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Analyse zu Trumpismus: Europa muss strategische Großmacht werden – Abwarten keine Option
Laut Report liegt die Unberechenbarkeit Trumps nicht allein an seiner Persönlichkeit, sondern ist strukturell bedingt. Der sogenannte Trumpismus sei keine konsistente Ideologie, sondern ein instabiles Machtbündnis verschiedenster Strömungen – von christlichem Nationalismus über Großmachtchauvinismus bis hin zu technokratischem Oligarchendenken. Diese Koalition bleibe nur durch autoritäre Führungsloyalität und Feindbildmobilisierung zusammen – und produziert damit zwangsläufig erratische Politik.
Jetzt Report lesen: Quo vadis, USA?
Ökonomisch drohen massive Verwerfungen. Trumps protektionistische Agenda sei ineffizient und teils bewusst destruktiv angelegt. Besonders gravierend: Die fahrlässige Zoll- und Schuldenpolitik gefährde die weltweite Rolle des US-Dollars als Reservewährung. Die Welt benötige momentan aber den Kapitalmarkt der USA, während die USA sich damit einen hohen Konsum finanzieren können. Ein Rückzug globaler Kapitalströme aus den USA würde daher nicht nur der amerikanischen Wirtschaft schaden, sondern auch das internationale Finanzsystem destabilisieren. Erste Anzeichen für einen solchen Vertrauensverlust seien bereits sichtbar.
„Trumps Zolldrohungen gegen die EU, aber auch sein „One Big Beautiful Bill“ sind nur die jüngsten Beispiele einer disruptiven Politik. OBBB bedeutet einen völlig falschen fiskalischen Stimulus und verheerende Verteilungswirkungen. Die richtige Reaktion Deutschlands und vor allem Europas auf diese Erratik und Unsicherheit ist gerade kein Attentismus, sondern ein proaktives Umgehen damit“, sagt Rüdiger Bachmann, Autor des Reports. Europa müsse unter den Bedingungen einer großmachtpolitisch geprägten Welt selbst zu einer strategischen Großmacht werden – militärisch, ökonomisch und kulturell. Andernfalls drohe der politische Bedeutungsverlust in einer zunehmend multipolaren Welt.
Während bei der militärischen Stärkung erste Schritte erkennbar seien, fehle es an einer ambitionierten Innovations- und Wachstumspolitik. Besonders kritisch sind laut Kiel Report die Rückschritte Europas bei Bildung und kulturellem Einfluss: Statt globale Talente anzuziehen, dominierten Abschottungstendenzen und provinzielles Denken – etwa in der deutschen Hochschul- und Steuerpolitik.
Die Analyse zeichnet ein besorgniserregendes Bild der transatlantischen Zukunft: Die USA unter Trumps zweiter Präsidentschaft würden multilaterale Institutionen weiter schwächen, Europa nicht mehr als Partner, sondern als Rivalen betrachten. Ein nostalgischer Transatlantizismus sei deshalb keine tragfähige Option mehr.
„Ein Europa, das aus vielen Schweizen besteht, ist nicht überlebensfähig“, sagt Bachmann mit Blick auf Europas Zersplitterung. Nur eine geeinte, gestaltungsfähige europäische Großmacht könne dem globalen Machtvakuum etwas entgegensetzen. Die politische Existenz Europas stehe auf dem Spiel.