Statement

Die Insolvenz von Evergrande belastet China, aber löst keine internationale Finanzkrise aus

Der Liquidationsbeschluss für das in Hongkong gelistete Immobilienunternehmen Evergrande durch ein Gericht in Hongkong, ist der bisherige Höhepunkt einer seit Jahren schwelenden Krise auf dem chinesischen Immobilienmarkt, der zu etwa einem Fünftel der chinesischen Wirtschaftsleistung beiträgt. Die Krise hat somit gesamtwirtschaftliche Bedeutung für China. Ungeachtet der Fragen, ob und wie ein Insolvenzverwalter Zugriff auf Aktiva des Unternehmens in der Volksrepublik erhalten kann und wie sich die chinesische Regierung verhalten wird, ist die Liquidation in ihren Auswirkungen aber nicht mit der Immobilienkrise in den USA zu vergleichen, die 2008 zur Finanzkrise führte.  Ein Vergleich mit den Turbulenzen auf dem chinesischen Aktienmarkt im August 2015 ist angebrachter.

Der chinesische Finanzmarkt ist vom internationalen Finanzmarkt wegen der Zulassungsbeschränkungen und der Kapitalexportkontrollen abgeschottet. Die Immobilienkrise trifft daher breit gestreut chinesische Anleger und Wohnungskäufer. Sie schockt den chinesischen Aktienmarkt, verschärft die Arbeitslosigkeit von Universitätsabsolventen, die bislang in diesem Sektor Beschäftigung fanden, stärkt Versuche in- und ausländischer Investoren, China den Rücken zu kehren und die Kapitalexportkontrollen zu unterlaufen und übt Abwertungsdruck auf die chinesische Währung aus. Chinesische Haushalte werden zum Vorsichtssparen veranlasst. Damit werden der private Konsum und somit die Binnennachfrage insgesamt weiter geschwächt.

Für die deutsche Exportwirtschaft sind dies schlechte Nachrichten, weil die chinesische Importnachfrage schwächeln wird und weil sich zu diesem Einkommenseffekt auch ein negativer Preiseffekt hinzugesellen könnte: Lässt die chinesische Regierung die Abwertung zu, verteuern sich die Importe. Es könnte auch dazu kommen, dass chinesische Unternehmen die flaue Binnennachfrage zum Anlass nehmen, ihre Kapazitäten durch vermehrte Exporte auszulasten. Eine Abwertung könnte ihnen helfen. Damit könnten deutsche Unternehmen (Stichwort: E-Autos) noch stärker unter Wettbewerbsdruck geraten.