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China vergibt viel mehr Auslandskredite als bislang bekannt
Das Kiel Working Paper Nr. 2132 „China’s Overseas Lending“ zeigt erstmals ein umfassendes Bild der von China ins Ausland vergebenen Kredite und anderer Finanzströme. Dafür führten die Wissenschaftler Sebastian Horn (Universität München, IfW Kiel), Carmen Reinhart (Harvard University) und Christoph Trebesch (IfW Kiel) Daten aus über sechs Jahrzehnten aus zahlreichen öffentlichen und nicht-öffentlichen Quellen zusammen. Erfasst sind tausende Kredite an 152 Länder und daraus entstehende Zins- und Tilgungsverpflichtungen.
Alleine von Anfang dieses Jahrhunderts bis 2017 haben sich die Verpflichtungen ausländischer Schuldner an China von unter 500 Milliarden auf über 5 Billionen US-Dollar erhöht – oder von unter einem Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung auf über sechs Prozent. Den Großteil der Schuldtitel hat die staatlich kontrollierte chinesische Zentralbank auf internationalen Märkten erworben. Chinas Portfolio ausländischer Staatsanleihen ist seit Anfang der 2000er Jahre enorm angewachsen. Chinas Regierung vergibt aber auch immer größere Summen direkter Kredite, besonders an Entwicklungs- und Schwellenländer.
Staatliche chinesische Banken haben rund ein Viertel aller Bankkredite an Schwellenländer (Emerging Markets) vergeben. China ist damit weltweit der größte staatliche Gläubiger und deutlich bedeutender als etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Weltbank. Hinzu kommen Direktinvestitionen wie Firmenübernahmen, so dass der chinesische Staat insgesamt Kapital im Umfang von 8 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung im Ausland hält.
Rund 50 Prozent der internationalen Kredite Chinas an Entwicklungs- und Schwellenländer tauchen nicht in offiziellen Statistiken auf. Sie werden weder von multilateralen Überwachungsinstitutionen wie dem IWF oder dem Pariser Club noch von Ratingagenturen oder privaten Datenanbietern erfasst.
„China war auch schon früher ein aktiver internationaler Geldgeber vor allem für kommunistische Bruderstaaten. Aber der jüngste drastische Anstieg ist historisch nur mit der US-Kreditvergabe in den beiden Weltkriegen vergleichbar. Er geht vor allem auf die starke Expansion der chinesischen Volkswirtschaft und die neue globale Ausrichtung des chinesischen Staates zurück“, sagt Christoph Trebesch, Leiter des Forschungsbereichs Internationale Finanzmärkte und Global Governance am IfW Kiel.
Hatten die 50 bedeutendsten Empfänger chinesischer Kredite – vor allem kleinere oder ärmere Länder – noch 2005 Schulden an China im Umfang von durchschnittlich rund einem Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes, waren es 2016 über 15 Prozent. Bei diesen Ländern machen die Verpflichtungen gegenüber China im Durchschnitt 40 Prozent ihrer gesamten internationalen Zahlungsverpflichtungen aus.
„Das Besondere an Chinas Auslandskrediten und -investitionen ist nicht nur der Umfang, sondern auch, dass sie fast ausschließlich von staatlichen Stellen kommen und zu großen Teilen intransparent sind“, sagt Trebesch. Gleichzeitig verlange China für die staatlichen Kredite häufig Marktzinsen mit Risikoaufschlägen und sichere sich zusätzlich durch Vertragsklauseln ab, die eine Rückzahlung durch Sachleistungen wie z.B. Öl-Exporte garantieren.
Viele der von China finanzierten Projekte sind von großem Nutzen für die Empfängerländer, insbesondere im Bereich der Infrastruktur. Allerdings bergen die großen Volumen der Schulden und deren Intransparenz auch Risiken für die Finanzstabilität. Private Investoren oder der IWF können die Schuldentragfähigkeit und die Krisenwahrscheinlichkeit von Ländern kaum einschätzen, wenn ein beachtlicher Teil der Auslandsverschuldung (an China) schlichtweg unbekannt ist. Bei der Analyse von Länderrisiken tappe man dann im Dunkeln.
„Die Mischung aus Intransparenz und hoher Seniorität chinesischer Kredite macht es schwieriger, zukünftige Finanzkrisen zu lösen. Eine international koordinierte Reaktion oder eine faire Lastenverteilung unter den Kreditgebern ist damit viel schwieriger zu organisieren“, sagt Trebesch.
Auch Deutschland ist in nicht geringem Umfang bei China verschuldet. Die Autoren schätzen, dass Bundesanleihen im Umfang von rund 370 Mrd. US-Dollar von China gehalten werden. Der Umfang der Außenstände an China beträgt rund 10 Prozent des BIP. Die gesamte Eurozone ist mit rund 850 Mrd. US-Dollar bei China verschuldet, was rund 7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung entspricht.