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Ökonomische Folgen: Was Kriege die Welt kosten
Kriege verursachen oft immensen wirtschaftlichen Schaden. In den Kriegsschauplätzen wird der Kapitalstock zerstört – also volkswirtschaftliche Sachwerte wie Maschinen oder Gebäude. Gleichzeitig bricht die Wirtschaftsleistung durchschnittlich um rund 30 Prozent ein, und die Inflation steigt um rund 15 Prozentpunkte über fünf Jahre. Aber auch nicht am Krieg beteiligte Drittländer tragen hohe Kosten, insbesondere die Nachbarländer des unmittelbaren Kriegsschauplatzes: Das reale BIP fällt hier nach fünf Jahren durchschnittlich um 10 Prozent, während die Inflation um 5 Prozentpunkte steigt. Kriege haben erhebliche negative externe Effekte auf die Nachbarn. Für weiter entfernte Länder können die Effekte aber positiv sein: Es gibt auch in der Weltwirtschaft Gewinner und Verlierer von Kriegen.
Diese Ergebnisse beruhen auf einer neuen Analyse von Forschern des IfW Kiel und der Universität Tübingen, die in dem Kiel Policy Brief „The Price of War“ zusammengefasst und im gleichnamigen Kiel Working Paper (Federle et al., 2024) methodisch fundiert ist. Teil der Veröffentlichungen ist ein Online-Tool, mit dem sich hypothetische Szenarien unter den getroffenen Annahmen ad hoc abschätzen lassen (Price of War Calculator, PCALC, siehe unten).
Beispiel Ukraine – das könnte der Krieg bis 2026 kosten
Auf der Grundlage vergangener Kriege schätzen die Autoren, dass die russische Invasion bis 2026 zu einem BIP-Verlust in der Ukraine von etwa 120 Milliarden US-Dollar führen wird und der ukrainische Kapitalstock um mehr als 950 Milliarden US-Dollar sinkt. Gleichzeitig ist die wirtschaftliche Belastung für die am Krieg unbeteiligten Drittländer mit insgesamt rund 250 Milliarden US-Dollar ebenfalls erheblich. Hiervon entfallen etwa 70 Milliarden US-Dollar auf Länder in der Europäischen Union und ca. 15–20 Milliarden US-Dollar allein auf Deutschland.
„Die Berechnungen beruhen auf den Kosten ‚typischer‘ zwischenstaatlicher Kriege in der Vergangenheit. Je nach Dauer und Intensität des Krieges sind weniger oder mehr schwerwiegende Szenarien denkbar“, sagt Jonathan Federle, Forscher am IfW Kiel und Autor der Studie. „Die von uns berechneten Übertragungseffekte auf andere Länder berücksichtigen vor allem die durch geografische Nähe bedingten Handelsverflechtungen und die Größe der jeweiligen Volkswirtschaft, in der ein Krieg ausbricht.”
Beispiele Taiwan und Iran – unterschiedliche Intensität der Handelsintegration
Ist eine Volkswirtschaft global stark integriert, wie beispielsweise in Taiwan, bilden die Schätzungen tendenziell den unteren Rand der zu erwartenden ökonomischen Kriegskosten ab, in diesem Fall rechnen die Forscher innerhalb von fünf Jahren mit weltweiten BIP-Verlusten von rund 2,2 Billionen US-Dollar.
Sollte beispielsweise der Iran zum Schauplatz eines Krieges werden, könnten sich die Kosten in Form von für die Weltwirtschaft verlorenem BIP über einen Zeitraum von fünf Jahren auf bis zu 1,7 Billionen US-Dollar belaufen. Der Iran ist auch aufgrund von Sanktionen nicht so stark in den Welthandel eingebunden, daher liegen die von den Forschern geschätzten externen Kosten in diesem Fall wahrscheinlich am oberen Rand.
Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel und Ko-Autor der Studie fasst die zentralen Einsichten zusammen. „Der russische Angriff auf die Ukraine hat enormen wirtschaftlichen Schaden in der Ukraine, aber auch in den Nachbarländern und in Deutschland angerichtet. Insgesamt zeigen die Berechnungen einmal mehr, wie hoch auch ökonomisch der Wert des Friedens ist und wie katastrophal ein Krieg auf eigenem Boden in jeder Hinsicht ist. Militärische Stärke und glaubwürdige Abschreckung, die Angriffe von außen unwahrscheinlich machen, sind insofern auch aus ökonomischer Perspektive sinnvoll.“
Price of War Calculator – PCALC
Das Online-Tool Price of War Calculator (PCALC) ist unter https://priceofwar.org/ frei zugänglich. Es ermöglicht, die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Krieges auf den Kriegsschauplatz sowie die wirtschaftlichen Übertragungseffekte auf andere Länder zu überschlagen. Das Tool basiert auf der in „The Price of War“ (Federle et al., 2024) vorgestellten Studie und verdichtet somit die historischen Erfahrungen der letzten 150 Jahre. Neue oder hypothetische Kriegsszenarien können in verschiedener Hinsicht vom historischen Durchschnitt abweichen, daher können die Berechnungen nur als Schätzung betrachtet werden.