News

Kiel Trade Indicator 04/22: Welthandel stabilisiert sich

„Die ersten Schockwellen der russischen Invasion in der Ukraine für den globalen Warenaustausch sind offenbar verdaut, und die Handelsdaten im April stabilisieren sich. Fast alle wichtigen Volkswirtschaften können Zuwächse oder zumindest eine Seitwärtsbewegung erwarten“, sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator

Laut jüngstem Datenupdate des Kiel Trade Indicator für April dürfte der Welthandel im Vergleich zum Vormonat um 2,1 Prozent zulegen (preis- und saisonbereinigt). Für Deutschland lassen die Schiffsbewegungen auf eine positive Entwicklung gegenüber dem März schließen, sowohl Exporte (+3,2 Prozent) als auch Importe (+1,4 Prozent) liegen im Plus. Gleiches gilt für die EU, ihre Exporte dürften um 0,7 Prozent steigen, ihre Importe um 1,1 Prozent.

In den USA dürften die Exporte im April mit einem Zuwachs von 5 Prozent klar im positiven Bereich liegen, für die Importe zeichnet sich ein Minus von 1,4 Prozent ab. In China deutet sich sowohl bei Exporten (0,0 Prozent) als auch bei Importen (-0,9 Prozent) eine Stagnation und damit ein Handel auf Märzniveau an.

„Der Lockdown in Shanghai bremst zwar Chinas Exportwachstum aus, Rückgänge im Handel scheinen sich aber auf den Hafen von Shanghai zu beschränken. Der Abstand der Warenausfuhren hat sich im Vergleich zu Chinas übrigen Häfen auf ein Minus von rund 25 Prozent eingependelt. Das heißt aber auch: Trotz Lockdown verlassen immer noch ein Großteil aller Güter den Hafen, das ist ein gutes Zeichen für die weltweiten Lieferketten“, so Stamer.

 

Die weltweiten Staus im Containerschiffnetzwerk verharren auf hohem Niveau, rund 11 Prozent aller weltweit verschifften Waren stecken im Stau.

Für Russlands Handel zeichnet sich im April eine Bodenbildung nach den teils herben Einbrüchen der vergangenen drei Monate ab. Im Vergleich zum März dürften die Exporte nur moderat zurückgehen (-1,6 Prozent), die Importe könnten zulegen (+2,3 Prozent).

„Russland beginnt womöglich damit, Importe aus Europa mit Importen aus Asien zu substituieren. Dafür spricht, dass im Hafen von Novorossiysk im Schwarzen Meer zuletzt wieder deutlich mehr Containerschiffe eingelaufen sind, wohingegen der in den Europahandel eingebundene Hafen von St. Petersburg weiter Rückgänge verzeichnet“, so Stamer. „Dies könnte ein erstes Indiz für Handelsumlenkungen sein. Umso wichtiger ist es, ökonomische Anreize für Länder wie Indien zu schaffen, sich Europa und nicht Russland anzunähern.“

Die nächsten Aktualisierungen des Kiel Trade Indicator erfolgen am 20. Mai (ohne Medieninformation) und am 7. Juni (mit Medieninformation).

Weitere Informationen zum Kiel Trade Indicator und einzelne Prognosen für 75 Länder und Regionen finden Sie auf www.ifw-kiel.de/tradeindicator.


Über den Kiel Trade Indicator

Der Kiel Trade Indicator schätzt die Handelsflüsse (Im- und Exporte) von 75 Ländern und Regionen weltweit, sowie des Welthandels insgesamt. Im Einzelnen umfassen die Schätzungen über 50 Länder sowie Regionen wie die EU, Subsahara-Afrika, Nordafrika, den Mittleren Osten oder Schwellenländer Asiens. Grundlage ist die Auswertung von Schiffsbewegungsdaten in Echtzeit. Ein am IfW Kiel programmierter Algorithmus wertet diese unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz aus und übersetzt die Schiffsbewegungen in reale, saisonbereinigte Wachstumswerte gegenüber dem Vormonat.

Die Auswertung erfolgt zweimal im Monat. Um den 20. (ohne Pressemeldung) für den laufenden und den folgenden Monat und um den 5. (mit Pressemeldung) für den vergangenen und den laufenden Monat.

An- und ablegende Schiffe werden dabei für 500 Häfen weltweit erfasst. Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert und die effektive Auslastung der Containerschiffe anhand des Tiefgangs gemessen. Mittels Länder-Hafen-Korrelationen können Prognosen erstellt werden, auch für Länder ohne eigenen Tiefseehafen.

Der Kiel Trade Indicator ist im Vergleich zu den bisherigen Frühindikatoren für den Handel deutlich früher verfügbar, deutlich umfassender, stützt sich mit Hilfe von Big Data auf eine bislang einzigartig große Datenbasis und weist einen im Vergleich geringen statistischen Fehler aus. Der Algorithmus des Kiel Trade Indikators lernt mit zunehmender Datenverfügbarkeit dazu (machine learning), so dass sich die Prognosegüte im Lauf der Zeit weiter erhöht.