Wirtschaftspolitischer Beitrag

Die Yuanisierung der russischen Wirtschaft birgt Kosten für China

Autor

  • Rolf J. Langhammer
Erscheinungsdatum

Die Ausweitung des Handels zwischen Russland und China vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts bringt auch einen stärkeren Einsatz der chinesischen Währung für Zahlungen zwischen den beiden Ländern mit sich.

Experte IfW Kiel

Die westlichen Sanktionen haben China zum wichtigsten Handelspartner Russlands aufsteigen lassen. Mit der Funktion als Tankstelle Chinas geht die „Yuanisierung“ des russischen Kapital- und Zahlungsverkehrs einher. Dollar-Rubel-Transaktionen werden durch Yuan-Rubel-Transaktionen ersetzt. Russen können über das chinesische Zahlungssystem Kreditkartenrechnungen begleichen. Russische Energieunternehmen legen Anleihen in Yuan auf, und russische Banken halten zunehmend Forderungen in der chinesischen Währung. Auch im Bereich der digitalen Währungen (digitaler Yuan und digitaler Rubel) intensivieren sich die bilateralen Beziehungen zwischen Russland und China. Diese sind allerdings auf globaler Ebene noch weit davon entfernt, die Dominanz des amerikanischen Dollars und des Euros durch den Aufstieg des Yuan zu einer internationalen Währung auf Augenhöhe mit den beiden führenden Währungen zu gefährden. Im vierten Quartal 2022 notierten 58 Prozent der globalen zugewiesenen Reserven in Dollar, 20 Prozent in Euro und weniger als 3 Prozent in Yuan.

Die chinesische Regierung möchte ein multipolares Währungs- und Zahlungssystem und forciert daher die internationale Verwendung des Yuan als Fakturierungs-, Transaktions- und Reservewährung. Mit der Erhöhung des Anteils des Yuan am Währungskorb der Sonderziehungsrechte (SZR) um 1,36 Prozentpunkte auf 12,28 Prozent im August 2022 (damit nun drittwichtigste Währung hinter Dollar und Euro im SZR-Korb) ist sie diesem Ziel – allerdings nur in einem kleinen politikbestimmten Segment des globalen Währungssystems – ein Stück nähergekommen.

Die Yuanisierung der russischen Wirtschaft kann aber dieses Ziel gefährden, zumindest teurer für China machen. China könnte zwar seine Währungspolitik analog zur alten amerikanischen Praxis „Unsere Währung, euer Problem“ ohne Rücksicht auf die Wünsche Russlands gestalten, weil die Stabilität der chinesischen Währung im westlichen Währungssystem immer noch Priorität vor der Rücksichtnahme auf die Interessen des politischen Verbündeten hätte. Wenn aber als Folge der vermehrten Nutzung des Yuans in Russland immer mehr Yuan auf den Markt kämen, müsste China auch, um die Kontrolle über den Wechselkurs zu den westlichen Währungen auf den Offshore-Bankenplätzen nicht zu verlieren – vor allem zum Dollar – mehr Dollars als Reserve vorhalten. Dies aber würde mit dem chinesischen Ziel kollidieren, selbst zu de-dollarisieren, sich von der amerikanischen Geldpolitik zu lösen, die Exportorientierung zugunsten einer Binnenorientierung aufzugeben, den Leistungsbilanzüberschuss gegenüber dem Westen zu verringern und das reale Einkommensniveau in China breit gestreut steigen zu lassen. Lohnzuwächse über den Anstieg der Güterpreise hinaus sind gleichbedeutend mit der kontrollierten realen Aufwertung des Yuan und einer Abnahme der Devisenreserven.

In der letzten Dekade war diese Abnahme im Trend, von einem hohen Niveau aus, zu beobachten. Dieser Trend könnte gebrochen werden, wenn Russland und vielleicht auch autokratisch regierte Mitläufer Russlands den Dollar in hohem Tempo durch den Yuan ersetzen würden. Das stünde nicht im Einklang mit der chinesischen Politik der kontrollierten De-Dollarisierung, es sei denn, China würde bereit sein, keine zusätzlichen Dollars zu halten und damit den Wechselkurs zum Dollar auf den Offshore-Bankenplätzen fallen zu lassen. Dies wäre ein hoher Preis für das grüne Licht an Russland, den Dollar und andere westliche Währungen durch den Yuan zu ersetzen. Denn dann könnte ein Fallen des Wechselkurses zum Dollar ähnlich wie im August 2015 Währungsunruhen auslösen, Kapitalabflüsse aus China generieren, denen die Regierung durch noch striktere Kapitalverkehrskontrollen begegnen würde. Noch höhere Kosten könnten für China erwachsen, wenn der Bündnispartner Russland geld- und währungspolitische Wünsche an China stellen würde, um den Rubelkurs zu den westlichen Währungen im Falle einer Abwertung des Yuan zum Dollar zu stabilisieren und um die Kosten der Bedienung chinesischer Kredite zu strecken. Hier könnte Russland China in das bekannte Währungs-„mismatch“-Problem hineinziehen: Russland würde in die heimische Rüstungsindustrie investieren und dies mit Hilfe chinesischer Kredite, die in Yuan zu bedienen wären und bei einer Abwertung des Rubel zum Yuan teurer bedient werden müssten.

Ob China bereit ist, der Bündnistreue zuliebe Kredite abzuschreiben und damit Russlands wachsende Budgetprobleme zu mindern oder ob China Russland und seine Bindung an den Yuan als finanzielle Fußfessel beim Aufstieg in die erste Liga der internationalen Währungen sieht und nach dem Motto „Unsere Währung, Russlands Problem“ verfährt, wird für die Zukunft der internationalen Finanzbeziehungen wichtig werden.

Dieser Text ist in überarbeiteter Fassung erstmals am 19. Mai 2023 in der WirtschaftsWoche erschienen.


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