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Norwegen - das künftige europäische Zentrum für CO2-Speicherung?
Es ist eine unbequeme Wahrheit, der sich die Politik, aber auch viele Klimaaktivisten ungerne stellen: Ohne negative Emissionen wird das 1,5°C-Ziel nicht zu erreichen sein. Die Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) ist dabei eine unverzichtbare Technologie. In Deutschland ist eine unterirdische Speicherung allerdings verboten, nicht zuletzt auf Druck der Öffentlichkeit, die CCS skeptisch gegenübersteht. In Norwegen ist man schon deutlich weiter: Die technischen Möglichkeiten sind als Teil der Klimalösung akzeptiert, und die Politik liebäugelt mit neuen Geschäftsmodellen. So weit mag die Bevölkerung allerdings nicht gehen, wie unsere empirische Studie zeigt: Zur CO2-Deponie Europas soll Norwegen auch nicht werden.
Auf dem Weg zur CO2-Neutralität und damit zum 1,5°C-Ziel ist CCS, also die Abscheidung und Speicherung von CO2, eine unverzichtbare Technologie (IPCC, 2018). Sie könnte besonders dabei helfen, den CO2-Ausstoß von Zementwerken, in der chemischen Industrie oder von Müllverbrennungsanlagen zu vermeiden, indem das freiwerdende CO2 abgefangen und unterirdisch zum Beispiel in leeren Öl- oder Gasfeldern gespeichert wird.
Zu viele assoziieren damit die Endlagerung von Atommüll.
Zudem könnte sie eingesetzt werden, um aus der Atmosphäre bereits ausgestoßenes CO2 zu filtern und langfristig unschädlich zu machen. Rechtlich ist die unterirdische CO2-Speicherung in Bundesländern wie Schleswig-Holstein, die über geologisch geeignete Bedingungen verfügen, aber weitgehend verboten. Dies wurde vor allem auf öffentlichen Druck hin durchgesetzt. Zu viele assoziieren damit die Endlagerung von Atommüll. Dabei ist ein zentraler Unterschied, dass eine Leckage eines geologischen CO2-Speichers vor allem dem Klima schaden würde, die Auswirkungen auf die unmittelbare Umwelt aber überschaubar wären.
Norwegen hat hohe Kapazitäten, um CO2 auch aus dem Ausland zu speichern
Dementsprechend gibt es zurzeit keine Pläne, CO2 auf deutschem Gebiet zu speichern, egal ob unter dem Meeresboden oder unter dem Festland. Trotzdem möchte auch Deutschland in Zukunft die Technologie nutzen und zumindest CO2 im Inland abscheiden. Gespeichert werden soll es, laut Industriestrategie 2030 des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI, 2019), dann unter der Nordsee vor Norwegen oder Schottland. Ab 2025 ist zum Beispiel in Norwegen im Rahmen des Pilotprojekts Northern Lights vorgesehen, mit einer jährlichen Speicherung von 1,5 MtCO2 zu starten. Das Speicherpotenzial ist mit 56.000 MtCO2 um ein Vielfaches größer. Weil es sich nicht lohnt, die Infrastruktur nur für das eigene Land aufzubauen, ist vorgesehen, auch CO2 aus Deutschland und Schweden zu importieren. Mittelfristig soll eine Transport- und Speicherinfrastruktur zwischen den Nordsee-Anrainerstaaten aufgebaut werden (Northern Lights PCI, 2020).
Ein Vorteil für Deutschland wäre, dass zunächst nichts an der rechtlichen Situation der in der Öffentlichkeit unbeliebten CO2-Speicherung geändert werden müsste. In einer Umfrage des IfW Kiel zusammen mit norwegischen Projektpartnern am Norwegian Research Center (NORCE) veränderte die Speicherung von in Deutschland abgeschiedenem CO2 im Ausland die Wahrnehmung der Technologie in der Bevölkerung aber nicht. Etwa die Hälfte der Befragten in Deutschland bewertete ein vorgestelltes CCS-Projekt positiv, und dabei machte es keinen Unterschied, ob die Speicherung in Deutschland, Norwegen oder einem anderen europäischen Land stattfinden sollte (siehe Tabelle). In dem vom Norwegischen Forschungsrat finanzierten Projekt, PerCCSeptions, wurden 2.500 deutsche und 2.665 norwegische Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach ihrer Einschätzung jeweils einer CO2-Import-Export-Dyade befragt. Die Befragung fand Ende 2019 statt und die Teilnehmenden sind repräsentativ für die Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren, die Zugang zum Internet hat.
Positive Grundeinstellung zu CCS in Norwegen, aber kein Interesse, die „CO2-Deponie Europas“ zu werden
Die norwegischen Befragten bewerteten das vorgestellte CCS-Projekt im Durchschnitt sehr viel positiver. Trotz der generellen Offenheit gegenüber CCS reagierten Befragte dort aber sehr kritisch, wenn es darum ging, CO2 aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern zu importieren, um es unter der heimischen Nordsee zu speichern. So ganz scheint es den Norwegern nicht zu passen, den „Müll“ der anderen zu importieren, wohingegen 81 Prozent die Speicherung von heimischem CO2 in Norwegen unterstützen. Die grundsätzlich unterschiedliche Wahrnehmung von CCS in Deutschland und Norwegen lässt sich gut erklären. In Deutschland haben nur wenige überhaupt schon einmal davon gehört, Politikerinnen und Politiker sprechen kaum darüber. Ganz anders in Norwegen: Dort wissen die meisten was CCS ist, und durch die starke Rolle der Öl- und Gasindustrie im Land hoffen die Regierung und die Bevölkerung auf CCS als Chance, die inzwischen leeren Öl- und Gasfelder in Zukunft als CO2-Speicher zu nutzen und einen neuen Industriezweig aufzubauen.
Auf dem Weg zur Win-win-Situation: CCS-Imagekampagne in beiden Ländern
Politische Überzeugungsarbeit ist also noch in beiden Ländern zu leisten. In Deutschland wäre es wichtig, überhaupt erst einmal öffentlich über CCS zu sprechen und klarzustellen, dass es nicht um den Erhalt von Kohlekraft werken geht, sondern darum, auch weiterhin Zement herstellen oder Müllverbrennungsanlagen betreiben zu können. Denn das sind die Emissionen, die auch durch technische Innovation nicht vollständig auf null gesenkt werden können. Man könnte das CO2 aber abfangen, bevor es in der Atmosphäre Schaden anrichtet. Erste Studien zeigen, dass die Akzeptanz steigt, wenn klar wird, dass es um schwer bis gar nicht einzusparende Prozessemissionen geht und nicht um den Erhalt von Kohlekraftwerken (Dütschke et al., 2016). In Norwegen sollte kommuniziert werden, dass sich die zu einem guten Teil staatlichen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen vor allem dann lohnen, wenn auch CO2 aus anderen Ländern importiert wird.
Literatur:
BMWI – Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2019). Industriestrategie 2030: Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik Berlin.
Dütschke, E., et al. (2016). Differences in the Public Perception of CCS in Germany Depending on CO2 Source, Transport Option and Storage Location. International Journal of Greenhouse Gas Control 53: 149–159.
IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change (2018). Summary for Policymakers. In: Global Warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the Impacts of Global Warming of 1.5°C Above Pre-Industrial Levels and Related Global Greenhouse Gas Emission Pathways, in the Context of Strengthening the Global Response to the Threat of Climate Change, Sustainable Development, and Efforts to Eradicate Poverty. V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H.-O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P.R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J.B.R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M.I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, and T. Waterfi eld (eds.). In Press.
Merk, C., et al. (2022). Don‘t Send Us Your Waste Gases: Public Attitudes Toward International Carbon Dioxide Transportation and Storage in Europe. Energy Research & Social Science 87: Article 102450.
Northern Lights PCI (2020). CCS and the EU COVID-19 Recovery Plan. The Positive Economic Impact of a European CCS Ecosystem. Retrieved from northernlightsccs.com