Historic image of the Kiel Institute

Wirtschaftswissenschaftlicher Club

Geschichte

Der WWC bis 1945*

Der Club wurde am 10. November 1920 auf Initiative von Professor Bernhard Harms als „Wissenschaftlicher Klub" des damaligen Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr (IfW Kiel) gegründet, d.h. mehr als sechseinhalb Jahre nach dem Institut. Angestrebt wurde eine enge Verbindung von Theorie und Praxis. Der Wissenschaftliche Klub sollte ein Vortrags- und Diskussionsforum für die Dozenten der Universität Kiel, die wissenschaftlichen Mitarbeiter des IfW und die studierenden Mitglieder des Instituts sein und ihnen zur Pflege persönlicher Beziehungen Gelegenheit geben (Vorwort von Harms zum ersten Kieler Vortrag von Anfang 1921).

Ab Anfang 1921 wurde das Institut durch die vom Wissenschaftlichen Klub veranstalteten wirtschaftsbezogenen Vorträge, die sogenannten „Kieler Vorträge", sehr schnell weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Als Vortragende konnten renommierte Wissenschaftler und Wirtschaftspolitiker aus dem In- und Ausland gewonnen werden, so u.a. Sven Helander, Max Sering, Fritz Beckmann, Albert Hahn, Werner Sombart, Hans Luther und Jürgen Petersen. Im Klub wurden, nachdem sich im April 1926 die Abteilung für statistische Weltwirtschaftskunde und internationale Konjunkturforschung etabliert hatte (erster Leiter: Adolph Löwe, danach Gerhard Colm), auch Ergebnisse von Forschungsarbeiten des Instituts zur Diskussion gestellt. Um in den dreißiger und vierziger Jahren die wissenschaftliche Unabhängigkeit nicht zu gefährden, bevorzugte man bei der Auswahl der Vorträge zunehmend unverfängliche Themen, die vor allem Entwicklungstendenzen der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik im Ausland zum Gegenstand hatten. Referenten waren hier vorrangig ausländische Wirtschaftswissenschaftler. Von den gehaltenen Vorträgen sind bis Ende 1944 74 Vorträge veröffentlicht worden; die Gesamtzahl der Klubvorträge ist aber wesentlich größer gewesen.

Der Wissenschaftliche Klub war damals ein integrierter Teil des Instituts. So war der Direktor des Instituts kraft Amtes Vorsitzender des Vorstands des Klubs; d.h. bis 1933 Bernhard Harms und danach von 1934 bis 1945 Andreas Predöhl; dem Vorstand gehörten außerdem neben dem stellvertretenden Direktor und dem Justitiar des Instituts Vertreter der Universitätsdozenten und der beamteten Mitglieder des Instituts an; außerdem waren die Studenten — soweit sie am Institut assoziiert waren, im Vorstand präsent.


Räumlichkeiten

Für die vielfältigen Aktivitäten des Klubs bot das damalige Kollegienhaus des Instituts den passenden Rahmen. Anfang des Jahres 1919 hatte die Förderungsgesellschaft des IfW Kiel von der Friedrich Krupp AG für 1,25 Mio. Mark das Clubgebäude des Kaiserlichen Yachtclubs (das spätere Kollegienhaus) sowie das Logierhaus (das spätere Studienhaus) erworben. Das Kollegienhaus war fast ausschließlich den Veranstaltungen des Wissenschaftlichen Klubs vorbehalten.

Wie großzügig und feudal darin die Clubräume, insbesondere das Lesezimmer, das Flensburger Zimmer und die Kajüte ausgestattet waren, ist auf zahlreichen Photographien nachgewiesen; im Lesezimmer des Clubs gab es auch eine Handbibliothek, die immerhin 7.000 Bände umfasste.

Für die vielfältigen Veranstaltungen galt damals ein strenges Reglement. Zu nennen ist vor allem die Zugangsbeschränkung. Die „heiligen Hallen" des Klubs durften nur von Mitgliedern, den Dozenten der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und formal eingeführten Gästen betreten werden; freien Zugang hatten auch die Mitglieder des Vorstands und des Verwaltungsrates der Förderung (der Financiers).

Das weitreichende und überaus erfolgreiche Wirken des Wissenschaftlichen Klubs endete im Verlauf des Jahres 1944. Im Juli des Jahres wurde bei einem verheerenden Luftangriff das Kollegienhaus weitgehend zerstört und das Studienhaus sehr stark beschädigt. Fast alle Abteilungen des Instituts siedelten nun nach Ratzeburg über.


Der WWC nach 1945

Ein neuer Entwicklungsabschnitt begann nach Kriegsende mit der Neugründung des Clubs. Bereits 1948/49 konstituierte sich eine studentische Gruppe — nunmehr als „Wirtschaftswissenschaftlicher Club" (WWC). In Kenntnis der positiven Erfahrungen mit dem Vorkriegsclub ging es den Studenten vor allem darum, in eigener Regie Vorträge, Diskussionen und Unternehmensbesichtigungen durchzuführen, um Informationsdefizite abzubauen, Einblicke in die Wirtschaftspraxis zu gewinnen und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu fördern. Die begrüßenswerten studentischen Initiativen stießen indessen bald an Grenzen. Zunehmende Sorge bereitete die Referentenfrage, da die Mitgliedsbeiträge nicht ausreichten, angemessene Honorare und Unkostenentschädigungen zu zahlen. Auf Drängen der Studentenschaft kam es deshalb Anfang 1952 zur Gründung des umfassenden Wirtschaftswissenschaftlichen Clubs am Institut für Weltwirtschaft (nicht mehr des Instituts). Der neue Club unterschied sich in seiner Struktur deutlich von der Vorkriegsvereinigung:

  • Mitglied konnten nun auch externe Personen aus der Verwaltung und dem Wirtschaftsleben werden.
  • Der Vorstand setzte sich aus dem Institutsdirektor als Präses, einem Vertreter der wirtschaftswissenschaftlichen Ordinarien (anfangs war dies Erich Schneider), dem Leiter der Redaktionsabteilung des IfW Kiel, zwei Vertretern der studentischen Gruppe und aus einer Persönlichkeit aus dem Unternehmensbereich zusammen (Direktor Gerhard Wolf von der ELAC).
  • Der Zugang zu den Clubveranstaltungen war generell frei für Gäste, es bedurfte nicht mehr der aufwendigen Einführung wie in der Vorkriegszeit.
  • Anders als in der Vorkriegszeit existierte — bis etwa Mitte der sechziger Jahre — innerhalb des Gesamtclubs eine überaus aktive studentische Gruppe mit voller Autonomie.

Auch im neuen Club spielten Vorträge und Diskussionen eine zentrale Rolle; sie trugen ganz wesentlich zur Außenwirkung des IfW Kiel bei. Bis zum Beginn der Direktorenschaft von Erich Schneider wurde dazu allein vom Wirtschaftswissenschaftlichen Club eingeladen, obwohl die Finanzierung größtenteils aus Institutsmitteln erfolgte. Danach waren das IfW Kiel und der WWC gemeinsam Veranstalter. Zu den repräsentativen Vorträgen kamen herausragende Wirtschaftswissenschaftler, Wirtschaftspolitiker und Wirtschaftspraktiker an die Förde, um neuere Erkenntnisse zur Diskussion zu stellen und wirtschaftspolitische Vorschläge darzulegen. Hinzuweisen ist hier u.a. auf die Vorträge von Josef Abs, Karl Schiller, Fritz Neumark, Gunnar Myrdal und Herbert Giersch. Den Vorträgen schlossen sich meist eingehende Diskussionen im Haus Welt-Club an.

Die vom Kiel Institut dem Wirtschaftswissenschaftlichen Club bis Anfang der sechziger Jahre zur Verfügung gestellten Räume nahmen sich — verglichen mit dem was einmal war — relativ bescheiden aus. Es handelte sich um zwei Räume im Erdgeschoß des Instituts, die aber immerhin mit clubeigenem Mobiliar ausgestattet waren. Dieses stammte aus einer großzügigen Schenkung von Theodor Sehmer in den fünfziger Jahren. Sehmer war einer der ersten Doktoranden von Bernhard Harms und wurde im Januar 1953 zum Ehrenpräses des Clubs ernannt. Neben ihm wurde noch Andreas Predöhl diese Ehrung zuteil (Februar 1954).

Etwa ab Mitte der sechziger Jahre schloss sich an die Nachkriegsperiode mit überaus umfangreichen und vielfältigen Aktivitäten des Clubs ein Zeitraum an, der durch relativ wenige eigenständige Clubveranstaltungen geprägt war. Nach der Auflösung der studentischen Gruppe (etwa Mitte der sechziger Jahre), die in ihrer besten Zeit (etwa Mitte der fünfziger Jahre) rund 150 Mitglieder hatte (ergänzend 225 andere Mitglieder), ging die Zahl der Clubmitglieder tendenziell stark zurück.

Der WWC Heute

Die heute etwa 130 Mitglieder des Wirtschaftswissenschaftlichen Clubs sind Beschäftigte und ehemalige Beschäftigte des Instituts für Weltwirtschaft und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Studierende der Wirtschaftswissenschaften sowie Personen aus der Wirtschaftspraxis. Nach wie vor bietet der Wirtschaftswissenschaftliche Club regelmäßig Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen wirtschaftlichen Themen für die interessierte Öffentlichkeit an. Die Verknüpfung von Wirtschaftswissenschaft und -praxis steht noch heute an erster Stelle.

* Verkürzte Fassung eines Vortrags von Dr. Martin Hoffmeyer, gehalten anläßlich der Feier zum 75-jährigen Bestehen des Wirtschaftswissenschaftlichen Clubs am 10. November 1995.