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Bildungsgrad potenzieller Migranten mit Ziel Deutschland steigt
Als Migrationspotenzial nach Deutschland definiert die Studie des IfW Kiel und des IAW (2021 „Analyse und Prognose von Migrationsbewegungen“) die Bevölkerung der Herkunftsländer, die gerne dauerhaft in Deutschland leben würde. Trotz wachsender Weltbevölkerung bleibt die Anzahl dieser Menschen stabil, da sich in vielen für Deutschland wichtigen Herkunftsländern die Demografie verändert. So schrumpfen in Teilen Osteuropas, die wichtigste Herkunftsregion von Arbeitsmigration nach Deutschland in den vergangenen Jahren, die Erwerbsbevölkerungen. Damit geht das dortige Migrationspotenzial nach Deutschland zurück. Dagegen wird in vielen Entwicklungsländern die Zahl junger Erwachsener in den kommenden Jahren stark zunehmen.
Bisher weitgehend unbekannt: Vergleicht man die Qualifikation potenzieller Migranten nach Deutschland aus anderen EU- und Nicht-EU-Ländern, ist der Anteil der Personen mit niedriger Bildung aus Herkunftsländern in der EU deutlich höher. Gründe dafür sind der deutlich bessere Arbeitsmarktzugang in Deutschland für Niedrigqualifizierte aus anderen EU-Ländern und die größeren bestehenden Netzwerke. Da die niedriggebildete Bevölkerungsgruppe in Europa altert und weniger mobil wird und zugleich weltweit insbesondere das Migrationspotenzial von Personen mit hoher Bildung steigt, verbessert sich der Bildungsgrad des Migrationspotenzials nach Deutschland.
„Selbst in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, die oft nur als Herkunftsländer niedrigqualifizierter Zuwanderung wahrgenommen werden, wächst die Zahl mittel- und hochgebildeter Menschen deutlich stärker als die niedriggebildeter“, berichtet Tobias Heidland. „Sofern sich die Trends aus der Zeit vor der COVID-19-Pandemie wie erwartet weiterentwickeln, wird das Migrationspotenzial nach Deutschland in zehn Jahren etwa unverändert zwischen 45 bis 50 Millionen Personen liegen. Davon haben voraussichtlich 24 Millionen einen mittleren Bildungsabschluss, und die Gruppe mit einem hohen Bildungsabschluss wird sich auf 15 Millionen verdoppelt haben.“
Im Normalfall entscheidet sich der Großteil dieser potenziellen Migranten gegen einen Wegzug aus ihrem Herkunftsland. Das hohe Potenzial schlägt sich daher bisher nicht in ausreichender Fachkräftezuwanderung nieder, um die durch die Alterung der Gesellschaft entstehenden Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu füllen. Viele Migranten bleiben zudem nicht dauerhaft in Deutschland. „Die Politik sollte drei Wege nutzen, die Migration von Fachkräften und von Bildungsmigranten nach Deutschland besser zu gestalten:
- Menschen, die bisher andere Zielländer vorziehen, von der Attraktivität Deutschlands überzeugen und verhindern, dass Talente lieber in andere Zielländer gehen.
- Einen höheren Anteil der potenziellen Migranten nach Deutschland zur Einwanderung in Arbeits- und Bildungssektor bewegen.
- Die Bedingungen so verbessern, dass mehr Menschen auch langfristig in Deutschland arbeiten.“
Eine vielversprechende Möglichkeit wäre, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu überarbeiten. Dessen unnötig restriktive Vorgaben hinsichtlich anerkannter Qualifikation, Sprachkenntnisse und notwendiger finanzieller Rücklagen könnten gelockert werden. Auch Kanada kann als Vorbild dienen. Dort erhalten Menschen mit guten Integrationschancen einen Vertrauensvorschuss und können einwandern, auch wenn sie noch kein konkretes Jobangebot haben.
Weitergehende Informationen:
Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) gemeinsam mit dem Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen erarbeitet.