Wirtschaftspolitischer Beitrag

Wie die Schuldenbremse ein Werkzeug der Klimapolitik sein kann

Autor

  • Jens Boysen-Hogrefe
Erscheinungsdatum

Die Schuldenbremse bietet durchaus Möglichkeiten, transformative Investitionen der öffentlichen Hand hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaft per Kredit zu finanzieren. 

Experte IfW Kiel

Die Schuldenbremse steht seit Anbeginn von vielen Seiten in der Kritik. Auf der einen Seite wird dem Konzept vorgehalten, es sei zu flexibel und beinhalte zu viele Umgehungstatbestände, und von der anderen Seite ist zu hören, dass die Schuldenbremse wegen mangelnder Möglichkeiten der Kreditfinanzierung öffentliche Investitionen und insbesondere solche für die klimafreundliche Transformation behindere. 

Kritiken von beiden Seiten tragen durchaus diskussionswürdige Punkte in sich. In einer idealen Welt ist aus Sicht der meisten ÖkonomInnen die „Goldene Regel“ das klar überlegene Konzept. Laut dieser dürfen Investitionen, die spätere Staatseinnahmen in gleichem oder höherem Ausmaß als der Kapitaldienst der entsprechenden Schulden auslösen, kreditfinanziert werden. Doch gibt es zum einen auch mit der „Goldenen Regel“ angesichts der Frage, was denn eine öffentliche Investition überhaupt ist, konzeptionelle Probleme, und zum anderen bietet das Konzept Schuldenbremse durchaus Möglichkeiten, sich ähnlich wie unter einer „Golden Regel“ zu verhalten. Schließlich, und das ist wie oft in der angewandten Wirtschaftspolitik ein sehr gewichtiges Argument, ist die Schuldenbremse bereits am Platz und die politischen Mehrheiten sie grundlegend zu verändern schwerlich in Sicht. Die Pfadabhängigkeit kann sinnvollerweise (und sollte daher auch) in der öffentlichen Diskussion nicht einfach weggewischt werden.  

CO2-Preis ist notwendig, damit „Rendite“ der Klimaschutzinvestitionen relevant werden 

Angesichts vieler Vorausberechnungen der Effekte des Klimawandels scheint die Frage nach der Rendite von Klimaschutzinvestitionen zunächst trivial. Global dürfte der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten deutliche Kosten verursachen. Zwar sind diese Vorausberechnungen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, doch wären dann Klimainvestitionen zumindest eine Versicherung gegen das Eintreten der ungünstigen Fälle. Doch geht dieses Kalkül aus Sicht eines öffentlichen Haushalts (oder eines Privathaushalts) leider nicht auf. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Nutzen weit in der Zukunft liegen kann und somit mit den derzeit gängigen Finanzierungsvehikeln eine sinnvolle Fristentransformation erschwert ist, und zum anderen besteht das klassische Trittbrettfahrerproblem. Der Nutzen von Klimaschutzinvestitionen ist global, die Kosten sind lokal. Bezogen auf dendie einzelnen EntscheiderInnen vor Ort bedeutet das, dass die ihm/ihr für seine/ihre Klimaschutzinvestition zurechenbare Rendite extrem gering ist. Anders gesagt, die Anschaffung eines E-Busses in der Gemeinde vor Ort wird nicht entscheidend das Klima der kommenden Jahrzehnte in genau diesem Ort beeinflussen. Die Idee der „Goldenen Regel“ ist lokal also nicht ohne Weiteres anwendbar. Ein CO2-Preis bietet hier eine Lösung. Die Klimaschutzinvestition rechnet sich aus der Sicht der lokalen EntscheiderInnen, weil über den CO2-Preis Ausgaben vermieden werden können, wenn die Investition getätigt wird. Für Deutschland insgesamt, also auf Bundesebene, besteht ein ähnlicher Zusammenhang, weil es bei Verfehlen der Klimaziele Ausgleichszahlungen im europäischen Kontext anstehen. Ob diese hinreichend hoch sind, um eine effektive Klimapolitik auszulösen, kann hier allerdings nicht beantwortet werden. 

 

Die Schuldenbremse behindert die Kreditaufnahme für kommunale Investitionen nicht 

Eine Festlegung der Schuldenbremse besagt, dass grundsätzlich die öffentlichen Haushalte ohne Nettoneuverschuldung auskommen sollen. Doch ist diese grundsätzliche Aussage nicht so bindend, wie sie scheint. Zum einen ist festzuhalten, dass weite Teile der staatlichen Investitionen, um die es beim Klimaschutz gehen dürfte, von den Kommunen oder von öffentlichen Unternehmen zu leisten sind, die gar nicht unter diese Bestimmung der Schuldenbremse fallen. Die Kommunen sind zwar in ihrer Kreditaufnahme durch die Kommunalaufsicht der Länder restringiert, doch sollte diese nicht die Kreditaufnahme behindern, wenn durch Einsparungen bei Ausgaben für CO2, die Investitionen lohnend für die kommunalen Haushalte sind. Hierbei kann helfen, dass inzwischen viele Kommunen ihren Haushalt nicht mehr kameralistisch, wie der Bund, sondern doppisch aufstellen. Die Investition ist im System der Doppik ein Aktivtausch. Die Bilanz verschlechtert sich nicht. Erst die Abschreibungen und bei Kreditfinanzierung die Zinsen schlagen später zu buche. Das bedeutet, dass es für die Finanzierung der Investition selber zunächst keine Restriktion gibt. Wichtig für die Investitionsentscheidung auf kommunaler Ebene dürfte aber sein, dass klar absehbar ist, dass sich die Investition rechnet. Erste Erfahrungen bei der Umstellung zur Doppik haben nämlich gezeigt, dass wohl wegen der Unsicherheit des Ertrags der Investition und der zugleich mit Sicherheit anfallenden Abschreibungen, die Umstellung nicht zu einem Schub bei der Investitionstätigkeit der Kommunen geführt hat. Zentral dürfte daher für die Bereitstellung transformativer Investitionen sein, dass die CO2-Ersparnis bei den Kommunen anfällt und zugleich ein deutlicher Anstieg der CO2-Preise erwartbar ist. Sofern dann Kommunen trotz des sichereren Kalküls Finanzierungsprobleme haben, wäre es möglich, diese durch Kreditprogramme des Bundes (oder der KfW) zu unterstützen. Dies wäre durchaus mit den Regeln der Schuldenbremse vereinbar, da es sich bei einem Kredit um eine sogenannte finanzielle Transaktion handelt, die bei der Abrechnung der Schuldenbremse herausgerechnet werden. Durchaus bedenkenswert dürfte es zudem sein, die Doppik auch auf Länderebene weiter umzusetzen, so dass ebenfalls hier das gleiche Kalkül greifen kann. 

 

Infrastrukturgesellschaften und ÖPP fallen nicht unter die Schuldenbremse 

Explizit von den Vorgaben der Schuldenbremse ausgenommen ist die Kreditaufnahme von Unternehmen, die im staatlichen Besitz sind wie zum Beispiel die Deutsche Bahn, und von Unternehmen, die im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft öffentliche Investitionsprojekte finanzieren. Jüngst wurde von Seiten des Bundes darauf verzichtet, diese Möglichkeit der Kreditfinanzierung für die Autobahninfrastruktur zu nutzen, da bei der Einrichtung der Autobahn GmbH die Autobahnen selbst nicht der GmbH übereignet wurden, sondern im direkten Besitz des Bundes blieben. Somit fehlen der Autobahn GmbH schlicht die Sicherheiten, um größere Kredite aufzunehmen. Welche Kreditfinanzierungsspielräume durch Unternehmen bestehen, lässt sich vielleicht auch daran erkennen, dass die jüngste Kapitalerhöhung der Deutschen Bahn durch den Bund im Sinne der Schuldenbremse als finanzielle Transaktion gewertet wurde. Sicherlich gibt es hier Missbrauchsmöglichkeiten, doch hat in jüngerer Zeit die Politik die Chancen von ÖPP und Infrastrukturgesellschaften eher ausgeschlagen. Ein Anwurf, der übrigens häufig gegen ÖPP gemacht wird, ist, dass diese vordringlich wegen der höheren Finanzierungskosten der privaten Partner, als ineffizient gelten. Zumindest die Frage der Finanzierungskosten dürfte ebenso wie bei den kommunalen Investitionen unter dem Mantel der Schuldenbremse zu lösen sein. 

 

Fazit: Derzeitige Schuldenbremse klimapolitisch vielleicht sogar auf der Habenseite 

Insgesamt bietet die Schuldenbremse durchaus Möglichkeiten, die konsumtiven Ausgaben des Staates einzuhegen und gleichzeitig transformative Investitionen per Kredit zu finanzieren. Für überregionale Infrastrukturprojekte, die dazu dienen den CO2-Ausstoß allgemein zu verringern, bieten sich Infrastrukturgesellschaften oder ÖPP an. Die Investitionen, die den eigenen CO2-Fußabdruck des Staates mindern sollen, lassen sich zumindest auf Seiten der Kommunen und der Länder, die doppisch buchen, im Einklang mit der Schuldenbremse per Kredit finanzieren. Entscheidend dafür, dass die entsprechenden Investitionsentscheidungen vor Ort auch getroffen werden, dürfte ein verlässlicher Anstieg des CO2-Preises sein und dass die durch die Investitionen entstehenden Kostenvorteile nicht durch Finanzausgleichssysteme nivelliert werden – bei der Gestaltung der kommunalen Finanzausgleichssysteme ist dies gegebenenfalls zu berücksichtigen. 

Der Beitrag erschien am 29. Juni 2023 in leicht geänderter Fassung als Gastbeitrag im Blog Wirtschaftliche Freiheit unter dem Titel „Die Schuldenbremse ist kein „Klimakiller“! - Ein Plädoyer für eine mit dem geltenden Regelungsrahmen stimmige Klima- und Finanzpolitik“.  


Coverfoto: © Adobe Stock | Achim Wagner

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