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The Blue Carbon Wealth of Nations - Bewertung von Naturkapital
Küstenökosysteme wie Seegraswiesen, Salzmarschen und Mangrovenwälder sind in vielerlei Hinsicht für Menschen wertvoll. Insbesondere speichern sie Kohlenstoff – und das mit deutlich höherer Flächendichte als beispielsweise Wälder. Damit tragen sie einen wichtigen Teil dazu bei, den Klimawandel abzumildern. Allein die Küstenökosysteme Australiens, die besonders viel CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, ersparen dem Rest der Welt Klimafolgekosten in Höhe von rund 23 Mrd. US-Dollar jährlich.
Klimapolitische Instrumente wie zum Beispiel Emissionshandelssysteme sollen Klimaschutzmaßnahmen koordinieren, indem sie ein Preissignal für CO2 -Emissionen geben. Unternehmen können dann den CO2-Preis mit den Kosten für die Vermeidung von CO2-Emissionen vergleichen, um zu entscheiden, welche Emissionen vorteilhaft reduziert werden können. Das Preissignal auf den Kohlenstoffmärkten hängt davon ab, wie ehrgeizig das politische Ziel ist. Dies lässt sich an der derzeitigen Preisrallye im europäischen Emissionshandelssystem in Erwartung eines ehrgeizigeren Reduktionsziels für 2030 ablesen. Nicht Teil dieses Marktes sind Kohlenstoffsenken, also beispielsweise Wälder, Moore oder auch Seegraswiesen. Ihre Kohlenstoffaufnahme wird durch Faktoren wie den CO2-Gehalt in der Atmosphäre, ökologische Prozesse und Rückkopplungen sowie menschliche Eingriffe bestimmt. Dennoch verringert diese Art von Dienstleistung die Klimaschäden und hat daher Auswirkungen auf den weltweiten Wohlstand.
Soziale Kosten von CO2 – wie natürliche Leistungen bepreist werden können
Solche von der Natur erbrachten Leistungen sind ein wesentlicher Bestandteil des sogenannten „Inclusive Wealth Framework“. Inklusiver Wohlstand ist definiert als die Gesamtheit aller natürlichen und vom Menschen geschaffenen Kapitalbestände, die mit ihrem Schattenpreis bewertet werden, d.h. mit dem geschätzten finanziellen Wert, den ein Gut oder eine Dienstleistung für das gesellschaftliche Wohlergehen hat, und nicht mit einem Marktpreis. Diese Schattenpreise werden von Faktoren wie der Ressourcenknappheit und den Erwartungen an die künftige Bewirtschaftung des vom Menschen geschaffenen und des natürlichen Kapitalstocks beeinflusst.
Der Klimawandel verringert den integrativen Wohlstand, und daher werden CO2 -Emissionen wie eine negative Investition in den integrativen Wohlstand betrachtet.
Der geeignete Schattenpreis zur Bewertung dieser negativen Investition sind die „sozialen Kosten von Kohlenstoff “ (Social Cost of Carbon, SCC). Die SCC sind eine Schätzung der wirtschaftlichen Schäden, die durch die Emission einer zusätzlichen Tonne CO2 in die Atmosphäre zu einem beliebigen Zeitpunkt entstehen würden. Dabei werden sowohl die Vorteile als auch die Nachteile von CO2-Emissionen berücksichtigt. Insgesamt müssen sie dennoch als Kosten betrachtet werden, da die negativen Auswirkungen des Klimawandels größer sind als die positiven. Die SCC sind ein globales Maß, das sich aus der Addition der nationalen Schadensschätzungen aus den sozialen Kohlenstoffkosten der einzelnen Länder (Country-level Social Cost of Carbon), CSCC) ergibt. Neuere Studien haben Klimamodelle und Wirtschaftsmodelle integriert, um die CSCC für alle Länder der Welt zu schätzen.
Blue Carbon Wealth: Verringerte Klimaschäden durch blauen Kohlenstoff
So wie die CO2-Emissionen eine negative Investition in den Wohlstand darstellen, erhöhen Ökosysteme, die CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, den Wohlstand. In unserer Studie konzentrieren wir uns speziell auf die Kohlenstoffbindung von Küstenökosystemen wie Mangroven, Salzwiesen und Seegraswiesen, die unter dem Begriff „Blue Carbon“ zusammengefasst werden.
Jede Tonne CO2, die von diesen Küstenökosystemen aufgenommen wird, erhöht den globalen Wohlstand um einen Betrag, der den SCC entspricht, und kann als Beitrag zum Wohlstand durch blauen Kohlenstoff betrachtet werden. Da die länderspezifischen sozialen Kosten weltweit unterschiedlich ausfallen, sind auch die Auswirkungen auf den inklusiven Wohlstand unterschiedlich. Dazu kommt, dass auch die CO2-Aufnahmefähigkeit der Küstenökosysteme weltweit variiert: Der blaue Kohlenstoffreichtum wird zwischen den Ländern umverteilt.
Australiens Küstenökosysteme ersparen der Welt Klimafolgekosten von rund 23 Mrd. US-Dollar pro Jahr
Auf der Grundlage von Schätzungen zur Bindung von CO2 in Küstenhabitaten und länderspezifischen Klimaschäden berechnen wir den Wohlstandsbeitrag und die Umverteilung. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass die Kohlenstoffsequestrierung in einem Land die Klimaschäden in anderen Ländern reduziert und umgekehrt. Diese Schätzungen können dann in einer „Netto“-Position zusammengefasst werden, die angibt, ob ein Land – netto gesehen – Wohlstand aus blauem Kohlenstoff für andere Länder bereitstellt oder ob es – netto gesehen – blauen Kohlenstoffwohlstand von anderen erhält. Die australische Küste beispielsweise – die etwa ein Viertel der weltweiten Salzwiesenfläche und 13 Prozent bzw. 7 Prozent der weltweiten Seegras- und Mangrovenflächen umfasst – hat das größte Potenzial zur CO2 Speicherung in Küstenökosystemen (10,6 Mio. Tonnen Kohlenstoff pro Jahr). Dies entspricht einem Beitrag zum Wohlstand in Höhe von 25,0 Mrd. US-Dollar, der sich aus der Multiplikation der Kohlenstoffspeicherung mit der globalen Schätzung für die SCC ergibt.
Grafik: Jährliche positive und negative Netto-Wohlstandsumverteilung (in Millionen US-Dollar)
Allerdings kommt Australien nur ein kleiner Teil dieses Nutzens zugute, da die Verringerung der Klimaschäden global ist. Unter Verwendung der australischen CSCC (7,5 US-Dollar pro Tonne CO2 ) schätzen wir den inländischen Beitrag zum Wohlstand durch CO2-Speicherung in den dortigen Küstenökosystemen aus vermiedenen Klimaschäden auf 0,291 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Der verbleibende Nutzen aus der Sequestrierung von blauem Kohlenstoff in Australien findet also im Ausland statt und beläuft sich auf 24,7 Mrd. US-Dollar pro Jahr – geschätzt durch Multiplikation der australischen Küsten-CO2-Speicherung mit der Summe der CSCC aller anderen Länder. Gleichzeitig profitiert Australien auch von der Kohlenstoffbindung im Ausland, nach unseren Schätzungen etwa in Höhe von 1,9 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Offensichtlich übersteigt der australische Beitrag für das Ausland den Betrag, den es im Gegenzug aus dem Ausland erhält, so dass Australien einen Nettobeitrag zum Wohlstand durch CO2-Speicherung in Küstenökosystemen in Höhe von 22,8 Mrd. US-Dollar pro Jahr für den Rest der Welt leistet.
Lange Küsten sind von Vorteil, aber auch die Kosten des Klimawandels fließen in den Nettobeitrag ein
Die Ergebnisse für Australien sind auf eine relativ große Küstenlinie und eine relativ niedrige Schätzung für die marginalen Klimaauswirkungen im Inland zurückzuführen. Dementsprechend sind die drei Länder mit den größten länderspezifischen sozialen Kohlenstoffkosten – die USA, Indien und China – auch die Länder, die am meisten von der Kohlenstoffbindung im In- und Ausland profitieren. Die übrigen Top-10-Netto-Empfängerländer von blauem Kohlenstoff reichtum sind durch die orangenen und gelben Balken in der Grafik dargestellt. Die hellblauen und blauen Balken zeigen die zehn wichtigsten Geberländer – nach Australien folgen Indonesien, Kuba und Russland.
Zugehörige Publikation
Literatur:
Bertram, C., et al. (2021). The Blue Carbon Wealth of Nations. Nature Climate Change 11: 704–709.
Rickels, W., und M. Quaas (2021). Mapping ‘Blue-Carbon Wealth’ Around the World. Carbon Brief, 12. Juli.