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Wirtschaftskraft: Norddeutsche Flächenländer hinken Bundesdurchschnitt hinterher

Container ships in watergates in Kiel Holtenau

„Die Schaffung eines norddeutschen Bewusstseins ist der entscheidende Hebel zum wirtschaftlichen Erfolg“, dies sagte UVNord-Präsident Uli Wachholtz heute in einem Pressegespräch, bei dem eine von UVNord beauftragte Kurzstudie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) vorgestellt wurde, die die Unterschiede in der Wirtschaftsentwicklung im Norden und Süden Deutschlands analysiert hat.

Die wesentlichen Erkenntnisse der von Dr. Klaus Schrader und Dr. Claus-Friedrich Laaser vom IfW Kiel erstellten Kurzstudie sind:

  • Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Wirtschaftsentwicklung lassen sich nicht pauschal als ein Süd-Nord-Gefälle darstellen. Vielmehr sind die Unterschiede zwischen den norddeutschen Bundesländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bei einzelnen ökonomischen Indikatoren nicht weniger stark ausgeprägt als im Vergleich mit den süddeutschen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern.
  • Die beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen stehen unverändert an der Spitze der Bundesländer bei den Pro-Kopf-Einkommen, wie auch die süddeutschen Bundesländer ebenfalls im Spitzenfeld liegen. Hingegen stagniert das relative Pro-Kopf-Einkommen in den norddeutschen Flächenländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern deutlich unterhalb des Bundesdurchschnitts, den auch Niedersachsen nicht erreicht.
  • Die unterschiedliche sektorale Spezialisierung erklärt die Einkommensunterschiede zwischen den Bundesländern: Generell werden Tätigkeiten im Verarbeitenden Gewerbe und in Bereichen hochwertiger, häufig unternehmensbezogener Dienstleistungen höher entlohnt. Eine Expansion in Bereichen, die eher einfache Arbeit nachfragen, verhindert hingegen Aufholprozesse, wie die Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein verdeutlichen.
  • Bundesländer-Rankings, die sich mit Innovationen und Zukunftsorientierung befassen, zeigen ebenfalls, dass die Wirtschaft im „Norden“ in vielen Bereichen schwächer aufgestellt ist als die im „Süden“. Dies schlägt sich bei Digitalisierungspatenten, der Beschäftigung von ITK-Kräften, der Innovationskraft und bei der regionalen Verteilung von Startups nieder, wo der „Norden“ nur vereinzelt mithalten kann. Ein weit gefasstes Innovationsranking der EU‑Kommission bestätigt, dass im „Norden“ allenfalls die Stadtstaaten und Teile Niedersachsens Anschluss halten können.

Klaus Schrader, Leiter des Bereiches Schwerpunktanalysen am IfW Kiel, sagte zu dem Ergebnis: „Die Analyse legt nahe, dass sich die Politik im „Norden“ verstärkt um die Pflege und Weiterentwicklung industrieller Kerne mit attraktiv entlohnten Tätigkeiten in der Produktion und in Bereichen unternehmensbezogener Dienstleistungen bemühen sollte. Die Politik kann und soll nicht gezielt gewachsene Strukturen verändern, aber sie kann über eine verbesserte Infrastruktur sowie über schnelle und unbürokratische Entscheidungsprozesse zur Überwindung von Strukturschwächen beitragen.“

Für die norddeutsche Wirtschaft sieht UVNord-Präsident Uli Wachholtz die größten Chancen gegenüber dem Süden aufzuholen und den Norden insgesamt zukunftsfest zu machen in folgenden Punkten:

  • In einer abgestimmten gemeinsamen Verkehrsinfrastrukturplanung und deren Einbindung in den Bundesverkehrswegeplan.
  • In der verstärkten gemeinsamen Raumordnung und Raumplanung.
  • In der Erstellung eines norddeutschen Demografie-Konzeptes mit einem Maßnahmenkatalog auch im Hinblick auf die Daseinsvorsorge in der Fläche.
  • In – unter Nutzung vorliegender Ausarbeitungen – der Erstellung eines abgestimmten gemeinsamen norddeutschen Fach- und Arbeitskräftekonzeptes.
  • In einer gemeinsamen abgestimmten Industriepolitik, die die vorhandenen industriellen Kerne pflegt und stärkt.
  • In der Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien, insbesondere einer gemeinsam getragenen Wasserstoffstrategie.
  • In einer Harmonisierung der Bildungssysteme, um eine bessere länderübergreifende Möglichkeit des Schulwechsels von Beschäftigten und Fachkräften zu ermöglichen.
  • In der Förderung einer attraktiven Hochschullandschaft, die eine noch engere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft einschließt, Start-Ups fördert sowie mehr Patente marktfähig macht.

Auch mehr Forschungsförderung für den Mittelstand wäre ein integraler Bestandteil.

„Wir schlagen vor,

  • dass die vorgenannten Vorhaben in enger Abstimmung zwischen Politik und Wirtschaft im Norden umgesetzt und begleitet werden und last not least,
  • dass wir zu einer regelmäßigen Evaluierung der Ergebnisse im Norden kommen. Denn wenn der Norden nicht regelmäßig an seiner Performance arbeitet, werden wir im Wettbewerb der Regionen nicht einen Schritt vorankommen.“

Abschließend unterstrich UVNord-Präsident Wachholtz: „Wir sind fest davon überzeugt, dass der Norden gemeinsam erhebliches Potential in wirtschaftlicher Entwicklung hat. Und letztlich haben wir kein Erkenntnis- sondern ein reines Umsetzungsproblem. Deshalb ist die Schaffung eines norddeutschen Bewusstseins und gemeinsames Handeln in wirtschaftlich relevanten Themen entscheidend für die Entwicklung der zukünftigen Wertschöpfung im Norden. Damit wir uns klar verstehen: Es liegt uns fern, die Identitäten der norddeutschen Länder in Frage zu stellen. Wir sind überzeugte Föderalisten und auch das Subsidiaritätsprinzip gilt uneingeschränkt. Aber in Fragen von Infrastrukturentwicklung, von Gesetzen, Verordnungen und Bürokratie braucht die Wirtschaft größere Räume mit gleichen und guten Rahmenbedingen, um die Arbeitsplätze von morgen zu schaffen und zu sichern. Wir müssen wirtschaftlich - und deshalb auch politisch - in größeren Räumen denken, wenn wir unseren gewohnten Wohlstand auch nur erhalten wollen.“