvorstellbar scheint.

Seit mehr als 30 Jahren diskutiert die norwegische Politik CCS

Warum es keine nennenswerte Opposition gegen CCS in Norwegen gibt, liegt an den jahrzehntelangen positiven Erfahrungen mit der Öl- und Gasindustrie und dem breiten gesellschaftlichen Konsens, der sich von grünen Parteien und Umweltverbänden über gesellschaftliche Eliten, wie Journalistinnen und Journalisten sowie Beamtinnen und Beamte, und die breite Bevölkerung bis hin zu konservativen Parteien zieht. Sie alle vereint ein im internationalen Vergleich starkes Vertrauen in technische Lösungen für den Klimaschutz und damit auch CCS. Im Gegensatz zu den deutschen Parteien sprechen sich seit 2009 alle der sieben Parteien im norwegischen Parlament, dem Storting, in ihren Wahlprogrammen für die Abscheidung und Speicherung von CO2 in Norwegen aus. Nur die eher dem rechten Spektrum zuzuordnende Fortschrittspartei ist seit 2017 dafür, die finanzielle Förderung von CCS aus Steuergeldern zurückzufahren. Über CCS, damals noch in Kombination mit Gaskraftwerken, wurde bereits Ende der 1980er diskutiert. In seiner Neujahrsansprache 2007 bezeichnete der damalige Ministerpräsident Jens Stoltenberg die Errichtung einer CCS-Testanlage mit allen Verfahrensschritten in Mongstad bei Bergen als die „Norwegische Mondlandung“. Das nationale Projekt erlebte Rückschläge, aber das Narrativ von CCS als Norwegens „Geschenk an die Welt“ im Kampf gegen den Klimawandel blieb erhalten; gleichzeitig soll es ein kommerzieller Erfolg werden. Ab 2024 soll abgeschiedenes CO2 aus einem Zementwerk und einer Müllverbrennungsanlage Nahe Oslo per Boot und Pipeline zu einer Speicherstätte unter der Nordsee vor Bergen transportiert werden. Das Projekt wird teilweise staatlich finanziert und teilweise von einem Konsortium bestehend aus Equinor, Shell und Total.

In Norwegen ist CO2-Speicherung ein gesamtgesellschaftliches Thema

CCS ist in Norwegen aber nicht nur ein Prestigeprojekt politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Eliten. In einer Befragung verglichen wir 2020/21 die Einstellungen zu CCS von Politikerinnen und Politikern (n=1.149), leitenden Mitarbeitenden aus Behörden und Ministerien (n=1.113) sowie Journalistinnen und Journalisten (n=379) mit der von Bürgerinnen und Bürgern (n=1.956). Die Umfrage war Teil der ersten Welle des Norwegischen Koordinierten Online Panels für Forschung zu Demokratie und Governance (KODEM – Coordinated online panels for research on democracy and governance). In allen vier Gruppen finden wir ein hohes Maß an Unterstützung für CCS. Nur 5 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger sowie Politikerinnen und Politiker bewerten CCS sehr negativ, unter den Journalistinnen und Journalisten sowie den Staatsbediensteten ist dieser Anteil noch geringer (3,2 bzw. 2,1 Prozent). Gleichzeitig ist aber unter den Politikerinnen und Politikern der Anteil derer, die CCS sehr positiv bewerten, am höchsten; das liegt auch daran, dass in dieser Gruppe nur knapp 8 Prozent angeben, nicht zu wissen, wie sie CCS bewerten sollen. Dieser Anteil ist bei den Bürgerinnen und Bürgern, den Journalistinnen und Journalisten sowie den Verwaltungsmitarbeitenden viel höher. Er liegt zwischen 16 Prozent (Bürgerinnen und Bürger) und 22 Prozent (Journalistinnen und Journalisten). Bürgerinnen und Bürger sind im Schnitt am kritischsten, aber der Abstand zu den anderen Gruppen ist gering. Zu erkennen ist, dass die Wählerinnen und Wähler der CCS-kritischen Fortschrittspartei CCS ebenfalls weniger positiv gegenüberstehen als Wählerinnen und Wähler anderer Parteien. Hier zeigt sich, dass die Einstellungen von Parteien und ihren Wählerinnen und Wählern in Bezug zueinanderstehen. Für alle gilt: Wer die norwegischen Anstrengungen in der Klimapolitik zu hoch findet, sieht auch CCS weniger positiv, wohingegen höheres Vertrauen in Technologie im Allgemeinen zu einer positiveren Bewertung von CCS führt. Im europäischen Vergleich ist Norwegen damit die große Ausnahme: 2016 war in einer Befragung mehr als die Hälfte (56 Prozent) überzeugt, dass Wissenschaft und Technik die Probleme mit dem Klimawandel lösen werden, während dieser Anteil in Deutschland und Frankreich nur bei 29 Prozent und in Großbritannien bei 40 Prozent lag (Steenjes et al., 2017). Ganz besonders im Vergleich zu Deutschland, wissen sehr viel mehr Norwegerinnen und Norweger, worum es bei CCS geht und bewerten die Technologie positiv.

Gesetzesanpassung: nur ein erster Schritt in einer deutschen Klimastrategie

CCS ist in Norwegen schon lange ein Thema, und die grundlegende Frage, ob man überhaupt CO2 einlagern will oder ob die Risiken als zu hoch erachtet werden, sind gesellschaftlich geklärt; dort wird über das Wie diskutiert. Wenn Industrie und Politik in Deutschland nun das Thema auf die Agenda bringen, müssen sie einen jahrzehntelangen gesellschaftlichen Diskurs darüber, ob und wie CCS in Deutschland zum Einsatz kommen soll, im Eiltempo aufholen. Die Diskussion nimmt an Fahrt auf, und mit dem Evaluierungsbericht angestoßene Anpassungen des Kohlenstoffspeichergesetzes könnten ein wichtiger Schritt sein, wenn auch einer nur von vielen, die noch folgen müssen, wenn CCS Teil der deutschen Klimastrategie werden soll.

(Diese Zusammenfassung basiert auf dem Artikel "Teknologien vil redde klimaet!" von sta Nordø, Gisle Andersen und Christine Merk, der im Frühjahr 2023 in der Zeitschrift Norsk statsvitenskapelig tidsskrift erscheint.)


Coverfoto: © SaskPower, CC BY-NC-SA 2.0

In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Kiel Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft wider.

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