Statement

Hohe Zinsen legen deutsche Wachstumsdefizite offen

„Die Europäische Zentralbank (EZB) schreibt weiter Wirtschaftsgeschichte. Nach der historisch außergewöhnlich langen Nullzinsphase von über 6 Jahren ist die drastische Geschwindigkeit der Leitzinserhöhung binnen nur eines Jahres auf nun 4,25 Prozent historisch ebenfalls außergewöhnlich.

Die EZB hat im Kampf gegen die Inflation wirkungsvoll Zähne gezeigt, die Inflationsrate hat sich gegenüber ihrem Höchststand etwa halbiert. Aus Risikomanagementperspektive spricht nach so starken Zinsanhebungen vieles dafür, jetzt zunächst die realwirtschaftlichen Effekte abzuwarten und eine Pause einzulegen, um die Auswirkungen der Zinserhöhungen valide bewerten zu können.

Die Effekte der Zinserhöhungen sind inzwischen deutlich sichtbar: Der Immobilienmarkt ist eingebrochen und die Firmenkreditvergabe ist deutlich gefallen. Die Wolken am Konjunkturhimmel verdunkeln sich, insbesondere die Wachstumsschwäche in Deutschland tritt durch die hohen Zinsen nun deutlich zu Tage.

Die Ursachen dieser Wachstumsschwäche alleine der EZB zuzuschreiben greift aber zu kurz, dies zeigt auch der Blick auf unsere europäischen Nachbarn, die allesamt eine höhere konjunkturelle Dynamik zeigen. Wenn Deutschland nicht noch einmal zum „kranken Mann Europas“ werden will, muss es sich jetzt mutig den Wachstumsbranchen von morgen zuwenden, anstatt ängstlich mit Milliarden energieintensive Industrien von gestern zu konservieren.

Dazu gehört auch, die Defizite und verpassten Chancen des vergangenen Jahrzehnts jetzt schnell zu beseitigen: die mitunter bizarre Rückständigkeit in allen digitalen Bereichen, der starke Rückgang der staatlichen Kapazitäten und der öffentlichen Infrastruktur sowie das Fehlen einer sinnvollen Strategie zur Verbesserung des Wohnungsmangels und zur Steigerung der Zuwanderung, um den Auswirkungen der alternden Erwerbsbevölkerung zu begegnen.“