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Industriepolitik: Internationale Arbeitsteilung essenziell für Erfolg deutscher Unternehmen
Deutschlands Industrie hat demnach von der Globalisierung stärker profitiert, als die Industrie in vielen anderen Ländern und hat dadurch maßgeblich zum Wirtschaftswachstum der gesamten deutschen Volkswirtschaft beigetragen. Insbesondere die in Deutschland traditionell besonders stark vertretenen Unternehmen aus der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und die Hersteller von Elektrischen Ausrüstung haben profitiert, was auch zum Aufbau stabiler und gut bezahlter Arbeitsplätze geführt hat. Aber auch nahezu alle anderen Branchen des deutschen Verarbeitenden Gewerbes sind stärker exportorientiert als die entsprechenden Branchen in anderen Ländern.
Ein Rückgang der Globalisierung und ein Umbruch der Industrie durch die Digitalisierung stellt für Deutschland daher eine noch bedeutsamere Herausforderung dar, als für viele andere Industrieländer. Speziell die starke Abhängigkeit von der Automobilindustrie, die mittlerweile fast ein Fünftel der gesamten Industriewertschöpfung erwirtschaftet, sei mittlerweile zu einem ‚Klumpenrisiko‘ für die deutsche Wirtschaft geworden.
IfW-Präsident Gabriel Felbermayr: "Deutschland braucht die Globalisierung, um auch künftig unseren Wohlstand zu sichern. Eine Stärkung der EU und des Binnenmarktes ist dabei von zentraler Bedeutung. Dazu zählt beispielsweise die schnelle Umsetzung des digitalen Binnenmarktes und ein EU Investitionsprogramm für öffentliche Güter wie Infrastruktur, Forschung und Entwicklung oder die Schaffung europäischer Exzellenzuniversitäten.“
"Deutschland fehlt mittlerweile etwas der Mut für Veränderungen"
Insgesamt zeigt sich der Industriestandort Deutschland laut Gutachten hinsichtlich der meisten Standortfaktoren nach wie vor recht wettbewerbsfähig, allerdings drohten einige der bisher gewichtigen Standortvorteile nach und nach zu erodieren. „Die Erosion wichtiger Standortvorteile hängt dabei auch mit einer – in Deutschland besonders stark ausgeprägten, aber auch in anderen Ländern zu beobachtenden – gesellschaftlichen Präferenz für Sicherheit und Besitzstandswahrung zusammen.“, so Felbermayr. „Einfach ausgedrückt fehlt es mittlerweile in Deutschland etwas am Mut für Veränderungen.“
Im internationalen Vergleich ist Deutschland insbesondere bei der Unternehmensbesteuerung in den letzten Jahren zurückgefallen. Bei den Arbeitskosten liegt Deutschland – insbesondere aufgrund der relativ hohen Lohnstückkosten – im hinteren Bereich der Vergleichsländer. Die Strompreise sind im internationalen Vergleich sehr hoch, was maßgeblich auf die erhobenen Steuern, Abgaben und Umlagen zurückzuführen ist.
Bei der Verkehrs- und Transportinfrastruktur schneidet Deutschland im internationalen Vergleich immer noch recht gut ab, ist aber in der vergangenen Dekade sowohl absolut als auch relativ zu den Vergleichsländern zurückgefallen. Die gilt tendenziell für jeden der untersuchten Verkehrsträger Straße, Schiene, Luftverkehr und Seeverkehr.
Kapital in Köpfen wichtigster Produktionsfaktor
Das „Kapital in den Köpfen“ der Menschen ist der wichtigste Produktionsfaktor, über den ein rohstoffarmes Land wie Deutschland in nennenswertem Umfang verfügt, so dass dem Bereich Arbeitsmarkt und Fachkräfte eine große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Deutschland zukommt. Im Bereich Forschung und Innovation nimmt Deutschland nach wie vor eine Spitzenstellung ein.
Allerdings weisen deutsche Arbeitnehmer bei den digitalen Kompetenzen und bei der Weiterbildungsintensität (Lebenslanges Lernen) z.T. deutliche Defizite auf, was künftig zu Diskrepanzen zwischen den gebotenen und gewünschten Kompetenzen bei Arbeitsangebot und -nachfrage führen dürfte. Zudem könnten dauerhaft niedrige Geburtenraten das Angebot an Fachkräften weiter verknappen
Die in Deutschland vergleichsweise geringe Innovationsbeteiligung von Frauen und der im internationalen Vergleich sehr geringe Anteil von Frauen in MINT-Studiengängen deuten auf ein großes und bislang ungenutztes Innovationspotenzial am Standort Deutschland hin.
Gewinnsteuersätze senken, europäische Spitzenuniversitäten finanzieren
Der Wirtschaftspolitik empfehlen die Autoren unter anderem eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Steuer- und Abgabensystems. Die Bundesregierung sollte in der nächsten Legislaturperiode die Gewinnsteuersätze moderat senken – die Körperschaftsteuer sollte um rund 5 Prozentpunkte abgesenkt werden – und der Solidaritätszuschlag sollte vollständig abgeschafft werden.
Die Investitionen in die Straßenverkehrsinfrastruktur sollten erhöht und verstetigt werden. Zur besseren Nutzung vorhandener Infrastrukturkapazitäten sollte für LKW wie PKW eine auslastungsabhängige Maut für hochbelastete Bundesstraßen eingeführt werden. Städte sollten bei Bedarf eine entsprechend differenzierte City-Maut erheben können.
Zur Steigerung der Attraktivität für ausländische Fachkräfte sollten in potenziellen Herkunftsländern Berufsschulen eingerichtet und duale Ausbildungsgänge angeboten werden, die junge Menschen vor Ort beruflich soweit ausbilden, dass sie anschließend eine qualifizierte Tätigkeit in Deutschland ausüben können.
Generell benötigt die gesamte Europäische Union mehr Spitzenuniversitäten auf Augenhöhe mit den amerikanischen Spitzenuniversitäten und den aufsteigenden chinesischen Universitäten. Da Weltklasse-Universitäten teuer sind, sollte über neue, gemeinschaftliche Finanzierungsformen auf EU-Ebene nachgedacht werden.
Insbesondere bedarf es einer Stärkung des Europäischen Marktes für Wagniskapital und der zügigen Vollendung des digitalen Binnenmarktes. Die KI-Strategie der Bundesregierung sollte schneller und entschlossener umgesetzt werden.
Das Gutachten wird heute (Mittwoch, 24.6.2020) auf der Standortkonferenz des BMWi vorgestellt und diskutiert und wird in den nächsten Tagen veröffentlicht werden.
Das Gutachten in voller Länge wurde am 29.06.2020 veröffentlicht und ist seitdem unter dieser Meldung abrufbar.