11. Forum Klimaökonomie
Der Finanzsektor als Klimaschützer? Das Potenzial von Sustainable Finance
Virtuelles 11. Forum Klimaökonomie zu Sustainable Finance vereint Stimmen aus Forschung, Politik und Wirtschaft
ESG, Green Bonds oder Taxonomie-Rechtsakt – im Abkürzungs- und Fachjargon der Sustainable-Finance-Welt könne man als Laie schon leicht mal den Überblick verlieren, stellt Moderatorin Conny Czymoch zu Beginn des 11. Forum Klimaökonomie fest. Grund genug sich im Rahmen des letzten Forums des Dialogs zur Klimaökonomie der Frage zu widmen, welche Rolle der Finanzsektor bei der Eindämmung des Klimawandels einnehmen könne. Welche Kriterien muss die Berichterstattung von Unternehmen in Finanz- und Realwirtschaft erfüllen, um Klima- und Transitionsrisiken ausreichend zu berücksichtigen? Führt die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen automatisch zur intendierten Reallokation von Kapitalströmen? Bestehen weitere Barrieren für die erforderlichen Investitionen in grüne Technologien? Antworten auf diese und weitere Fragen erhofften sich rund 190 Teilnehmende, die über die interaktive Event-Plattform das 11. Klimaforum verfolgt haben.
Besonders klimafreundliche Technologien sind auf niedrige Kapitalkosten angewiesen
Energy-Finance-Experte Prof. Dr. Bjarne Steffen (ETH Zürich) vermittelte eine wissenschaftliche Perspektive auf die Herausforderungen bei der Finanzierung klimaschonender Technologien. Der in der EU jährlich um 30-40 % steigende Investitionsbedarf im Energiesektor begründe sich zum einen durch die hohen Kosten für den Umbau der Energieinfrastruktur, zum anderen durch die hohe Kapitalintensität CO2-armer Technologien.
Zwar bestünde in Europa grundsätzlich kein Mangel an verfügbarem Kapital, jedoch verhalten sich viele Investoren hinsichtlich bestehender Unwägbarkeiten zurückhaltend - etwa beim Energieträger Wasserstoff. Um die Finanzierbarkeit klimafreundlicher Technologien in der Breite zu stärken, könne eine grüne Finanzpolitik verschiedene Maßnahmen ergreifen: Eine Senkung der Kapitalkosten dürfte Investitionen in Erneuerbare Energien begünstigen. Wesentliche Treiber für die Kapitalkosten seien neben dem allgemeinen Zinsniveau technologiespezifische Zinsmargen und Renditeerwartungen sowie Emissionshandelssysteme. Ebenfalls Einfluss auf die Kapitalkosten haben auch Marktinitiativen, wie die Divestment-Aktivitäten öffentlicher Pensionskassen oder spezielle Förderprogramme staatlicher Investitionsbanken.
Sustainable Finance: kein grüner Finanzbereich, sondern zukunftsfähiges Finanzsystem
Ein vielschichtiges Bild von Sustainable Finance zeichnete anschließend Kristina Jeromin, Co-Vorsitzende des Cluster for Green and Sustainable Finance Germany. Sustainable Finance sei weit mehr als die Förderung nachhaltiger Finanzprodukte. Ziel sei ein zukunftsfähiges Finanzsystem, das Menschen und Unternehmen im notwendigen Transformationsprozess unterstütze.
Deutschland habe das ehrgeizige Ziel, „ein führender Standort für Sustainable Finance“ zu werden, habe es bislang jedoch verpasst, notwendige Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels umzusetzen. Dafür notwendig sei neben einem hohen Ambitionsniveau auch Transparenz im Finanzsystem und in Finanzierungsmechanismen. Die Akteure des Finanzbranche hielt Kristina Jeromin dazu an, Nachhaltigkeit nicht als eine Nische, sondern als ein systemisches Arbeitsfeld zu begreifen. Nur so könne der Sektor die für den Wandel notwendigen Innovationen erreichen, etwa im Bereich der digitalen Erfassung und Verarbeitung von Nachhaltigkeitsinformationen. Kritisch sah Jeromin die aktuelle Debatte rund um die EU-Taxonomie, da sie den Finanzsektor von dem von ihr angeregten systemischen Pfad abbringe.
Expert:innen berichten über Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis in vorgelagerter Serie von Diskussionsrunden
Nach den beiden Keynotes berichteten Dr. Kai Lessmann, Dr. Franziska Schütze und Dr. Gunnar Gutsche über die Serie von Roundtable-Diskussionen mit jeweils etwa 20 Teilnehmenden, die am 23. Februar, 24 Februar und am 2. März zu verschiedenen Themen des Hintergrundpapiers zum 11. Forum Klimaökonomie stattgefunden hatten. In ihren Interviews stellten sie Kernergebnisse und -erkenntnisse der Diskussionen kurz dar:
Panel-Diskussion: Was kann der Finanzsektor fürs Klima leisten?
In der abschließenden Panel-Diskussion trafen die beiden Keynote-Sprecher:innen Bjarne Steffen und Kristina Jeromin auf jeweils eine Stimme aus dem Finanzsektor und aus der verarbeitenden Industrie. Wiebke Merbeth, Nachhaltigkeitschefin bei der Kapitalverwaltung BayernInvest, wies zu Beginn darauf hin, dass bestehende politische Unsicherheiten einen noch stärkeren Dialog zwischen allen beteiligten Akteuren erfordern. Auch Christoph Reißfelder, Experte für Energie- und Klimapolitik beim Chemieunternehmen Covestro, sieht in der zeitgleichen Veränderung politischer und makroökonomischer Rahmenbedingungen eine sehr große Herausforderung für die Erstellung langfristiger Investitionspläne. Hierbei sieht er eine enge Verknüpfung zwischen Unternehmen der Finanz- und Realwirtschaft, die ein beidseitiges Vertrauen in mögliche Transformationspfade voraussetzt.
Unterstützung von staatlicher Seite, etwa in Form von Public-Private-Partnerships, können hier ein wertvolles Instrument sein, um Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit zu erzielen. Ein Beispiel hierfür sei die Etablierung zirkulärer Produktionsabläufe, deren Kosten nach wie vor sehr hoch sind. Unterstützung erhielt er dabei von Bjarne Steffen, nach dessen Einschätzung die größte Herausforderung in der Transformation von Industrien liegt, für die noch keine wettbewerbsfähigen alternativen Prozesse bzw. Technologien bereit stehen. Dabei sei auch ein Kompetenzaufbau innerhalb der Finanzbranche notwendig, um diese industriespezifischen Herausforderungen adäquat lösen zu können. Alle Panelist:innen zeigten sich hinsichtlich der Erfolgsaussichten der notwendigen wirtschaftlichen Transformationen optimistisch. Auch wenn dieser Wandel manchmal unangenehm und unbequem sei, wähnen sie die Akteure Ihrer Branchen auf dem richtigen Weg.
Hintergrundpapier
Das festgelegte Ziel der Klimaneutralität erfordert eine rasche Dekarbonisierung der Wirtschaft. Sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union wird dem Finanzsektor eine immer größere Rolle bei der Erreichung dieses Ziels zugeschrieben. Dieses Hintergrundpapier bietet einen Überblick zu den mit dem Begriff „Sustainable Finance“ verknüpften Handlungsfeldern, Akteuren und Maßnahmen. Genauer wird betrachtet, welche Hebel steuern, wie Investoren bzw. Kapitalmärkte über Investitionen in emissionsarme Aktivitäten bzw. ihren Rückzug aus emissionsintensiven Aktivitäten entscheiden, und welche Rahmenbedingungen notwendig sind, um unterschiedlichen Investorengruppen gut informierte Entscheidungen zu ermöglichen.