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Haushaltskonsolidierung belastet Konjunkturaussichten, Inflation sinkt deutlich
Unter den vom IfW Kiel gemachten Annahmen zu den Folgen der Haushaltskonsolidierung fällt der Bundesetat in den kommenden beiden Jahren um jährlich rund 30 Mrd. Euro kleiner aus, was die Zuwachsrate für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 um gut 0,3 Prozentpunkte reduziert. Die Wirtschaftsleistung legt dann um 0,9 Prozent zu (Herbstprognose: 1,3 Prozent). Für 2025 erwartet das IfW Kiel aktuell einen Zuwachs von 1,2 Prozent (bislang 1,5 Prozent).
Schlagen die Einsparungen stärker auf die Konjunktur durch oder fallen sie stärker aus, ist auch eine noch schwächere Entwicklung möglich. Eine Rezession ist 2024 zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
„Nach dem Urteil aus Karlsruhe fehlt ein belastbarer Haushaltsplan, weil die Bundesregierung hierfür keinen Plan B hatte. Daher stehen nun in wichtigen Bereichen der Wirtschafts- und Finanzpolitik erneut Koalitionsverhandlungen an. Die Konsolidierung und die Unsicherheit über das Ergebnis betreffen nicht nur unsere Konjunkturprognose, sondern belasten auch das Handeln der Wirtschaftsakteure. Der Investitionsattentismus nimmt so noch weiter zu“, sagteStefan Kooths, Konjunkturchef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), anlässlich der heute erschienenen Winterprognosen für Deutschland und die Weltwirtschaft.
Insgesamt ist die konjunkturelle Dynamik in Deutschland verhalten, und die Wirtschaft müht sich aus der Stagnation. Stütze ist der private Konsum, er dürfte in den kommenden beiden Jahren um jeweils rund 1,5 Prozent zulegen. Dahinter stehen kräftige Zuwächse der real verfügbaren Einkommen vor allem infolge der höheren Lohnabschlüsse bei gleichzeitig sinkender Inflation.
Hohe Finanzierungskosten belasten die Baubranche noch weit bis ins nächste Jahr hinein. Die Bauinvestitionen sinken in diesem (-1,6 Prozent) und nächstem Jahr (-2,5 Prozent) wohl deutlich.
Geopolitik: Chinas Wirtschaft verliert an Dynamik
Impulse seitens der Weltwirtschaft lassen vorerst auf sich warten. Sie dürfte in diesem und in den kommenden beiden Jahren nur moderat um rund 3 Prozent zulegen. Dabei gelingt den USA eine sanfte konjunkturelle Landung im neuen Zinsumfeld, ohne dass die Wirtschaft in die Rezession rutscht. Sie dürfte um 2,4 Prozent (2023), 1,5 Prozent (2024) und 2,0 Prozent (2025) zulegen.
Chinas Wirtschaft verliert absehbar an Dynamik, nicht zuletzt auch aufgrund Pekings geopolitischem Ziel, Abhängigkeiten vom Westen zu reduzieren. Laut Prognose legt die Wirtschaftsleistung nach 5,4 Prozent (2023) in den kommenden Jahren nur noch um 4,7 Prozent bzw. 4,6 Prozent zu. Auch hier sind die Abwärtsrisiken gestiegen.
„China ist nach dem Platzen der Immobilienblase in einer strukturellen Wachstumskrise mit sinkender Erwerbsbevölkerung und steigender Arbeitslosigkeit. Geopolitische Spannungen gewinnen an Sichtbarkeit und sind ein erhebliches Risiko für die Konjunktur rund um den Globus. Die USA und China streiten nicht nur um Handelsfragen, sondern auch um die Vormachtstellung im Pazifik. Auch zwischen der EU und China nahmen Differenzen zuletzt zu. Die Wiederwahl eines US-Präsidenten Donald Trump 2024 würde hier wohl wie ein Brandbeschleuniger wirken“, sagte Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel.
Deutsche Exporte werden in diesem Jahr wohl um 1,4 Prozent sinken, im Jahr 2024 stagnieren und erst im Jahr 2025 wieder deutlicher zulegen. Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss steigt wieder deutlich über 7 Prozent.
Inflationsrate sinkt, Arbeitslosigkeit steigt
Die Inflationsrate dürfte in den nächsten beiden Jahren spürbar bis auf unter das 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) sinken. Sowohl von den Energiepreisen als auch den Lebensmittelpreisen gehen inflationsdämpfende Effekte aus.
Insgesamt dürfte die Jahresinflation bei 5,9 Prozent (2023), 2,3 Prozent (2024) und 1,8 Prozent (2025) liegen. Die Kernrate (ohne Energie) liegt rund 0,5 Prozentpunkte höher. Im nächsten Jahr dürfte die EZB die Zinsen deutlich senken.
Am deutschen Arbeitsmarkt zeigen sich Spuren der Konjunkturschwäche. Der Beschäftigungsaufbau kam im Sommer zum Erliegen, gleichzeitig nimmt die Zahl der Arbeitslosen zu. Die Arbeitslosenquote steigt laut Prognose auf 5,7 Prozent (2023) und 5,8 Prozent (2024) und geht anschließend leicht zurück auf 5,6 Prozent (2025).
Die Staatsschulden sinken in Relation zur Wirtschaftsleistung deutlich. Die hohen Preise und Lohnabschlüsse führen zu steigenden Steuereinnahmen, gleichzeitig entfallen durch die Konsolidierung Ausgaben. Das Finanzierungsdefizit des Staates dürfte von 1,9 Prozent in Relation zum BIP (2023) auf 0,7 Prozent (2025) zurückgehen. Der Schuldenstand sinkt im gleichen Zeitraum von 63,8 Prozent auf 62,4 Prozent.
Trotz Haushaltskonsolidierungen dürften die gesamtstaatlichen Defizite weiter über der Marke von 0,35 Prozent in Relation zum BIP liegen. Die höheren Defizite dürften aber konform mit den Vorgaben der Schuldenbremse sein.
Audio: Fragen und Antworten von Stefan Kooths
1. Wie wird sich die Konjunktur im nächsten Jahr entwickeln?
2. Welches sind die bedeutendsten Belastungsfaktoren für die Konjunktur im nächsten Jahr?
3. Was für ein Wirtschaftswachstum erwartet uns mittelfristig?