Lettland 18. Mitglied der Eurozone: Nicht nur Anlass zum Jubel*

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Autoren

  • Klaus Schrader
  • Claus-Friedrich Laaser
Erscheinungsdatum

Vor dem Hintergrund der weiterhin schwelenden Krisen im Euroraum ist es bemerkenswert, dass Lettland als 18. EU-Mitgliedsstaat seit dem 1. Januar 2014 den Euro als Landeswährung eingeführt hat. Nach Estland, das 2011 der Eurozone beitrat, ist Lettland der zweite baltische Staat, der sich für den Euro als Landeswährung qualifiziert hat. Nach den Erfahrungen aus der „Euro-Krise“ drängen sich zwei Fragen auf: Kann Lettlands Volkswirtschaft mit dem Euro zurechtkommen? Ist zu befürchten, dass Lettland zu einer weiteren Belastung für die Eurogruppe wird?

Vor dem Hintergrund der weiterhin schwelenden Krisen im Euroraum ist es bemerkenswert, dass Lettland als 18. EU-Mitgliedsstaat seit dem 1. Januar 2014 den Euro als Landeswährung eingeführt hat. Nach Estland, das 2011 der Eurozone beitrat, ist Lettland der zweite baltische Staat, der sich für den Euro als Landeswährung qualifiziert hat. Nach den Erfahrungen aus der „Euro-Krise“ drängen sich zwei Fragen auf: Kann Lettlands Volkswirtschaft mit dem Euro zurechtkommen? Ist zu befürchten, dass Lettland zu einer weiteren Belastung für die Eurogruppe wird?

Nach Lettlands Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Herbst 1991 hat sich das Land nach und nach zu einer funktionstüchtigen Marktwirtschaft entwickelt und dabei wie die baltischen Nachbarstaaten Estland und Litauen voll auf die EU-Integration gesetzt. Trotz häufig wechselnder Regierungen und einer zeitweise holprigen Reformpolitik ist Lettland auf Kurs geblieben. Schon zum 1. Mai 2004 wurde Lettlands Weg nach Europa mit der EU-Vollmitgliedschaft belohnt. Dieser Neuanfang schlug sich auch in einer positiven realwirtschaftlichen Entwicklung nieder. In den 2000er Jahren konnte Lettland mit zweistelligen Wachstumsraten glänzen und die Wohlstandslücke zu den reichen EU-Ländern verringern. Bis zum Ausbruch der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 galt Lettland sogar als ein „baltischer Tigerstaat“.

Der wirtschaftliche Absturz Lettlands im Krisenjahr 2009, in dem die lettische Wirtschaft – stärker als jede andere EU-Volkswirtschaft – um fast 18 Prozent schrumpfte, schien das Ende des Wachstumswunders zu sein. Tatsächlich konnten Wachstumsraten wie im Nachfrageboom der 2000er Jahre nicht wieder erreicht werden. Jedoch gelang es Lettland, seit dem Jahr 2011 wieder auf einen Wachstumspfad im 5-Prozent-Bereich zurückzukehren, der für eine aufholende Wirtschaft angemessen ist. Wie die Prognosen für 2014 erkennen lassen, wird Lettland in diesem Wachstumskorridor bleiben und verloren gegangenes Terrain schrittweise zurückgewinnen. Lettland hat seine kurze Wachstumskrise damit überwunden, auch wenn ein „Tiger-Wachstum“ nicht mehr zu erwarten ist.

In den Jahren nach dem EU-Beitritt führte das starke Wirtschaftswachstum zu einer günstigen Beschäftigungsentwicklung. Im Zuge der Krise schnellte die lettische Arbeitslosenquote mit fast 20 Prozent auf ein bis dahin nicht mehr gekanntes Niveau hoch. Die 2011 begonnene Erholung zeigt sich aber auch in einer wieder sinkenden Arbeitslosenquote im 10-Prozent-Bereich. So bleibt Lettland von einer Beschäftigungskrise südeuropäischen Ausmaßes verschont.

Vor der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise wies Lettland ein vergleichsweise geringes staatliches Budgetdefizit und damit einhergehend einen geringen Schuldenstand in Relation zum BIP auf. Mit der Krise ging in Lettland die zuvor herrschende finanzpolitische Stabilität vorläufig zu Ende. Mit einem Schuldenstand von 44 Prozent im Jahr 2010 lag Lettland immer noch gut 15 Prozentpunkte von der Mastricht-Grenze entfernt, die etwa von Deutschland klar überschritten wird. Seither hat sich die Situation der Staatsfinanzen in Lettland nicht verschlechtert, sondern sogar leicht verbessert. Das Haushaltsdefizit wird in den nächsten Jahren wohl deutlich unter 2 Prozent liegen, der Schuldenstand verbleibt wahrscheinlich im 40-Prozent-Bereich. Damit hat Lettland einen tragfähigen Schuldenstand erreicht und wird auch in den nächsten Jahren die Defizitgrenze einhalten können.

Vor diesem Hintergrund ist Lettland keineswegs ein Problemland für die Eurozone. Die lettische Volkswirtschaft ist ohne größere Schäden durch die Krise gekommen, wenn auch nur dank einer strengen Austeritätspolitik, die den Menschen einiges an Einschränkungen abverlangt und die soziale Entwicklung teilweise zurückgedreht hat. Dazu hat sicherlich auch das bisherige Festkursystem gegenüber dem Euro beigetragen, das Abwertungen des Lats verhindert hat. Stattdessen wurden Abwertungen „intern“ durch Einkommensverzichte vorgenommen. Lettland ist daher immer noch eine der ärmsten EU-Volkswirtschaften.

Aber wie ist es um das wirtschaftliche Entwicklungspotenzial des Landes bestellt? Lettland fehlt nach wie vor eine hochwertige Produktpalette, mit der es auf den Weltmärkten punkten könnte. Es dominieren arbeits-, rohstoff- und kapitalintensive Güterproduktionen sowie Dienstleistungsbereiche mit eher bescheidenen Einkommensmöglichkeiten. „Hightech made in Latvia“ ist nach wie vor Mangelware, qualifizierte junge Letten suchen ihren Weg zu einem besseren Leben viel zu oft außerhalb des Landes. In Lettland fehlen offensichtlich private Investitionen in höherwertige Produktionslinien.

Doch gibt es andere Hoffnungsträger, die Lettland zu einem Wohlstandsschub verhelfen könnten? Ein alter lettischer Traum ist sicherlich ein Bankenplatz Riga, der als internationale Drehscheibe bei der Finanzierung und Abwicklung des West-Ost-Handels fungiert. Darin bestehen aber nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. In der Bankenkrise 2008 hat dieses Geschäftsmodell Lettlands mit der Pleite einer Großbank bereits einen herben Rückschlag erlitten und zumindest kurzzeitig die makroökonomische Stabilität des Landes beeinträchtigt. Und mit Eintritt in die Eurozone wollen die Gerüchte nicht verstummen, dass Lettland die Nachfolge Zyperns als „sicherer Hafen“ für ausländische Einlagen verschiedenster Herkunft übernehmen könnte. Es wäre daher im Interesse Lettlands, wenn eine schlagkräftige Bankenaufsicht Exzesse wie auf Zypern verhindert. Auch in dieser Hinsicht kann das Land von der EU profitieren, die sich gerade anschickt, eine Europäische Bankenaufsicht zu etablieren.

Lettland sollte in der Eurozone als eine stabilitätsorientierte Volkswirtschaft herzlich willkommen sein. Doch bleiben Restzweifel, ob die Mitgliedschaft in einem Hartwährungsverbund den Aufholprozess des immer noch armen Lettlands optimal unterstützen kann. Den Versuchungen, denen Zypern nach dem Eintritt in die Eurozone erlegen ist, sollte Lettland jedenfalls widerstehen.

Siehe auch Kieler Diskussionsbeitrag 532/533.