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Generelles Tempolimit ist das falsche Instrument für Klimaschutz
Befürworter begründen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen vor allem mit niedrigeren Emissionen im Autoverkehr. Langsameres Fahren leiste ohne bedeutende Mehrkosten einen Beitrag zum Klimaschutz, schreiben das Umweltbundesamt (UBA) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) in jüngeren Veröffentlichungen. Tatsächlich sind die Kosten jedoch erheblich und damit auch unangemessen hoch im Verhältnis zu den erreichbaren Einsparungen, errechnet Ulrich Schmidt, Research-Center-Leiter am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), in einem neuen Kiel Policy Brief. Selbst wenn man eine höhere Verkehrssicherheit und damit weniger Verkehrstote annimmt, rechnet sich das Tempolimit nicht.
„Die beiden Studien ignorieren, dass der langsamere Verkehr zu Zeitverlust und damit Kosten für die Fahrenden führt“, sagt Schmidt. Er unterstellt die vom UBA genannten jährlichen Fahrleistungen auf deutschen Autobahnen und errechnet die durchschnittlichen längeren Fahrzeiten entsprechend der vorgeschlagenen Tempolimits. Setzt man für die Zeitverluste einen üblichen Stundenlohn an, ergeben sich – unter Berücksichtigung der gesparten Treibstoffe – Wohlfahrtsverluste für die deutsche Volkswirtschaft zwischen 1,3 Mrd. Euro (Tempolimit 130) und 7,3 Mrd. Euro (Tempo 100). Setzt man nun diese Kosten ins Verhältnis zu den nach UBA-Schätzungen durch ein Tempolimit vermeidbaren CO2-Emissionen, ergibt sich ein Preis von 716 bis 1.382 Euro je vermiedener Tonne CO2. Das sind hohe Kosten im Verhältnis zu anderen Möglichkeiten, Emissionen einzusparen. Zum Vergleich: Der aktuelle Preis für eine Tonne CO2 im europäischen Emissionshandelssystem liegt bei rund 25 Euro. „Allein aus Klimaschutzgründen lässt sich ein generelles Tempolimit auf Autobahnen aus Kosten-Nutzen-Sicht nicht rechtfertigen“, so Schmidt.
Das UBA hat in einem anderen Kontext den Wert für ein statistisches Menschenleben angesetzt. Solche moralisch problematisch erscheinenden Ansätze sind für Risikoabwägungen durchaus üblich. Schmidt veranschlagt auf Basis der UBA-Werte ein Menschenleben mit 4 Mio. Euro und multipliziert diesen dann mit den laut VCD-Schätzung durch ein Tempolimit vermeidbaren Todesfällen auf Autobahnen. Zählt man den so errechneten Wert geretteter Leben zum Wert der eingesparten Emissionen und Treibstoffe hinzu, verbleibt dennoch ein Wohlfahrtsverlust zwischen 990 Mio. (Tempo 130) und 6,7 Mrd. Euro (Tempo 100).
„Aus volkswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Sicht ist ein generelles Tempolimit zwischen 100 und 130 km/h als Maßnahme für den Klimaschutz daher abzulehnen. Insbesondere muss den Schlussfolgerungen des UBAs und des VCD, dass ein Tempolimit auf Autobahnen Klimaschutz zum Nulltarif ermöglicht, klar widersprochen werden“, so Schmidt.
Stattdessen sollte die Verkehrspolitik zwischen Umweltbelastungen unterscheiden, die zeit- und ortsunabhängig auftreten und solchen, die dies nicht tun, rät Schmidt. Zur ersten Kategorie gehören Treibhausgasemissionen, weil es für den Klimaschutz irrelevant ist, wann und wo sie auftreten. Um diesen zu begegnen, wäre ein einheitlicher Preis für CO2-Emissionen die effiziente Maßnahme. Entsprechend sollte der Verkehr in das europäische Emissionshandelssystem aufgenommen werden. Für zeit- und ortsabhängige Umweltschäden, etwa die Emissionen von Feinstaub oder Lärm durch Autos, wären zeit- und ortsabhängige Straßennutzungsgebühren ein effizientes Mittel. Auch lokale oder verkehrsabhängige Tempolimits können geeignet sein. „Die Forderungen nach einem generellen Tempolimit auf Autobahnen erscheinen dagegen als Symbolpolitik, die der Umwelt wenig nützt, den Bürgern aber hohe Kosten auferlegt“, so Schmidt.