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Deutschland bleibt für chinesische Investoren attraktiv - Corona wird den Trend nicht stoppen

Deutschland ist eines der wichtigsten Zielländer für chinesische Investoren und liegt, gemessen am chinesischen Investitionsstock im Ausland, insgesamt auf Platz zehn. Sehr große Summen flossen in den letzten Jahren vor allem in die Transportbranche und den Technologiesektor. Es zeigt sich, dass deutsche Firmen für den Zugang chinesischer Investoren zu Schlüsseltechnologien strategisch nach wie vor bedeutend sind. Die Covid-19-Pandemie hatte insgesamt wenig und vor allem nur kurzzeitig negative Auswirkungen auf die Attraktivität Deutschlands für chinesische Investitionen.

China ist heute das drittgrößte Investorenland weltweit. Während viele chinesische Unternehmen, die im Ausland investieren, erstmal durch ihre Geschäftsinteressen motiviert sind, spielt andererseits auch die chinesische Regierung und ihre Industrie- und Wirtschaftspolitik eine wichtige Rolle: Investitionen ins Ausland werden beeinflusst und reguliert. Deutschland gehört inzwischen eindeutig zu den attraktiven Zielen für chinesische Direktinvestitionen im Ausland (outward foreign direct investment, OFDI). Entscheidend dafür war der Paradigmenwechsel der chinesischen Regierung weg von arbeitsintensiven Low-Tech-Produktionsaktivitäten hin zu innovationsgetriebenem Wirtschaftswachstum und Produktionsaktivitäten mit höherer Wertschöpfung.
Vor diesem Hintergrund haben wir, basierend auf vier Datensätzen (einschließlich unserer eigenen Umfrage), die Entwicklung von Chinas Investitionen in Deutschland bis zum Jahr 2019 und die Rolle der Covid-19-Pandemie in den Jahren 2020–2021 untersucht. Aus der Analyse ergeben sich vier wesentliche Ergebnisse (Xia und Liu, 2021):

Erstens ist die Attraktivität Deutschlands für chinesische Investitionen im Laufe der Zeit gestiegen. Im Jahr 2019 lag Deutschland unter allen Zielländern für chinesische Investitionen auf Platz zehn (gemessen am Investitionsstock im Ausland). Nach der globalen Finanzkrise haben chinesische Investitionen in Deutschland deutlich zugenommen. China ging zu dieser Zeit dazu über, qualitäts- und innovationsbasiertes Wirtschaftswachstum stärker zu fördern. OFDI sind dabei ein wichtiges Instrument für chinesische Unternehmen, um besseren Zugang zu Know-how und Spitzentechnologien aus dem Ausland zu erhalten. Von 2009 bis 2017 stiegen die chinesischen Investitionen in Deutschland kontinuierlich (mit Ausnahme des Jahres 2015) und wesentlich stärker als die chinesischen Investitionen im Ausland im Allgemeinen. Nachdem die chinesische Regierung 2017 ihre lenkende Rolle und ihre Regulierungsintensität für chinesische Auslandsinvestitionsprojekte gestärkt hatte, kam es 2018 zu einem erheblichen Rückgang chinesischer Investitionsströme nach Deutschland, die jedoch 2019 vor dem Hintergrund weiter sinkender chinesischer Auslandsinvestitionen im Allgemeinen stabil blieben.

Zweitens spielen chinesische Staatsunternehmen (state-owned enterprises, SOEs) eine wichtige Rolle als Investoren in Deutschland – insbesondere bei großen Investitionsprojekten mit einem Transaktionswert von mindestens 100 Mio. US-Dollar. In den Jahren 2011 bis 2014 war der Anteil chinesischer Staatsunternehmen an den „großen“ Investitionstransaktionen chinesischer Unternehmen in Deutschland deutlich höher als bei deren Investitionsprojekten in Deutschland im Allgemeinen. In der jüngsten Vergangenheit, als die chinesische Regierung ihre Investitionsvorschriften erneut verschärfte, ging die Zahl der Großprojekte chinesischer Staatsunternehmen in Deutschland von 2016 bis 2017 stark zurück, blieb danach aber konstant. Die Zahl der Großprojekte von Nicht-SOEs ging im gleichen Zeitraum noch stärker zurück. Auch die durchschnittliche Größe der Großinvestitionen chinesischer Staatsunternehmen war von 2011 bis 2019 in fast allen Jahren größer als die von Nicht-SOEs.

Transaktionswerte chinesischer Großinvestitionsprojekte in Deutschland (mind. 100 Mio. US-Dollar, nach Zielbranche und investierenden Unternehmen)

1 SOE für Staatsunternehmen und NSOE für Nicht-Staatsunternehmen. Anmerkung: Die sektorale Klassifikation von AEI & HF (2020) unterscheidet sich von der Internationalen Standardklassifikation der Wirtschaftszweige (ISIC) der UN.

Drittens waren der deutsche Transport- und der Technologiesektor in der jüngsten Vergangenheit die Hauptzielbranchen chinesischer Investoren bei ihren großen Investitionsprojekten. In den letzten 15 Jahren (bis 2019) sind fast 22 Mrd. US-Dollar in den Transportsektor geflossen, wovon fast 6,5 Mrd. US-Dollar von den Staatsunternehmen kamen. Über 90 Prozent der Gelder wurden in den letzten fünf Jahren investiert, d.h. seit der Ankündigung der Made in China-Strategie 2025 im Jahr 2015. Fast 6 Mrd. US-Dollar sind in den Technologiesektor geflossen, überwiegend durch Investitionsprojekte von Nicht-SOEs – auch hier wurden von 2015 bis 2019 fast 90 Prozent der Gesamtsumme investiert. Der dritte beliebte Sektor chinesischer Investoren für ihre Großinvestitionsprojekte in Deutschland war der Immobiliensektor. Von 2005 bis 2019 wurden insgesamt 6,5 Mrd. US-Dollar in diesen Sektor investiert, davon 5,8 Mrd. US-Dollar von Staatsunternehmen. Anders als die Investitionen im Transport- und Technologiesektor sind die Investitionen im Immobiliensektor in der jüngsten Vergangenheit zurückgegangen (s. Abbildung).

Viertens hatte die Covid-19-Pandemie einige negative, aber eher begrenzte Auswirkungen auf die Attraktivität Deutschlands für chinesische Investitionen. Unsere eigene Umfrage im Sommer 2020, die sich an in Deutschland ansässige Anbieter von FDI-Beratungsdienstleistungen für chinesische Investoren richtete, zeigt, dass die Mehrheit von ihnen im ersten Halbjahr 2020 weniger allgemeine Anfragen von chinesischen Investoren zu Investitionen in Deutschland erhielt als im gleichen Zeitraum 2019. Unsere Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass chinesische Investoren zwar aufgrund der Pandemie vorsichtiger zu sein scheinen, was die Initiierung neuer Investitionsprojekte in Deutschland angeht, viele von ihnen sich aber nicht sofort für eine Desinvestition oder einen Marktaustritt entschieden haben. Dienstleistungen im Bereich der Unternehmensregistrierung wurden daher in diesem Zeitraum von chinesischen Investoren auch weniger nachgefragt, während mehr Anfragen nach Beratungsleistungen zu Themen wie Beschäftigung und Personal, Finanzierungs- und Liquiditätsproblemen sowie Unterbrechungen in Lieferketten zwischen der EU und China zu beobachten waren.
China wird seine technologische Innovationsfähigkeit weiter ausbauen, um eine qualitativ hochwertige wirtschaftliche Entwicklung zu verwirklichen. Dabei ist es nicht zuletzt auf den Zugang zu Wissen und Technologien aus dem Ausland, auch aus Deutschland, angewiesen. Die Bedeutung Deutschlands als Zielland für chinesische Investitionen wird daher in Zukunft weiter zunehmen. Vor diesem Hintergrund stellen sich einige kritische Fragen, die mehr Aufmerksamkeit seitens der Politik verdienen. Wie kann Deutschland zum Beispiel mit chinesischen Investitionsvorhaben umgehen, bei denen die chinesische Regierung eine stark lenkende Rolle spielt? Wie können nationale Sicherheitsbedenken am besten berücksichtigt werden, ohne chinesische Investitionen unnötig zu bremsen? Wie kann ein fairer Wettbewerb insbesondere im Hinblick auf Fusionen und Übernahmen besser gewährleistet werden? Wie können deutsche Unternehmen und Industrien, die einem verstärkten Wettbewerb (aus China) ausgesetzt sind, ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, und wie kann die deutsche Regierung sie dabei unterstützen?

Literatur:

Xia, X., und W.-H. Liu (2021). China’s Investments in Germany and the Impact of the COVID-19 Pandemic. Intereconomics, 56 (2): 113–119. DOI: 10.1007/s10272-021-0962-0.