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Griechenland: Kein Weg aus der Krise ohne Reformen

„Der Fehler von Eurogruppe, EZB und IWF war es, die Beharrungskräfte der griechischen Klientelwirtschaft zu unterschätzen und viel zu lange die Verschleppung des Reformprozesses zu tolerieren“, urteilt Dr. Klaus Schrader, Experte für Wirtschaftspolitik am IfW, in einer jetzt am Institut erschienenen Studie. Seit dem EG-Beitritt 1981 seien von Brüssel die sichtbaren Strukturschwächen für lange Zeit beharrlich akzeptiert worden. Keine griechische Regierung der vergangenen Jahre habe ohne Druck und Kontrollen den Reformprozess oder die Haushaltssanierung vorangetrieben. Erst die kompromisslose Haltung der neuen griechischen Regierung habe die mangelnde Kooperationsbereitschaft der griechischen Politik auf drastische Weise transparent gemacht. Schrader: „Durch die Verschleppung des Reformprozesses wird die Attraktivität des Standorts Griechenland für in- und ausländische Investoren noch weiter sinken, und die Wende zu einer positiven Wirtschaftsentwicklung ist in weite Ferne gerückt“.

Reformprozess zu früh abgebrochen

Dabei hatten die auf Druck der Euroländer und des IWF in jüngster Zeit in Gang gekommenen Reformprozesse erste Erfolge gezeigt – trotz aller Verzögerungen und Umsetzungsdefizite. Im „Doing Business Ranking 2015“ der Weltbank erreicht Griechenland Rang 61 von 189 Ländern, 2011 war es noch Rang 109. Auch die ökonomischen Kennzahlen deuteten 2014 erstmals eine leichte Wende an. Das griechische Sozialprodukt etwa wuchs erstmals seit 2007, wenn auch nur um 0,8 Prozent. Für das Jahr 2015 wurde noch im Herbst letzten Jahres ein Wachstum von 2,9 Prozent prognostiziert. Schrader: „Von Rettung konnte zwar noch keine Rede sein, aber die Zukunftsaussichten hatten sich für Griechenland deutlich verbessert.“ Seit das Bündnis aus Syriza und Anel regiert, sei die Reformpolitik de facto ausgesetzt worden. Die EU-Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2015 nur noch von einem griechischen Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent aus – und dies nur unter der Bedingung, dass Griechenland sich bis Juni auf eine Fortführung des Reformprozesses mit den Geldgebern geeinigt hätte.

Haupthindernis für Reformerfolge sei die völlige Überforderung der griechischen Staatsverwaltung bei der Durchführung komplexer Reformen. Sie bedürfe in noch größerem Umfang als bisher externer Expertenhilfe. Der Reformbedarf Griechenlands betreffe nach wie vor die Steigerung der Wettbewerbsintensität auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten, die Flexibilisierung und Öffnung der Arbeitsmärkte sowie die Vereinfachung des Steuersystems und eine finanzielle Entlastung des Staates bei Renten und Pensionen. Die fehlende Durchsetzbarkeit von Verträgen und die Mängel bei der Registrierung von (Immobilien-)Eigentum erwiesen sich nach wie vor als größte Hindernisse für die unternehmerische Tätigkeit in Griechenland.

Preiskampf mit Schwellen- und Entwicklungsländern – Dominoeffekte nicht zu befürchten

Die vom IfW durchgeführte Analyse der Wirtschaftsstruktur des Landes zeigt: Griechenland ist auf rohstoff- und arbeitsintensive Produkte ausgerichtet und steht damit im Preiswettbewerb mit Schwellen- und Entwicklungsländern. Nötig seien eine deutlich höhere Wertschöpfung und „Hightech made in Greece“. Der Dienstleistungssektor biete in erste Linie Jobs in Logistik und Tourismus mit geringen Qualifikationsanforderungen und dementsprechend niedrigen Einkommen. Es fehlten unternehmensnahe Dienstleistungen mit guten Einkommenschancen. Schrader: „Das griechische Dilemma besteht darin, dass diese Strukturen kaum geeignet sind, ein Wohlstandsniveau aufrechtzuerhalten, an das sich die griechische Bevölkerung während des nachfragegetriebenen Booms während der vergangenen Dekade gewöhnt hat. Ein Reformprozess, der über mehrere Jahrzehnte verschleppt wurde, kann von Griechenland nun nicht in wenigen Jahren nachgeholt werden.“

Ebenfalls zeigt die Analyse des IfW die geringe Bedeutung Griechenlands innerhalb der EU. Demnach entfiel auf die griechische Volkswirtschaft 2014 lediglich ein Anteil von 1,3 Prozent am europäischen Sozialprodukt, noch ganz knapp unter der 1-Prozent-Schwelle liegt der Anteil Griechenlands am Gesamtexport der EU-Staaten. „Dabei wäre Griechenland mit seinen kleinen Binnenmärkten ganz beson­ders auf einen starken Export angewiesen“, so Schrader. Vergleichbare Länder wie Irland, Slowenien oder Ungarn exportieren Waren und Dienstleistungen in Höhe von 100 Prozent ihres BIP, Griechenland bewegt sich bei 30 Prozent. „Vor diesem Hintergrund ist die Beschwörung von Ansteckungsgefahren und Dominoeffekten, die ein Scheitern der Rettung Griechenlands nach sich ziehen würde, irreführend und in Wahrheit nicht zu befürchten“, meint Schrader. Es habe sich gezeigt, dass in Ländern mit Rettungsprogrammen wie Irland, Portugal und Spanien die Wachstumskrise überwunden und die Kapitalmarktfähigkeit wiederhergestellt ist. „Rettungspolitik kann also funktionieren.“

Strukturreformen und Schuldenschnitt als Ausweg

Die Fortsetzung der Rettungspolitik ohne belastbare Reformauflagen, was seitens der griechischen Regierung offensichtlich präferiert werde, sei allerdings keine Lösung des Griechenlandproblems. Dies würde zur Bildung einer Transferunion mit nicht kalkulierbaren Kosten führen und das Regelwerk der Eurozone und der Union insgesamt in Frage stellen. Ansteckungseffekte wären unvermeidbar: „Kein Krisenland wäre mehr gewillt, harte Anpassungsmaßnahmen mit spürbaren politischen und wirtschaftlichen Kosten zu tragen“, so Schrader.

Zur Wiederherstellung der griechischen Schuldentragfähigkeit befürworten die Autoren einen Schuldenschnitt: Entweder in Gestalt eines konditionierten Schuldenschnitts mit umfangreichen, nachprüfbaren Reformauflagen innerhalb des Euro. Hierbei wäre eine sehr weitgehende Kooperationsbereitschaft der griechischen Regierung erforderlich, eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands würde vermieden. Oder in einem Schuldenschnitt mit geordnetem Austritt aus der Eurozone und einem finanziell abgefederten Übergang, wenn die Regierung ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt und belastbare Reformprogramme ablehnt.

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