9. Forum Klimaökonomie
Increasing Global Climate Ambition – How to get Lower-Income Countries and Fossil-Fuel Exporters on Board?
Unter dem Titel „Increasing Global Climate Ambition” fand am 22. Juni 2021 das 9. Forum Klimaökonomie erstmals in englischer Sprache statt. Die Moderatorinnen und Wissenschafler:innen im Studio diskutierten gemeinsam mit den Keynote-Sprecher:innen Laurence Tubiana und Adam Sieminski, die aus Paris bzw. Riad zugeschaltet waren, wie Entwicklungsländer und ressourcenreiche Exporteure fossiler Brennstoffe zu größeren Ambitionen im Klimaschutz gelangen können. Rund 150 Zuschauende aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft verfolgten per Livestream die zweieinhalbstündige Veranstaltung. Angesichts der Rückkehr der US-Regierung zum Pariser Abkommen auf der einen Seite und der eher wenig ambitionierten Abschlusserklärung der G7-Staaten auf der anderen Seite war der Zeitpunkt für dieses Forum gut gewählt: Internationale Zusammenarbeit zur Steigerung der Ambitionen im Klimaschutz bleibt eine Herausforderung, gerade auch angesichts der Verwerfungen durch die Corona-Pandemie.
Adam Sieminski skizziert die Perspektive Erdöl-exportierender Länder
Die erste Keynote hielt Adam Sieminski, Präsident des King Abdullah Petroleum Studies and Research Centers (KAPSARC) in Riad. Er warnte vor einer generellen Verteufelung fossiler Brennstoffe in der internationalen Klimapolitik. Insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern habe der Zugang zu moderner Elektrizität eine höhere Priorität, sodass die Gefahr eines aufkommenden Widerwillens gegen Klimapolitik und einer damit im Zusammenhang stehenden Gerechtigkeitsdebatte bestehe. Auch existierten für viele Sektoren schlicht keine Konzepte, wie auf fossile Energieträger verzichtet werden könne. Saudi-Arabien, als weltgrößter Ölproduzent, habe jedoch die Notwendigkeit eines Handelns anerkannt und verfolge das Konzept der Circular Carbon Economy (CCE), das Sieminski nachfolgend vorstellte. Es ziele auf eine Nettonull der Emissionen, nicht des Einsatzes von Fossilen. Auf dem jüngst von US-Präsident Biden anberaumten Gipfeltreffen zum Klimaschutz, hätten sich die USA, Kanada, Saudi-Arabien, Katar und Norwegen zum „Net-zero Producers Forum“ zusammengeschlossen. Sie möchten unter anderem den Ansatz der CCE vorantreiben.
Sieminski betonte, unabhängig von den sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen in den Schwellen- und Entwicklungsländern werde überall Kapital für die Bewältigung der Energiewende benötigt, damit das Sustainable Development Goal 7 (SDG 7 – Energie für alle) sowie die Ambitionen im Klimaschutz gesteigert werden können. Politische und regulatorische Strukturen seien Schlüsselfaktoren, um Kapital zu mobilisieren und dieses in Projekte zur Gewinnung sauberer Energie zu investieren.
Laurence Tubiana: Solidarität in der Bewältigung der Covid-19-Pandemie ermöglicht Bereitschaft für Ambitionssteigerungen im Klimaschutz!
Die zweite Keynote hielt Laurence Tubiana, Geschäftsführerin der European Climate Foundation (ECF) und Vorsitzende des Verwaltungsrats der Französischen Entwicklungsagentur (AFD). Sie betonte, die Auswirkungen des Klimawandels sowie der Covid-19-Pandemie träfen mit den ärmsten Ländern diejenigen am härtesten, die über keine Mittel verfügten, um neben der wirtschaftlichen Erholung und Entwicklung auch den Klimaschutz voranzutreiben. Covid-19 erfordere eine solidarische Reaktion der Länder, die finanziell und technologisch dazu in der Lage seien. Die kurzfristige internationale Zusammenarbeit zur Bewältigung der Pandemie – dazu gehöre insbesondere die Impfung der Bevölkerung – sei eine Voraussetzung für die Bereitschaft dieser Länder, ihre Ambitionen im Klimaschutz zu erhöhen. Weiterhin fehle es an direkter finanzieller Unterstützung damit diese Länder einen 1,5°-kompatiblen Pfad einschlagen können; zurzeit fehle ihnen dafür der finanzielle Spielraum.
Kurzfristig könne die Neuzuweisung von IWF-Sonderziehungsrechten die Liquidität von Entwicklungsländern (engl.: Low- and Middle Income Countries, LMIC) steigern. Längerfristig müsse die internationale Schuldenarchitektur so reformiert werden, dass sie Langfristeffekte des Klimawandels und auch die Risiken durch Extremwetterereignisse berücksichtigt würden. Der IWF könne durch eine Neuinterpretation seiner Rolle die Bedingungen für einen grünen, inklusiven und gerechten Aufschwung in LMIC schaffen. Ebenso seien Entwicklungsbanken und Klimafonds dazu bereit, benötigten jedoch ein klares Mandat.
Panel diskutiert die Anforderungen und Herausforderungen der globalen Energiewende mit Fokus auf LMIC und ressourcenreiche Länder
Moderiert von Conny Czymoch und Christine Merk (IfW) diskutierten Laurence Tubiana und Adam Sieminski im Anschluss mit Karen Pittel (ifo Institut München) zum Thema „Transforming Lower-Income Countries and Resource-Rich Economies – Challenges, Choices, and Chances“. Zwei Expert:innen stellten zunächst kurz die Themen und Diskussionspunkte vor, die bereits am 08. und 10. Juni in den vorgelagerten virtuellen Roundtables zum 9. Forum adressiert wurden:
Capital Markets, Institutions, and Distributional Effects – Towards Ambitious Climate Policy for Low- and Middle-Income Countries
Beim ersten Roundtable am 08. Juni 2021 diskutierten Kevin Urama (African Development Bank), Anna-Katharina Hornidge (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik) und Silvia Kreibiehl (Frankfurt School of Finance and Management) moderiert von Waldemar Marz (ifo Institut München) gemeinsam die Herausforderungen, denen sich speziell LMIC bei der Steigerung ihrer Klimaschutzambitionen gegenüber sehen.
Jan Steckel (MCC Berlin) trug die Impulse aus dieser Diskussion in das Panel auf dem Forum hinein. Er betonte die Notwendigkeit Klimapolitik und Entwicklungspolitik zusammen zu denken, und erläuterte drei Herausforderungen für Entwicklungsländer (LMIC, Low- and Middle-Income Countries):
- Staatliche Institutionen müssen in der Lage sein, die Förderung des Klimaschutzes auch leisten zu können – benötigt werden zusätzliche organisatorische Kapazitäten für die Formulierung, Umsetzung und Kontrolle von Regulierung, Förderprogrammen und sozialpolitischen Maßnahmen.
- Erneuerbare Energien sind kapitalintensiver als Fossile, weshalb hohe Kapitalkosten hier stärker ins Gewicht fallen. Damit Erneuerbare wettbewerbsfähig werden können, braucht es niedrige Kapitalkosten, ein stabiles politisches Umfeld, zusätzliche organisatorische und technologische Fähigkeiten für den effektiven Betrieb der Anlagen.
- Implizit stehen die Ziele der Sustainable Development Goals (SDG) miteinander in Konkurrenz und werden gegeneinander aufgewogen. Im Globalen Süden sind die Ziele „Keine Armut“ und “Bezahlbare und saubere Energie” wichtiger als der Klimaschutz.
Umso wichtiger sei es, die Herausforderungen durch den Klimawandel zusammen mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung anzugehen, damit Synergien zwischen den SDGs genutzt werden können.
Beyond Fuel Exports – Perspectives for a Transition of Fossil-Resource Rich Countries to Ambitious Climate Policy
Der zweite Roundtable befasste sich am 10. Juni 2021 mit Perspektiven für die Steigerung der Klimaschutzambitionen von Staaten, deren Wirtschaftsmodell auf den Export von fossilen Energieträgern aufgebaut ist. Die Runde, in der unter anderem Clare Murray (2° Investing Initiative) und Ali Al-Saffar (International Energy Agency) mitdiskutierten, moderierte Franziska Holz (DIW Berlin), die Impulse aus der Diskussion auch auf dem Forum vorstellte:
- Ressourcenreiche Länder zeigen im Durchschnitt weniger Ambitionen im Klimaschutz. Die Erlöse aus fossilen Ressourcen machen einen großen Teil des Bruttoinlandsprodukts (engl. Gross Domestic Product, GDP), der Beschäftigung im Lande und des Staatshaushalts aus. Somit bedroht internationale Klimaschutzpolitik und ein Rückgang der Nachfrage nach fossilen Energieträgern das Wirtschaftsmodell ressourcenreicher Länder.
- Ökonomische Diversifizierung ist eine Strategie, die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen und der Volatilität internationaler Rohstoffmärkte zu überwinden. Die notwendigen Investitionen in alternative Sektoren stellen allerdings eine große Herausforderung dar: Öffentliche Investitionen durch Re-Investition der Einnahmen aus Ressourcenexporten scheitern oft an institutionellen Voraussetzungen. Private Investitionen benötigen stabile politische und regulatorische Verhältnisse; institutionelle Investoren dürfen oft gar nicht in risikoreichen Ländern investieren. Investitionen in den Energiesektor, z.B. in Wasserstoff oder Erneuerbare, liegen nahe und könnten ein Asset Stranding verhindern, allerdings haben sie deutlich geringere Gewinnmargen als fossile Energien.
- Es gibt keine einfache Lösung die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren und damit die Ambitionen im Klimaschutz zu erhöhen. Die internationalen Klimaverhandlungen müssen die große Abhängigkeit von den Einnahmen aus den Rohstoffexporten anerkennen und eine Kompensation dafür vorsehen.
Themen: „Green Deal“-Diplomatie, Climate Finance, CBAM, Strategien auf dem Weg zur Netto-Null
Die Diskussion zeigte, wie wichtig der Blick über die Grenzen der Europäischen Union hinaus ist. Bei den Überlegungen zum Green Deal müsse auch die Wirkung auf andere Regionen stärker in den Fokus genommen werden. Europa solle sich von eine Klimadiplomatie hin zur „Green Deal“-Diplomatie bewegen, die betone, dass das Umschwenken auf eine „Green Economy“ sich lohne und auch zu anderen SDG beitrage. Sie solle die Klimapolitik in die Politik zur nachhaltigen und sozialen Entwicklung integrieren.
Das Panel war sich einig, dass die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen eine entscheidende Rolle einnimmt für die Steigerung der Ambitionen. Derzeit stünden noch unzureichend Mittel zur Verfügung. Zusätzlich existiere eine Unsicherheit darüber, ob die notwendigen Kapazitäten zur Aufnahme der Mittel in den Ländern überhaupt existierten. Investitionen seien der Schlüsselfaktor und die meisten Investitionen müssten aus privaten Quellen kommen, was angesichts hoher Kapitalkosten aufgrund hoher Risikoprämien eine Herausforderung bedeute. Es müsse noch viel getan werden, damit reiche Länder des Globalen Nordens derartige Investitionen unterstützten.
Die Diskussion regte zum Perspektivwechsel an: Wenn man die EU Green Deal-Brille absetze, zeige sich zudem, dass der geplante Grenzausgleichsmechanismus (engl.: Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) negative Auswirkungen auf Länder im Globalen Süden haben kann und aus deren Sicht alternative Maßnahmen sinnvoll wären. Auch Lösungen aus der Wissenschaft waren auf dem Prüfstand der praktischen Umsetzbarkeit: Die Kompensationszahlungen für Ressourcenbesitzer für die Nicht-Nutzung ihrer fossilen Ressourcen habe sich als politisch nicht umsetzbar erwiesen. Damit ergebe sich für die Wissenschaft die Aufgabe, alternative Ansätze, wie zum Beispiel Zahlungen, die an Bedingungen geknüpft sind, zu entwickeln.
Uneinigkeit bestand über die richtigen Strategien auf dem Weg hin zur Kohlenstoffneutralität: Die Prioritäten, die Adam Sieminski bei der Gewichtung seiner 4R (reduce, reuse, recycle, remove) für seinen Pfad zur Kohlenstoffneutralität setzte, waren nicht konsensfähig. Widerspruch kam von den anderen Panelist:innen sowie vom Online-Publikum, das sich per Chat rege beteiligte. Sie sahen einen stärkeren Fokus auf der Reduktion von Emissionen. Die Diskussion auf dem Forum machte also die Knackpunkte und unterschiedlichen Positionen in der internationalen Klimapolitik sehr deutlich.