Wirtschaftspolitischer Beitrag

Kaufprämie für E-Autos – falsches Mittel zum falschen Zweck

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Autor

  • Gernot Klepper
Erscheinungsdatum

Die Bundesregierung will unbedingt ihr Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 erreichen. Es macht den Eindruck, sprichwörtlich um jeden Preis. Schon b

Vor gut einem halben Jahr wurden nochmal drei Milliarden Euro zusätzliche Subventionen bewilligt. Nun soll es also eine Kaufprämie von bis zu 4.000 Euro geben. Alles im Sinne des Klimaschutzes natürlich. Von den insgesamt über 44 Millionen zugelassenen PKW in Deutschland sind aber gerade einmal rund 30.000 Elektrofahrzeuge. Bevor nun neue Anreize gesetzt werden, sollten daher zunächst die Ursachen für die geringe Kauflust ergründet werden. Und vor allem gilt es, den vermeintlichen Klimavorteil kritisch zu überprüfen.

Die neuen Gelder sollen hauptsächlich gewerbliche Kunden überzeugen, ihre Flotten auf E-Fahrzeuge umzustellen. Bisher kaufen vor allem Privatleute und kleine gewerbliche Kunden mit wenigen Fahrzeugen auf dem Land E-Autos. Warum das nicht in der Stadt stattfindet, hat wahrscheinlich gute Gründe: In der Stadt sind die öffentlichen Verkehrsmittel häufig das günstigere und bequemere Mittel der Mobilität als das Auto. Das E-Auto hat nur in Norwegen funktioniert, wo neben finanziellen Anreizen zahlreiche Privilegien das Fahren attraktiv gemacht haben, etwa kostenloses Parken oder die Erlaubnis zur Benutzung der Busspuren. Attraktiv scheint das E-Auto also nur auf dem Land für kurze Strecken zu sein. Das bleibt aber ein Nischenmarkt.

Die EU-Kommission hat schon Vorgaben für die Reduzierung des Flottenverbrauchs der Automobilhersteller ausgegeben, um die Emissionen von Treibhausgasen zu drücken. Der Flottenverbrauch bezeichnet den  durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller von einem Hersteller produzierten PKW. Wenn jetzt die Absatzquote der Elektrofahrzeuge durch Subventionen künstlich hochgeschraubt wird, dann können Fahrzeughersteller unvermindert Autos mit hohem Verbrauch verkaufen, mit denen mehr Geld zu verdienen ist, und trotzdem die Vorgaben der EU einhalten. Was ist für den Klimaschutz gewonnen? So gut wie nichts! Der Ökonom spricht auch vom „Reboundeffekt“.

Um zu klären, wieviel Klimaschutz überhaupt mit der E-Mobilität erreicht werden kann, müssen die Fahrzeuge mit anderen Optionen wie sparsameren konventionellen Fahrzeugen oder dem Einsatz von Biokraftstoffen verglichen werden. Ein E-Auto ist nur eine klimafreundliche Alternative, wenn der Besitzer sein Auto auch mit Ökostrom betankt. Denn mit dem derzeitigen Strommix in Deutschland liegen die Treibhausgasemissionen für ein E-Auto aufgrund des nach wie vor hohen Braunkohleanteils in einem ähnlichen Bereich wie die der neuesten sparsamen Dieselmodelle. Der CO2-Ausstoß beträgt in beiden Fällen ungefähr  100 Gramm pro Kilometer. Es ist also nicht viel gewonnen. Beim EU-Flottenverbrauch wird der CO2-Ausstoß von E-Autos übrigens fälschlicherweise pauschal mit Null angenommen. E-Mobilität scheint also ein wunderbarer Weg, die EU-Vorgaben zumindest auf dem Papier zu erfüllen.

Wer mit Verbrennungsmotor und Biokraftstoffen unterwegs ist, kommt auf nur 25 bis 80 Gramm CO2 pro Kilometer, abhängig vom eingesetzten Rohstoff. Selbst wenn der deutsche Strommix auf 50 Prozent erneuerbare Energien anstiege, könnte der Elektroantrieb in Sachen Klimaschutz gerade einmal mit den Biokraftstoffen gleichziehen. Dass Biokraftstoffe in der Erzeugung klimaschädlich sind und aufgrund ihres Flächenbedarfs negative Auswirkungen auf Preise und Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln haben, ist inzwischen nicht mehr haltbar. Die Zertifizierung unterliegt mittlerweile sehr strengen Nachhaltigkeitskriterien, welche die komplette Wertschöpfungskette von der landwirtschaftlichen Produktion der Rohstoffe bis zum Endprodukt erfassen. Treiber hinter der Ausweitung von landwirtschaftlichen Anbauflächen sind nicht Biokraftstoffe, sondern die steigende Fleischproduktion und der damit verbundene immer höhere Bedarf an Futtermitteln – etwa Soja. Die Bohnenpflanze wird weltweit auf 110 Mio. Hektar angebaut. Für den weltweit aus Sojaöl hergestellten Biodiesel, etwa 10–15 Prozent, würden aber 5 bis 6 Mio. Hektar ausreichen.

Sollten also die Käufer von E-Autos – häufig Wohlhabendere, die sich einen Zweit- oder Drittwagen leisten – mit Steuergeldern unterstützt werden? Wohl kaum. Sinnvoller wäre es, Rahmenbedingungen zu fördern, unter denen E-Autos sich künftig zu wettbewerbsfähigen Alternativen zum fossil angetriebenen Auto entwickeln können. Dazu gehört die Weiterentwicklung der Stromnetze zu intelligenten Netzen, die Unterstützung von Forschung und Entwicklung für die Verbesserung der Batterien und nicht zuletzt die Integration des Transportsektors in ein klimapolitisches System, in dem nicht ein Fahrzeugtyp gefördert wird, sondern in dem alle Optionen für emissionsarme Mobilität in einem fairen Wettbewerb stehen. Wenn das nicht umsetzbar ist, sollte die europäische Regulierung des Flottenverbrauchs verschärft werden, damit die Automobilhersteller von sich aus mehr Elektrofahrzeuge verkaufen wollen. Diese Fahrzeuge können sie über die Preisegestaltung der fossil angetriebenen Autos finanzieren. Dazu bedarf es keiner Kaufprämie aus Steuergeldern.

(Geringfügig geänderte Fassung eines Gastbeitrages, der am 09.03.2016 auf ZEIT ONLINE erschien.)