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Schleswig-Holstein fehlen gut bezahlte Jobs

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Zu diesem Befund kommen die Autoren Klaus Schrader und Claus-Friedrich Laaser in ihrer Analyse „Schleswig-Holsteins Wirtschaft in Zeiten des Aufschwungs – eine Bestandsaufnahme“, die nun in der Schriftenreihe Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik erschienen ist.

Die Autoren stellen darin fest, dass sich Schleswig-Holsteins Wirtschaft im Aufschwung der letzten Jahre zwar durchaus gut entwickelt habe. Im Nachkrisenzeitraum 2010 bis 2018 wuchs die Wirtschaft um 1,7 Prozent pro Jahr, die Arbeitslosigkeit erreichte 2018 mit 5,5 Prozent den niedrigsten Stand seit der deutschen Einheit, und die Exportquote, also der Anteil der Exporte am Bruttoinlandsprodukt, stieg von 12 Prozent im Jahr 1995 auf 22 Prozent im Jahr 2018. Während Schleswig-Holstein damit bei Wachstum und Arbeitslosigkeit nur leicht hinter dem Bundesdurchschnitt zurückblieb, stieg die Exportquote im Bund sogar auf 39 Prozent.

Aus Sicht der Autoren ist es aber bedenklich, dass auch in den Aufschwungjahren der Anteil sehr produktiver und gut bezahlter Jobs in der Industrie und in unternehmensnahen Dienstleistungsbereichen geschrumpft ist. Das auch in Schleswig-Holstein überdurchschnittlich produktive Verarbeitende Gewerbe hat nur noch einen Anteil von 12 Prozent an der Erwerbstätigkeit und etwa 15 Prozent an der Bruttowertschöpfung des Landes. Dienstleistungsbereiche mit geringer Produktivität und schlechter Entlohnung, zu denen etwa auch tourismusnahe Bereiche gehören, dominieren die schleswig-holsteinischen Beschäftigungsstrukturen.

Hinzu kommt eine höhere Teilzeitquote als auf Bundesebene. Sie wuchs von 18 Prozent in den frühen 2000er Jahren auf nunmehr 31 Prozent an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Daher bezieht ein größerer Anteil der Beschäftigten nur ein relativ geringes Einkommen aus ihrer Arbeit und kann damit den Lebensunterhalt nicht vollständig bestreiten.

„Die ungünstige sektorale Struktur der Beschäftigung mit einem relativ hohen Gewicht von Niedriglohnbranchen und das Defizit bei Vollzeitstellen führen dazu, dass die schleswig-holsteinischen Arbeitnehmerentgelte im Bundesländervergleich einen hinteren Platz einnehmen – nur die ostdeutschen Bundesländer stehen schlechter da“, so Schrader.

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer im Bundesländervergleich 2018

 

Im Zeitraum von 1991 bis 2018 haben sich die Arbeitnehmerentgelte in Schleswig-Holstein und Deutschland sukzessive auseinander entwickelt. Während noch zu Beginn der 1990er Jahre Schleswig-Holsteins Arbeitnehmerentgelte in etwa dem Bundesdurchschnitt entsprachen, erreichten diese 2018 mit knapp 38 000 Euro pro Jahr lediglich 88 Prozent des deutschen Werts von knapp 43 000 Euro.

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein und Deutschland 1991–2018

Damit erklärt sich auch, warum Schleswig-Holstein beim Pro-Kopf-Einkommen dem Bundesdurchschnitt hinterherhinkt und der Abstand in den letzten Jahren sogar weiter zugenommen hat. Schon zu Beginn der 2000er Jahre lag das Pro-Kopf-Einkommen nur bei etwas mehr als 89 Prozent des Bundesdurchschnitts. Bis zum Jahr 2018 schrumpfte es auf nur noch 82 Prozent. Am höchsten ist das Pro-Kopf-Einkommen in Hamburg, dort liegt es mit 160 Prozent des Bundesdurchschnitts praktisch doppelt so hoch wie in Schleswig-Holstein.

„Die schwache industrielle Basis und vergleichsweise wenige gut bezahlte Dienstleistungsjobs reichen nicht aus, um in der Einkommenshierarchie der Bundesländer wieder nach oben zu klettern“, sagte Schrader.

„Die Analyse wirft Fragen für die Standortpolitik des Landes auf. Die Zahl der Startups und der internationalen Patentanmeldungen ist in Schleswig-Holstein vergleichsweise niedrig, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind unterdurchschnittlich, es gibt weniger Innovationen und der Anteil hochqualifizierten Personals in Industrie und unternehmensnahen Dienstleistungen ist deutlich niedriger als in anderen Bundesländern. An diesen Schwächen müssen entsprechende Initiativen ansetzen, um die Zahl attraktiver Arbeitsplätze im Land zu steigern und damit auch Anreize für den Verbleib gut ausgebildeter Fachkräfte und Akademiker in Schleswig-Holstein zu schaffen. Antworten auf die Frage, was andere Bundesländer besser machen, könnten bei einer Neuausrichtung der Standortpolitik hilfreich sein. Der Standort Schleswig-Holstein sollte auch stärker Synergien mit dem Nachbarn Hamburg entwickeln, die über den unmittelbaren Hamburger Rand hinausgehen."