Wirtschaftspolitischer Beitrag

Die wirtschaftlichen Folgen von Populismus

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Autoren

  • Manuel Funke
  • Christoph Trebesch
  • Moritz Schularick
Erscheinungsdatum

Die ökonomischen Kosten des Populismus sind wenig erforscht. Macht es für ein Land einen Unterschied, ob ein Populist an der Macht ist? Wie entwickelt sich die Wirtschaft, wenn Populisten an die Macht kommen? Erste Antworten finden sich in einer umfangreichen neuen Forschungsarbeit, die wir kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift American Economic Review veröffentlicht haben.

Silvio Berlusconi in Italien, Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei, Hugo Chávez und Nicolás Maduro in Venezuela, Donald Trump in den USA, Jair Bolsonaro in Brasilien, oder Javier Milei in Argentinien: die Liste der Länder, in denen sogenannte „Populisten“ in den letzten zwei Jahrzehnten an die Macht kamen, ist lang. Populisten sind oft schillernde, unterhaltsame, manchmal geradezu grotesk wirkende Persönlichkeiten, die ein breites politisches Spektrum abdecken -- von ganz links bis ganz rechts. Sie alle prägen ihr Land auf Jahre oder gar Jahrzehnte und sie alle verkaufen sich als Außenseiter und Kämpfer für die breite Masse, für „das echte Volk“. Doch was genau sind Populisten und wie lässt sich das Phänomen ökonomisch einordnen? Welche Wirtschaftspolitik betreiben Populisten und mit welchen Folgen?

Populisten fördern die Spaltung

Populismus ist ein Begriff, der gerne auf alles Mögliche angewendet wird. In den letzten 20 Jahren hat sich in der Forschung jedoch eine klare sozialwissenschaftliche Definition durchgesetzt, die auf den niederländischen Forscher Cas Mudde zurückgeht. Nach dieser Definition ist Populismus im Wesentlichen eine politische Strategie, die die Bevölkerung künstlich in zwei Gruppen spaltet -- das „Volk“ und die „Elite“ (oder das „Establishment“). Populisten stellen die Spaltung zwischen dem „wahren Volk“ („wir“) und den „korrupten Eliten“ („die da oben“) ins Zentrum ihrer politischen Strategie.

Linkspopulisten polarisieren häufig gegen die Wirtschafts- und Finanzeliten. Rechtspopulisten hingegen betonen ethnische und kulturelle Spaltungen und werfen „den Eliten“ vor mit Minderheiten unter einer Decke zu stecken und deren Interessen über die Interessen des „wahren Volkes“ zu stellen.  Beide Spielarten des Populismus schüren den Konflikt und beanspruchen für sich, die einzigen legitimen Vertreter des Volkes zu sein, im Gegensatz zu allen anderen Parteien, die nur die Eliten vertreten.

Populisten leben von der Polarisierung und Spaltung. Sie setzen alles daran, auch an der Macht weiter zu polarisieren und zu spalten -- ein Teufelskreis, von dem vor allem die Populisten selbst profitieren. Die Strategien der Populisten sind vor allem dann erfolgreich sind, wenn das Poltern gegen „die da oben“ auf fruchtbaren Boden fällt, etwa in Finanzkrisen, nach politischen Skandalen oder in Situationen, in denen die traditionellen Parteien überfordert scheinen, wie in der Flüchtlingskrise 2015 oder auch in der aktuellen Krise.

Die wirtschaftlichen Folgen von Populismus

Die ökonomischen Kosten des Populismus sind wenig erforscht. Macht es für ein Land einen Unterschied, ob ein Populist an der Macht ist? Wie entwickelt sich die Wirtschaft, wenn Populisten an die Macht kommen? Erste Antworten finden sich in einer umfangreichen neuen Forschungsarbeit, die wir kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift American Economic Review veröffentlicht haben.

Es ist nicht schwer, Beispiele für den großen wirtschaftlichen Schaden zu finden, den Populisten anrichten können. Der Brexit, für den Boris Johnson wie kein anderer verantwortlich war, endete in einem ökonomischen Desaster. „Global Britain" hinkt seitdem dem Rest der Welt hinterher. Die Abkopplung vom europäischen Binnenmarkt hat zu einem deutlichen Rückgang von Handel, Investitionen und Konsum geführt. Das Wirtschaftswachstum ist eingebrochen und das Land hat an internationalem Einfluss verloren. Umfragen zeigen, dass inzwischen mehr als 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den Brexit für einen Fehler halten.

Ähnliche schlechte Noten verdient die Wirtschaftspolitik von Silvio Berlusconi in Italien. Seit Berlusconi zum ersten Mal in den späten 1990er Jahren an die Macht kam, stagniert die Wirtschaft, das Bildungssystem bleibt in der Krise, und die klügsten Köpfe sind in großer Zahl ausgewandert. Die italienische Politik hat sich von Berlusconi nicht wieder erholt. Auf den Populisten Berlusconi folgten weitere Populisten, die seine Strategien kopierten – vom Komiker Beppe Grillo über Matteo Salvini bis hin zu Georgia Meloni.

Andere, drastischere Beispiele finden sich in Südamerika. Der Populist Hugo Chávez und sein Nachfolger, der ehemalige Busfahrer Nicolás Maduro, haben das reiche Venezuela innerhalb von 20 Jahren in ein Armenhaus verwandelt. Protektionismus, Vetternwirtschaft und Verstaatlichungen führten zu einer anhaltenden Wirtschaftskrise mit Hungersnöten, Massenemigration und medizinischem Notstand. Auch die Kirchners in Argentinien führten ihr Land in die Krise. Nach einigen Jahren exportgetriebenen Wachstums folgten galoppierende Inflation und ein weiterer Staatsbankrott.  

Das Zeitalter des Populismus

Diese Beispiele veranschaulichen die ökonomische Gefahr, die von Populisten ausgeht, aber lassen Sie sich verallgemeinern? Um die Auswirkungen von Populismus auf die Wirtschaft zu untersuchen, braucht man systematisch erhobene Daten für „Populisten an der Macht“. In unserer neuen Studie haben wir die dafür notwendigen Daten zusammengetragen. Sie decken 120 Jahre (1900-2020) und 60 Länder ab. Für alle Länder klassifizieren wir jede/n Regierungschef/in als „populistisch“ oder „nicht-populistisch“ und vergleichen dann das Wirtschaftswachstum unter populistischen Regierungen mit nicht-populistischen Regierungen.

Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass Populisten nicht zufällig an die Macht kommen, sondern besonders dann, wenn Länder bereits in der Krise sind. Wir benutzen ein neues Verfahren, das rein datengestützt eine geeignete Vergleichsgruppe von Ländern konstruiert, um den Effekt populistischer Politik auf das Wirtschaftswachstum zu messen.

Dies systematische Erfassung von Populisten liefert drei zentrale Ergebnisse. Erstens: Wir leben in einem Zeitalter des Populismus. Nie zuvor waren in so vielen Ländern Populisten an der Macht. Das Jahr 2018 markierte den bisherigen Rekord, mit 16 von 60 untersuchten Ländern, die populistisch regiert wurden, u.a. in Brasilien, Bulgarien, Griechenland, Mexiko, Polen, Philippen, der Slowakei, Ungarn, und den USA. Das entspricht mehr als jedem vierten der untersuchten Länder, wie Abbildung 1 zeigt. Gemessen an der Wirtschaftsleistung, machen diese Länder sogar mehr als 30% des globalen BIP aus.

Auffällig ist ebenso, dass Populismus ein serielles Phänomen ist. Länder, die bereits einmal populistisch regiert wurden, haben eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass nochmals ein Populist an die Macht kommt. Dem ersten Populisten folgen also oftmals weitere. So wurde Argentinien fast 40% der Zeit seit Unabhängigkeit populistisch regiert, Italien 29% der Zeit und die Slowakei sogar fast 60% der Jahre (seit Unabhängigkeit 1993).

Abbildung 1: Populismus an der Macht - Anteil der untersuchten Länder

Zweitens sind Populisten politische Überlebenskünstler. Anders als oft angenommen wird, verschwinden sie selten schnell wieder von alleine. Stattdessen tun sie oft alles, um die Chancen auf Machterhalt und Wiederwahl zu erhöhen, sei es durch ihre Kern-Strategie von Polarisierung und Hetze, oder durch neue Wahlgesetze, eine Übernahme der Medien, und die Einschüchterung von Justiz und Opposition. Überdurchschnittlich oft gelingt es ihnen auch politisch zu überleben.

Populisten sind im Schnitt 6 Jahre an der Macht, gegenüber nur 3 Jahren bei nicht-populistischen Regierungschefs. Sie werden auch viel häufiger wiedergewählt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 36% gegenüber nur 16% bei nicht-populistischen Präsidenten oder Premierministern. Die Idee einer Entzauberung an der Macht lässt sich in den Daten klar wiederlegen. Eher schon lässt sich ein Festbeißen an der Macht beobachten.

Nehmen wir erneut das Beispiel Berlusconi. Er ist ein oft als „Clown“ bezeichnete Politiker, aber er ist in Sachen Machterhalt der mit Abstand erfolgreichste italienische Regierungschef der Nachkriegszeit. In Ungarn, Polen und der Türkei haben Populisten die Politik der letzten 15 Jahre dominiert. In der Slowakei ist es Robert Fico kürzlich erneut gelungen die Regierung zu stellen, und auch der lange nicht ernst genommenen Donald Trump kann sich gute Chancen ausrechnen erneut Präsident zu werden.

Die ökonomische Dimension

Drittens, richten Populisten an der Macht erheblichen wirtschaftlichen Schaden an. Schon wenige Jahre nachdem sie in die Regierung eingetreten sind, sind die negative Folgen messbar. Nach 15 Jahren liegt das reale Bruttoinlandsprodukt eines Landes sogar ganze 10 Prozent niedriger. Diese starken Auswirkungen sind ähnlich, ob nun Rechts- oder Linkspopulisten an der Macht sind.

Abbildung 2: 10% BIP Rückgang durch populistischen Regierungen
Abweichung des BIP pro Kopf gegenüber vergleichbaren Staaten ohne populistische Regierung

Ein besseres Leben für „das Volk“ lässt sich wirtschaftlich unter Populisten somit eindeutig nicht feststellen. Ihr zentrales Versprechen wird nicht eingelöst. Im Gegenteil, die Daten zeigen, dass nicht nur Wachstum und Konsum sinken, sondern auch, dass die Ungleichheit eher ansteigt. Besonders bei rechtspopulistischen Regierungen geht die Schere zwischen Arm und Reich auseinander, da untere und mittlere Einkommensschichten besonders stark verlieren.

Welche Gründe gibt es für den beobachteten BIP-Rückgang? Unsere Ergebnisse deuten vor allem auf zwei Wirkungskanäle hin. Zum einen ist es ein zunehmender Protektionismus. Populisten haben meist nationalistische Rhetorik und sie erfüllen ihre Wahlversprechen dahingehend auch. Einmal an der Macht beobachten wir signifikant höhere Zölle bzw. eine wirtschaftliche Abschottung. Es kommt zu weniger Freihandelsabkommen und die Barrieren für Investitionen aus dem Ausland steigen. Gerade für eine Volkswirtschaft wie Deutschland, die eng in die Weltwirtschaft eingebunden ist, wäre eine populistisch-protektionistische Wirtschaftspolitik verheerend.

Der zweite Grund ist die Erosion von Demokratie, Medien und Justiz. Viele Populisten schwächen demokratische Institutionen und erfüllen auch damit ihr Wahrversprechen. Der Wille des „echten Volkes“ wird als wichtiger beurteilt als Minderheitenrechte oder althergebrachte Normen und Regeln. Es ist daher wenig überraschend, dass Standard-Indikatoren für Justiz-, Wahl- und Medienfreiheit signifikant abfallen nachdem Populisten an die Macht kommen. Das wiederum ist schlecht für Wachstum und Wohlstand, wie zahlreiche Studien belegen. Regierende werden weniger kontrolliert, es kommt verstärkt zu Vetternwirtschaft und Korruption.

Die Geschichte zeigt: die wirtschaftlichen Kosten von Populismus sind hoch. Populisten versprechen einfache Lösungen und materielle Vorteile für „das echte Volk“. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Wird ein Land erst einmal populistisch regiert, folgt meist mehr Polarisierung und soziale Spaltung. Die Ungleichheit steigt, das Wachstum fällt. Populismus ist nicht nur schlecht für die politische Kultur eines Landes, sondern auch für den Geldbeutel der Bürger.

Der Text erschien am 25. März 2024 in der FAZ als Gastkommentar in der Rubrik „Der Volkswirt“


Coverfoto: © Flickr | Metropolico.org

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