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Chinas Kreditvergabe - seltener Einblick in 100 Schuldverträge mit ausländischen Regierungen
Die chinesische Regierung ist der größte offizielle Gläubiger der Welt. Trotzdem fehlen uns grundlegende Fakten darüber, wie China und seine staatlichen Banken und Unternehmen Kredite vergeben. In einer kürzlich gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern von AidData, dem Center for Global Development und dem Peterson Institute for International Economics durchgeführten Studie legen wir die erste systematische Analyse darüber vor, wie chinesische Gläubiger Kreditverträge verfassen und welche Bedingungen sie enthalten. Wir zeigen, dass chinesische Kredite ungewöhnliche Geheimhaltungsbestimmungen, Auflagen für Sicherheiten und gläubigerfreundliche Kündigungs- und Fälligkeitsrechte aufweisen.
Weder chinesische Gläubiger noch ihre staatlichen Schuldner legen normalerweise den Wortlaut ihrer Kreditverträge offen. Doch die rechtlichen und finanziellen Details dieser Verträge haben im Zuge des Covid-19-Schocks und der wachsenden Gefahr einer finanziellen Notlage in Ländern, die bei chinesischen Kreditgebern hoch verschuldet sind, an Bedeutung gewonnen. In Anbetracht der hohen Risiken sind die Bedingungen von Chinas Kreditverträgen zu einer Angelegenheit von weltweitem öffentlichem Interesse geworden.
Die erste systematische Studie zu Chinas (geheimen) Kreditverträgen
In unserer Studie (Gelpern et al., 2021) haben wir 100 chinesische Darlehensverträge mit 24 Ländern untersucht, von denen viele an der Belt-and-Road-Initiative teilnehmen. Die Analyse ist die erste systematische Bewertung der rechtlichen Bedingungen von Chinas Auslandskrediten. Zudem ist der neu veröffentlichte Vertragsdatensatz die größte Quelle für Schuldverträge zwischen chinesischen staatlichen Kreditgebern und Kreditnehmern in Entwicklungsländern. Diese Dokumente waren nur schwer zugänglich, aber über einen Zeitraum von 36 Monaten stellte AidData die Verträge zusammen, indem es die Schuldeninformationsmanagementsysteme, die offiziellen Register und die parlamentarischen Websites von 200 Kreditnehmerländern eingehend überprüfte. Wir verglichen die chinesischen Verträge mit 142 öffentlich zugänglichen Verträgen anderer großer Kreditgeber und fanden mehrere unübliche Merkmale in chinesischen Verträgen.
Chinas Verträge enthalten ungewöhnlich weitreichende Vertraulichkeitsklauseln, die die Kreditnehmer daran hindern, die Bedingungen oder manchmal sogar die Existenz der Kredite offenzulegen. Diese Vertraulichkeitsklauseln führen in den Entwicklungsländern zu Problemen mit sogenannten versteckten Schulden („hidden debt“), die die Bewertung der Schuldentragfähigkeit und von Risiken erschweren (siehe auch Horn et al., 2021). Am wichtigsten ist vielleicht, dass sie die Kredite vor den Menschen verbergen, die sie über Steuern zurückzahlen müssen, und es damit der Öffentlichkeit erschweren, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Chinas Verträge sind im Laufe der Zeit auch immer undurchsichtiger geworden: Seit 2014 enthält jeder Vertrag im Datensatz eine Geheimhaltungsklausel.
Chinesische Staatsbanken möchten als bevorzugte Gläubiger bezahlt werden
Die Verträge enthalten auch Bestimmungen, die chinesische Staatsbanken als vorrangige Gläubiger einstufen, deren Darlehen vorrangig zurückgezahlt werden sollten. Bei fast einem Drittel der Verträge mussten die kreditnehmenden Länder Erlöse aus Rohstoffexporten oder die Gewinne aus den zugrundeliegenden Projekten auf Offshore-Bankkonten oder Treuhandkonten überweisen. Durch diese informellen Sicherheitsvereinbarungen stehen die chinesischen Kreditgeber bei der Rückzahlung ganz vorne, da die chinesischen Banken einfach auf die Konten ihrer Kreditnehmer zugreifen können, um unbezahlte Schulden einzutreiben. Viele der Verträge enthalten auch Klauseln, die chinesische Schulden von multilateralen Umschuldungsinitiativen ausschließen und somit die Möglichkeiten der Kreditnehmerländer im Falle von Rückzahlungsschwierigkeiten einschränken.
Verwendung von Vertraulichkeitsklauseln in chinesischen Verträgen über die Zeit
Kreditverträge und politische Einflussnahme
Schließlich geben Chinas Verträge dem Land einen breiten Spielraum, um Darlehen zu kündigen oder die Rückzahlung zu beschleunigen, wenn es mit der Politik eines Kreditnehmers nicht einverstanden ist. Die China Development Bank (CDB) beispielsweise behandelt den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu China als „Ausfallereignis“. Weitreichende Bestimmungen über gegenseitige Ausfälle und Kündigungen geben chinesischen Kreditgebern mehr Einfluss auf Kreditnehmer und andere Gläubiger, als bisher angenommen wurde. Neben der Absicherung des Rückzahlungsrisikos können chinesische Gläubiger diese Hebelwirkung auch nutzen, um die Innen- oder Außenpolitik des kreditnehmenden Landes zu beeinflussen.
Insgesamt zeigt unsere Analyse, dass China ein versierter bzw. „robuster“ Gläubiger von Entwicklungsländern ist. Durch eine innovative Vertragsgestaltung versuchen chinesische Kreditgeber, Durchsetzungshürden zu überwinden und die Risiken von Zahlungsausfällen zu reduzieren. Diese Techniken können dazu beitragen, die Kapitalströme in risikoreiche Entwicklungsländer zu erhöhen (Lucas, 1990). Einige Klauseln sind jedoch mit erheblichen negativen externen Effekten für andere Gläubiger verbunden und stellen eine Herausforderung für die multilaterale Zusammenarbeit dar, insbesondere in Situationen von Überschuldung und Krisen.
Zugehörige Publikation
Literatur:
Gelpern, A., et al. (2021). How China Lends: A Rare Look Into 100 Debt Contracts with Foreign Governments. Peterson Institute for International Economics, Kiel Institute for the World Economy, Center for Global Development, and AidData at William & Mary.
Horn, S., C. M. Reinhart und Christoph Trebesch (2021). China’s Overseas Lending. Journal of International Economics (133) 103539.
Lucas, R. E., Jr. (1990). Why Doesn’t Capital Flow from Rich to Poor Countries? The American Economic Review 80 (2): 92–96.