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Herbstprognose des IfW für Deutschland, Euroraum und die Welt bis 2017: Deutschlands Konjunktur trotzt weltwirtschaftlicher Unruhe
Die Konjunkturforscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) halten auch angesichts weltwirtschaftlicher Turbulenzen ihre Wachstumsprognosen für Deutschland aufrecht. Erstmals reicht die Prognose über 3 Jahre, umfasst also in diesem Fall auch das Jahr 2017. „Die Konjunktur in Deutschland hält trotz eines unruhigen weltwirtschaftlichen Umfelds Kurs“, sagt Prof. Stefan Kooths, Leiter des IfW-Prognosezentrums anlässlich der Veröffentlichung der IfW-Herbstprognose. „Die Weltkonjunktur wird durch die Schwäche Chinas und der Schwellenländer etwas gedämpft. Sollte es zu einem Einbruch der chinesischen Wirtschaft kommen, hätte dies spürbare negative Auswirkungen auf das Wachstum in Deutschland und weltweit.“ Dieser Punkt sei aber noch nicht erreicht.
Für Deutschland rechnen die Forscher für das laufende und das kommende Jahr unverändert mit Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts von 1,8 und 2,1 Prozent. Im Jahr 2017 dürfte sich das Expansionstempo nicht zuletzt aufgrund der anhaltend anregenden monetären Rahmenbedingungen und der günstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt sogar noch einmal leicht auf 2,3 Prozent beschleunigen. Damit wird der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts das Potenzialwachstum spürbar übersteigen, so dass sich Deutschland auf dem Weg in die Hochkonjunktur befindet. Die Exporte dürften trotz des schwierigen internationalen Umfelds im Prognosezeitraum kräftig expandieren, zumal im kommenden Jahr voraussichtlich auch die Weltwirtschaft wieder etwas an Schwung gewinnen wird.
Der private Konsum dürfte weiter kräftig wachsen, da die Einkommen der privaten Haushalte sich wohl weiter spürbar erhöhen werden. Maßgeblich dafür ist der Anstieg von Beschäftigung und Löhnen, auch wenn der Arbeitsmarkt seit Jahresbeginn etwas an Schwung verloren hat. Die Arbeitslosenquote (in der Abgrenzung der Bundesagentur für Arbeit) dürfte auf neue Tiefststände von 6,4 Prozent (2015), 6,2 Prozent (2016) und 5,6 Prozent (2017) sinken. Hinzu kommen weiter anziehende öffentliche Sozialleistungen und der Kaufkraftgewinn durch niedrige Ölpreise.
Aufgrund der zusehends angespannten Produktionskapazitäten und des allgemein günstigen Umfelds für Bauvorhaben dürfte der Investitionsaufschwung mehr und mehr Tritt fassen. Mit der hohen konjunkturellen Dynamik werden auch die Verbraucherpreise nach dem Auslaufen der dämpfenden Effekte des Ölpreisverfalls rasch wieder anziehen. Die außenwirtschaftlichen Risiken haben sich zuletzt regional verschoben und bestehen derzeit vor allem in einer „harten Landung“ der chinesischen Wirtschaft. „Aber auch die ultra-expansive Geldpolitik in den großen Währungsräumen sorgt für ein weiterhin fragiles finanzwirtschaftliches Umfeld, das nicht zuletzt die Gefahr von Abwertungswettläufen birgt“, so Kooths.
Die binnenwirtschaftlichen Risiken dürften sich zusehends erhöhen, da auf dem Weg in die Hochkonjunktur die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass es zu Übertreibungen kommt und sich das Rückschlagpotenzial für die deutsche Wirtschaft erhöht. Kooths: „Der stark zugenommene Zuzug von Flüchtlingen bietet dagegen erhebliche Chancen für die Entwicklung Deutschlands“.
Schwäche in den Schwellenländern und China bremst Weltkonjunktur
Die weltwirtschaftliche Dynamik bleibt vorerst mäßig. Dabei verlagern sich die Auftriebskräfte weiter von den Schwellenländern zu den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Die Zunahme der Weltproduktion gerechnet auf Basis von Kaufkraftparitäten wird in diesem Jahr mit einer Rate von 3,3 Prozent noch etwas geringer ausfallen als in den vergangenen beiden Jahren. Im kommenden Jahr dürfte sie sich auf 3,7 Prozent verstärken und für 2017 in ähnlicher Größenordnung zulegen. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften nimmt die konjunkturelle Dynamik sukzessive zu. In den Vereinigten Staaten dürfte das Bruttoinlandsprodukt 2016 und 2017 um jeweils 3 Prozent zulegen, nach 2,5 Prozent in diesem Jahr. „Wir rechnen mit einer ersten Zinserhöhung in den USA erst für den Winter, wenn sich die Lage der Weltkonjunktur stabilisiert hat“, so Dr. Klaus-Jürgen Gern, Experte für internationale Konjunktur.
Die Zuwächse des Bruttoinlandsprodukts in China gehen weiter allmählich zurück, von 6,6 Prozent in diesem Jahr auf 6,3 Prozent 2016 und 6,0 Prozent 2017. „Die für die Prognose verwendeten offiziellen Zahlen zeichnen die Realität dabei möglicherweise schöner, als sie ist. Das Risiko einer ‚harten Landung‘ der chinesischen Wirtschaft ist nach unserer Einschätzung deutlich gestiegen“, so Gern. Berechnungen des IfW zeigen, dass ein solcher Konjunktureinbruch Chinas die Weltwirtschaft empfindlich bremsen würde. Ein um 3 Prozentpunkte niedrigerer Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in China würde demnach den Anstieg der Weltproduktion um rund 1 Prozentpunkt verringern. Die Weltwirtschaft fiele damit in eine „Wachstumsrezession“ (Anstieg der Weltproduktion um weniger als 3 Prozent). Die globale Produktion außerhalb Chinas würde um etwa 0,5 Prozentpunkte reduziert.
Moderate Erholung im Euroraum setzt sich fort
Die nach wie vor moderate Erholung im Euroraum setzt sich in der zweiten Jahreshälfte fort. Die Ökonomen des IfW erwarten eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,5 Prozent im laufenden Jahr. 2016 und 2017 dürfte sich die Expansion mit Raten von 1,7 Prozent und 2,0 Prozent noch etwas erhöhen. Der Aufschwung dürfte dabei an Breite gewinnen und zunehmend von der Binnenwirtschaft getragen werden, auch wenn von der Europäischen Investitionsinitiative („Juncker-Plan“) kaum nennenswerte Impulse ausgehen dürften. Die Konjunktur wird durch niedrige Zinsen und Ölpreise unterstützt, aber auch von dem nach wie vor vergleichsweise geringen Außenwert des Euro. Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich weiter verbessern, die Erwerbslosenquote sukzessive auf 9,9 Prozent im Jahr 2017 sinken. Die Verbraucherpreisinflation ist zwar infolge der zuletzt nochmals gesunkenen Energiepreise gegenwärtig nochmals auf nahe Null gesunken. Gegen Jahresende dürfte die Inflation jedoch deutlich zulegen. Für die Jahre 2016 und 2017 rechnen die Experten mit Preissteigerungsraten von 0,9 Prozent und 1,8 Prozent.