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Geheime Verträge: Studie enthüllt Chinas Kreditvergabepraxis der Belt and Road Initiative

Printing 100 Chinese yuan money banknotes

„Durch die Belt and Road Initiative ist China zum größten öffentlichen Gläubiger für Entwicklungsländer aufgestiegen, die finanzierenden Staatsbanken treten als sehr versierte Kreditgeber auf, die ihre Verhandlungsmacht gekonnt zu ihrem Vorteil ausnutzen“, sagt Christoph Trebesch, Forschungsdirektor am IfW Kiel und Mitautor von How China Lends. Die Studie entstand in Kooperation von AidData at William & Mary, dem Center for Global Development, dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und dem Peterson Institute for International Economics. Die Autorinnen und Autoren untersuchen darin 100 chinesische Kreditverträge mit 24 Ländern, viele davon sind Teil der Belt and Road Initiative.

Die Auswertung von Originalverträgen chinesischer Kredite ist in dieser Form einzigartig und die bislang erste systematische Analyse der rechtlichen Konditionen von Chinas Kreditvergabe im Ausland. Die Verträge fanden sich auf Regierungswebseiten der Schuldnerländer und waren offensichtlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Der von AidData zusammengestellte Vertragsdatensatz ist die bislang größte Quelle für Schuldverträge zwischen staatlichen chinesischen Kreditgebern und Entwicklungsländern und über eine Online-Datenbank öffentlich einsehbar (Link siehe unten).

„Die Diskussion um Chinas Auslandskredite hat sich bislang in einem Fakten-Vakuum abgespielt“, so Anna Gelpern, Professorin für Recht an der Georgetown University und Nonresident Senior Fellow am Peter G. Peterson Institute for International Economics. „Kaum einer von Chinas Schuldenverträgen – und kaum ein Schuldenvertrag aus einem anderen Land – wurde je veröffentlicht oder untersucht.“

Die Forscherinnen und Forscher verglichen die chinesischen Kreditverträge mit 142 öffentlich zugänglichen Verträgen anderer großer Gläubigerländer und fanden mehrere ungewöhnliche Merkmale:

  • Chinas Verträge enthalten ungewöhnlich weitreichende Vertraulichkeitsklauseln, die Kreditnehmer daran hindern, die Bedingungen oder manchmal sogar die Existenz der Kredite offenzulegen. Dabei unterlagen Chinas Verträge im Laufe der Zeit immer strengeren Geheimhaltungsklauseln. Seit 2014 enthält jeder untersuchte Vertrag eine Vertraulichkeitsklausel. Damit sind sie für Steuerzahler, die am Ende für die Rückzahlung aufkommen müssen, intransparent und ebenso für andere Kreditgeber, die dadurch die Bonität eines Landes nicht zuverlässig einschätzen können.
  • Die Verträge enthalten auch Bestimmungen, die chinesischen Staatsbanken Vorrang vor anderen Gläubigern geben. Fast ein Drittel der Verträge verlangte von den kreditnehmenden Ländern, erhebliche Barguthaben auf Bank- oder Treuhandkonten zu halten, die chinesische Banken im Falle eines Zahlungsausfalls beschlagnahmen können. Diese informellen Sicherheitsvereinbarungen setzen die chinesischen Kreditgeber an die Spitze der Rückzahlungslinie, da die Banken auf die Konten ihrer Kreditnehmer zugreifen können, um unbezahlte Schulden einzutreiben. In den meisten Verträgen wurde den Kreditnehmern auch ausdrücklich untersagt, ihre Schulden in Abstimmung mit anderen Gläubigern umzustrukturieren, so dass es allein im Ermessen Chinas liegt, ob, wann und wie es in Not geratenen Ländern einen Schuldenerlass gewährt.
  • Die Verträge geben China auch einen großen Spielraum, Kredite zu kündigen oder die Rückzahlung zu beschleunigen, wenn es mit der Politik eines Kreditnehmers nicht einverstanden ist. Beispielsweise behandelt die China Development Bank (CDB) den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu China als ein „Ausfallereignis“. Weitreichende Cross-Default- und Cross-Cancellation-Bestimmungen geben chinesischen Kreditgebern zudem mehr Einfluss auf Kreditnehmer und andere Gläubiger, als bisher angenommen wurde.

„Chinas Praktiken erschweren es Ländern, die sich beispielsweise aufgrund der Corona-Pandemie in einer finanziellen Notlage befinden, ihre Schuldensituation in den Griff zu bekommen“, sagt Trebesch. IfW-Forscher Sebastian Horn ergänzt: „Die meisten chinesischen Kreditverträge enthalten Klauseln, die es den Schuldnerregierungen untersagen, chinesische Kredite in Koordination mit anderen Gläubigern umzuschulden.“

Laut Scott Morris, Senior Fellow am Center for Global Development, „hat China in der G20 einen kooperativen Ton in Schuldenfragen angeschlagen, aber einige der Bestimmungen in seinen Kreditverträgen stehen eindeutig im Widerspruch zu den Zielen des gemeinsamen Rahmenwerks zum Thema Verschuldung, auf das sich die G20-Minister vor sechs Monaten geeinigt haben.“

„Einige Entwicklungsländer haben derzeit Schwierigkeiten, ihre ausländischen Schulden zu bedienen“, so Brad Parks, AidData's Executive Director. „Nicht-chinesische Kreditgeber sind aber zunehmend zögerlich, Rückzahlungsbedingungen neu zu verhandeln, solange sie nicht wissen, ob sie tatsächlich an der Spitze der Rückzahlungslinie stehen und wie Chinas Forderungen im Detail aussehen.“

Die Autoren von How China Lends fordern, dass Staatsschulden grundsätzlich mit Blick auf ihre Höhe und ihre Kreditkonditionen transparent und öffentlich sein müssen, damit Bürgerinnen und Bürger ihre Regierungen dafür zur Rechenschaft ziehen können.

Ein Online-Datenbank mit digitalisierten Kopien der Originalverträge kann unterhttps://www.aiddata.org/how-china-lendsaufgerufen und nach Kreditgeber, Kreditnehmer, Sektor und Vertragsklausel durchsucht werden.

Eine Hintergrundinformation zur Methodik ist auf Nachfrage erhältlich.