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Das griechische Dilemma – Europa ist von Griechenland erpressbar geworden

Syriza-Chef Alexis Tsipras will einen Schuldenschnitt herbeiführen und hat zugleich erklärt, er wolle im Euro verbleiben. Doch die Drohung, dass der Euroraum auch gut ohne Griechenland auskommen kann, ist gefährlich – für den verbleibenden Euroraum. Ein Rausschmiss wäre politischer Selbstmord für Europa, die Verträge bieten dafür keine Handhabe – das Experiment ein Land auszuschließen könnte unabsehbare Folgen für die Stabilität der gesamten Europäischen Union haben. Auch ein freiwilliger Austritt der Griechen gefährdet die europäische Stabilität und kostet über das Zentralbankensystem zusätzliche Milliarden.

Was also tun? Europa hat sich von Griechenland erpressbar gemacht. Die Gemeinschaft hat aktuell kaum Möglichkeiten, Verstöße Griechenlands gegen Stabilitätsauflagen wirkungsvoll zu sanktionieren. Im Extremfall muss die EU eine einseitige Zahlungseinstellung Griechenlands schlicht akzeptieren. Mit einem ebenfalls fatalen politischen Signal. Denn andere „Programmländer“, dies sind derzeit Irland, Portugal, Spanien und Zypern, die zum Teil durch einen solchen Schritt Griechenlands negativ betroffen wären, könnten sich ihrerseits veranlasst sehen, einen Schuldenerlass zu fordern. Schließlich stellt sich die Frage, welche Handhabe die europäischen Rettungsschirme dann überhaupt hätten, ihre ausstehenden Forderungen einzuholen. Würden sie letztlich den Ruf bekommen, dass ihre Inanspruchnahme keine Rückzahlung erfordert, wäre dies das Ende dieser Instrumente, da die verbleibenden Gläubiger ihrerseits die Haftung für die Rettungsschirme einstellen dürften.

Einen kurzfristigen Ausweg gibt es nicht. Die Europäische Union sollte politisch ihr Möglichstes tun, Griechenland als Schuldner in die Pflicht zu nehmen. In Zukunft kann ein griechisches Dilemma - und eine ähnliche Situation in anderen Mitgliedsstaaten - nur durch einen kompletten Umbau der Rettungsschirme verhindert werden.

Europa braucht Umgestaltung der Rettungsschirme

Denn bedeutender als die Frage, ob die an Griechenland ausgehändigten Milliarden auch im Verlauf mehrerer Jahrzehnte zurückgezahlt werden, ist die Frage, ob die Architektur des Euroraums für kommende Krisen gewappnet ist. Die aktuelle Episode zeigt, wie schwierig der Umgang mit Krediten an souveräne Schuldner wie Griechenland sein kann. In dieser Schuldenkrise nahmen die Rettungsschirme, die eigentlich zum Ziel haben sollten, das Geldsystem und somit den Währungsraum zu stabilisieren, den Umweg über die staatlichen Haushalte, die ihrerseits damit zum großen Teil Forderungen von Banken und Versicherungen tilgten und das heimische Bankensystem stützten. Mittelfristig sollten die Rettungsschirme (vollständig) umgestaltet werden. Anstatt zur Absicherung ausstehender Staatsschulden zu dienen, müssen sie im Falle einer Krise zur direkten Stabilisierung des Geldsystems, soll heißen zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Banken- und Finanzsystems, verwendet werden. Die Bankenunion ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Vorschläge, wie ein solcher Umbau gelingen kann, hat das IfW bereits Anfang 2013 erarbeitet und im „Kieler Krisenkompass“ präsentiert. (Details siehe KPB 58). Unter anderem soll der ESM ausschließlich der Finanzierung von Restrukturierungen im Bankensektor dienen. Zeitgleich sollen systemstabilisierende Maßnahmen ergriffen werden, so dass Bankenrettungen per ESM immer unwahrscheinlicher werden. Ist die Funktionsfähigkeit des Banken- und Finanzsystems erst einmal gewährleistet, würde eine Staatsinsolvenz ihren Schrecken verlieren. Die No-Bail-Out-Klausel würde glaubwürdig und es bedürfte keiner Rettungsschirme für Staatsschulden mehr.