Wirtschaftspolitischer Beitrag
Weckruf an Politik und Wirtschaft: Jetzt in Afrika investieren
Afrika gilt schon lange als Kontinent der Chancen, hat dieses Versprechen aber bislang nicht eingelöst. Die Digitalisierung dürfte dies ändern. Doch deutsche Firmen drohen den Trend zu verpassen.
Afrikanischer Kontinent gleich Krisenkontinent. Diese Gleichung hat sich in vielen Köpfen festgesetzt und bekommt durch die jüngsten Schlagzeilen leider neue Evidenz. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die für viele afrikanische Länder so wichtige Versorgung mit Weizen gekappt, es drohen explodierende Preise und Hunger. Verschärfend kommt die Dürre hinzu, die die landeseigene Ernte äußerst mager ausfallen lässt. Auf der UN-Generalversammlung dürfte daher intensiv über Milliardenhilfen für den afrikanischen Kontinent diskutiert werden – wieder einmal.
Doch wer Afrika nur mit Krise verbindet, unterschätzt sein Potenzial gewaltig. Afrika ist der Kontinent der ungenutzten Chancen. Viele der für die Entwicklung innovativer Technologien wichtigen Rohstoffvorkommen, etwa Kobalt oder Lithium für die Batteriezellenproduktion, liegen in Afrika. Ohne Afrikas natürliche Ressourcen wie Wasserkraft, Wind- und Solarenergie wird die globale Energiewende nicht gelingen und der Klimawandel nicht aufzuhalten sein. Angesichts der fortschreitenden Überalterung der Bevölkerung in vielen westlichen Ländern, aber auch in Japan und China, rückt insbesondere die junge und schnell wachsende Bevölkerung Afrikas in den Fokus der Betrachtung. Deren bislang kaum ausgeschöpftes innovatives und unternehmerisches Potenzial, aber auch deren Bedeutung als Konsumenten, erscheinen in weltwirtschaftlicher Sicht als Ressource, deren Wert den Wert der natürlichen Ressourcen Afrikas wie Bodenschätze und Rohstoffe langfristig noch übersteigen dürfte.
Dennoch tut sich die deutsche Wirtschaft schwer mit Afrika. Deutsche Unternehmen sind in Afrika bislang wenig vertreten, ihr Investitionsvolumen liegt deutlich hinter Ländern wie China, Frankreich, Großbritannien oder den USA zurück. Nur rund ein Prozent aller deutschen Auslandsinvestitionen flossen 2018 nach Afrika. Das hat Gründe.
Nach wie vor gibt es große Innovations- und Investitionshemmnisse, die die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas bremsen, insbesondere Korruption, eine unzureichende und überlastete Infrastruktur, eine katastrophal hohe Jugendarbeitslosigkeit, Fachkräftemangel, eingeschränkte Möglichkeiten der Finanzierung und Devisenverfügbarkeit.
Die digitale Transformation dürfte das ändern. Die digitale Vernetzung mit den weltweiten Zentren ökonomischer Aktivität befördert Gründergeist und Zusammenarbeit, ebenso erleichtert sie den Wissens- und Technologietransfer aus dem Ausland. Der Fachkräftemangel kann durch E-Learning-Angebote reduziert, Finanzierungsengpässe bei lokalen Kunden durch FinTechs verringert und Transport- und Logistikprobleme durch den Einsatz von Drohnen oder durch Blockchain-Technologien zur Transportnachverfolgung vermindert werden.
Außerdem bietet die digitale Transformation neue Geschäftschancen auf dem afrikanischen Kontinent. Start-ups können wichtige Partner für deutsche Unternehmen sein, z. B. wurde die App für das Mobilitätskonzept von VW in Ruanda von einem lokalen Start-up entwickelt. Die Speerspitze der digitalen Transformation bilden dabei die in vielen afrikanischen Ländern entstehenden Technologie-Hubs wie beispielsweise das Otigba Computer Valley in Lagos, Nigeria. Rund 3.000 kleinere und mittlere Unternehmen der Digitalbranche haben sich dort angesiedelt und machen das Otigba Valley zu einem attraktiven Anker für das Afrikageschäft westlicher Technologieunternehmen.
Neben ungünstigen Rahmenbedingungen in vielen afrikanischen Ländern behindern aber auch hausgemachte Probleme und schlechtes Management ein stärkeres Afrikaengagement deutscher Unternehmen. In vielen Unternehmen existieren Informationsdefizite und damit Unsicherheiten in Bezug auf die afrikanischen Märkte, durch die Investitionsentscheidungen beeinträchtigt werden. Oft fallen in der Bewertung die afrikanischen Märkte aufgrund der (noch) geringeren Größe sowie der schwierigen Rahmenbedingungen hinter Länder aus anderen Weltregionen zurück.
Hier fehlt es häufig an einer strategischen Sichtweise, denn afrikanische Märkte haben grundsätzlich eines gemeinsam: Sie sind in der Regel klein, aber schnell wachsend, sodass in vielen Ländern und Sektoren eine Verdopplung innerhalb weniger Jahre möglich ist. Beispielhaft lässt sich dies an Äthiopien zeigen, wo sich die Wirtschaftskraft zwischen 2013 und 2020 bei einer durchschnittlichen realen BIP-Wachstumsrate von 8,7 Prozent in nur sieben Jahren verdoppelt hat.
Überdies kann das Argument der „kleinen Märkte“ in einigen Branchen durch eine globale Sichtweise relativiert werden. Produkte, die auf den afrikanischen Markt angepasst sind, haben oft auch auf Märkten in wirtschaftlich ähnlichen Regionen, wie den Emerging Markets in Südamerika und Südasien, gute Erfolgsaussichten. Aus Unternehmersicht lassen sich also Kosten reduzieren, wenn Entwicklung und Kalkulation gleich auf die in verschiedenen Weltregionen gelegenen, sich aber ähnlich dynamisch entwickelnden Märkte ausgelegt ist.
Langfristig versprechen die kleinen und schnell wachsenden Märkte in Afrika also durchaus hohe Renditen – ihre Erschließung benötigt allerdings erstmal Zeit. Der Fokus insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen auf kurzfristigen Umsatz und Gewinn verhindert dann ein afrikanisches Investment. Deutsche Unternehmen brauchen daher dringend eine Neubewertung und Neuausrichtung der Internationalisierungsstrategie und der langfristigen strategischen Investitionsplanung mit Blick auf Afrika.
Der Politik kommt die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen für nachhaltige Privatinvestitionen in Afrika zu verbessern. Angesichts der sich rasch verändernden Weltlage (Ukraine-Krieg, zunehmende Abschottung Chinas) braucht Deutschland dringender denn je neue Partner, und eine engere Partnerschaft mit Afrika bietet die Chance, geostrategische Abhängigkeiten zu reduzieren, Wertschöpfungsketten zu diversifizieren und die Energiewende erfolgreich zu bestreiten. Auf Bundesebene vorhandene Instrumente der Außenwirtschaftsförderung und der Entwicklungszusammenarbeit sollten verstärkt und besser an den afrikanischen Kontext angepasst werden, und die in Deutschland bisher nur rudimentär vorhandene wirtschaftswissenschaftliche Forschung zum Thema Afrika sollte intensiviert werden.
Von zentraler Bedeutung ist die Global-Gateway-Initiative der EU, um als Gegengewicht zur chinesischen Neuen Seidenstraße Infrastrukturinvestitionen zu fördern. Die Global-Gateway-Initiative sollte einen starken Afrika-Fokus bekommen und vornehmlich Infrastruktur-, Energie- und Bildungsprojekte fördern. Dies dient nicht nur der Eindämmung des chinesischen Hegemonialstrebens, sondern schafft vor allem bessere Voraussetzungen für das dringend benötigte, stärkere privatwirtschaftliche Engagement deutscher und europäischer Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent.
Prof. Dr. Dirk Dohse leitet das Forschungszentrum „Innovation und Internationaler Wettbewerb“ am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Der Beitrag ist aus dem vom BMWK und BMF geförderten Projekt „Wirtschaftswissenschaftlicher Cluster Afrikaforschung“ entstanden.
(Dieser Artikel erschien am 19. September 2022 unter dem Titel „Mehr Engagement für Afrika“ in leicht geänderter Fassung als Gastkommentar im Handelsblatt.)
Coverfoto: © Confidence - stock.abobe.com
In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Kiel Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft wider.