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Innovation schafft Jobs – aber nicht für alle

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„Innovation schafft mehr und bessere Arbeitsplätze, als sie ersetzt. Die Vorteile werden jedoch nicht gleichmäßig verteilt“, sagt Farid Toubal, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paris Dauphine und Mitautor der Studie „Knowledge, Jobs, and Unemployment in Regions“.  „Die größten Zugewinne finden im Verarbeitenden Gewerbe sowie bei MINT-Fachkräften und hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern statt – was bestehende Ungleichheiten verschärfen kann. Aus Sicht der europäischen Kohäsionspolitik ist es daher entscheidend, Innovation nicht nur zu fördern, sondern sie auch durch Bildungs- und Umverteilungsmaßnahmen gezielt zu flankieren.“

Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Innovation und Beschäftigung in 272 europäischen Regionen im Zeitraum von 2011 bis 2021 anhand umfassender Patentdaten. Sie geht über eine reine Zählung von Patenten hinaus, indem sie auch Zitiermuster und die Konzentration von Innovationsaktivitäten berücksichtigt. So entsteht ein differenziertes Bild regionaler Innovationsdynamiken. Besonders hohes Wachstum zeigen technologische Teilbereiche wie Nanotechnologie, Elektromaschinen, Oberflächentechnik und digitale Kommunikation.

Eine interaktive Karte steht auf der Website von RETHINK-GSC zur Verfügung.

Zudem zeigen die Ergebnisse: Eine höhere Innovationsqualität – gemessen daran, wie oft das Patent in anderen Patenten zitiert wird – führt zwar zu deutlich mehr Beschäftigung. Den größten Beschäftigungseffekt erzielt jedoch eine breite Verteilung der Innovationsaktivitäten über mehrere technologische Felder hinweg. Regionen, in denen sich Forschung und Entwicklung auf wenige Bereiche konzentrieren, verzeichnen trotz hoher Innovationsintensität ein vergleichsweise schwächeres Beschäftigungswachstum.

Die Studie knüpft damit an die breitere Debatte darüber an, ob Innovationen zu einem potenziellen Verlust von Arbeitsplätzen führen. Diese Frage wird in der Öffentlichkeit häufig diskutiert, da Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von Automatisierung und künstlicher Intelligenz (KI) auf die Beschäftigung bestehen. Die Studie zeigt jedoch, dass Innovationen die Produktivität der Unternehmen steigern, die Nachfrage nach Arbeitskräften ankurbeln und letztlich das Beschäftigungswachstum fördern.

„Innovation ist für das Wachstum in Europa von entscheidender Bedeutung. Aber nicht jeder wird davon profitieren – und Bildung ist wichtig. Hier müssen die politischen Entscheidungsträger eingreifen, um sicherzustellen, dass Menschen und Regionen nicht auf der Strecke bleiben. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas erfordert die Förderung vielfältiger Forschung und Entwicklung auf dem gesamten Kontinent, die Beseitigung struktureller Ungleichheiten in peripheren und kleineren Ländern sowie die Vertiefung der Integration in globale Wissensnetzwerke“, sagt Holger Görg, Projektleiter von RETHINK-GSC und Leiter der Forschungsgruppe „Internationaler Handel und Investitionen“ am Kiel Institut für Weltwirtschaft. „Die Abstimmung dieser Bemühungen mit Bildungs- und Umverteilungsmaßnahmen kann dazu beitragen, dass die Vorteile des technologischen Fortschritts gerechter verteilt werden – was letztlich sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch den Zusammenhalt Europas fördert.“

Über RETHINK-GSC

Das Projekt „Rethinking Global Supply Chains: Measurement, Impact and Policy“ (RETHINK-GSC) erfasst die Auswirkungen von Wissensflüssen und Dienstleistungsinputs in globalen Supply Chains (GSC). Forscher aus 11 Instituten bringen ihr breites Fachwissen in einem multidisziplinären Ansatz ein, entwickeln neue Methoden und nutzen innovative Techniken, um die zunehmende Bedeutung immaterieller Güter in globalen Lieferketten zu analysieren, zu messen und zu quantifizieren und neue Einblicke in aktuelle und erwartete Veränderungen in globalen Produktionsprozessen zu gewinnen.