Preisträger WWP 2015

Michail Sergejewitsch Gorbatschow

Michail Sergejewitsch Gorbatschow, geboren am 2. März 1931 in Priwolnoje (Nordkaukasus, Russland) ist ein ehemaliger Politiker der UdSSR und war von 1990–1991 deren Staatspräsident. Mit seiner Politik der Transparenz (Glasnost) und der Umgestaltung (Perestroika) beendete er den Kalten Krieg und ermöglichte die deutsche Wiedervereinigung. Seine Reformen zur Demokratisierung der UdSSR führten schließlich zu deren Zusammenbruch und zur Gründung zahlreicher unabhängiger Nachfolgestaaten. Außerhalb Russlands wird er für seine Verdienste hoch geschätzt und erhielt 1990 den Friedensnobelpreis.

Nach seinem mit Auszeichnung bestandenen Abschluss der Grund- und Mittelschule und seinem Beitritt zum sowjetischen Jugendverband Komsomol arbeitet der Sohn einer Bauernfamilie ab 1944 in der Maschinen-Traktoren-Station einer Kolchose. 1950 beginnt Michail Gorbatschow mit dem Studium der Rechtswissenschaften in Moskau, zwei Jahre später tritt er in die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) ein. Ein weiteres Jahr später, 1953, heiratet er die Soziologiestudentin Raissa Maximowa Titorenko. Aus der Ehe geht eine Tochter hervor.

Nach Abschluss seines Studiums 1955 übernimmt Gorbatschow erste politische Ämter auf städtischer und regionaler Ebene in Stawropol. Parallel studiert Gorbatschow Agrar-ingenieurwesen und erhält 1967 am Agrar-Institut in Stawropol sein Diplom mit Auszeichnung. Mit innovativen Ideen, die zu signifikanten Ertragssteigerungen führen, erwirbt er sich den Ruf eines Agrar-Experten.

Ab den 1970er Jahren beginnt sein politischer Aufstieg. Mit Jurij Andropow, ehemaliger Chef des sowjetischen Geheimdienstes (KGB) und Generalsekretär der KPdSU, als Mentor, klettert er die politische Leiter nach oben. Er wird Mitglied des Obersten Sowjet (in dieser Funktion später Leiter der Jugendkommission und Leiter der Gesetzgebungskommission), Mitglied des Zentralkommitees der KPdSU, Sekretär für Landwirtschaft, 1979 Kandidat und 1980 schließlich Vollmitglied des Politbüros der KPdSU. Damit gehört er zu den mächtigsten Männern der Sowjetunion, zumal er im Krankheitsfall in vielen Bereichen die Vertretung von Staatschef Andropow übernimmt. Auch Reisen in den Westen zählen zu seinen Aufgaben, was seine politischen und sozialen Ansichten stark beeinflusst. Bereits 1975 besucht er mit einer Delegation die Bundesrepublik, 1983 Kanada und 1984 Großbritannien. Premierministerin Margaret Thatcher erkannte Gorbatschows wohlwollenden Absichten als eine der ersten und sagte später in einem BBC-Interview über das Treffen, sie möge Gorbatschow und würde gerne mit ihm Geschäfte machen, was insbesondere als positives Signal an die USA und deren Präsident Ronald Reagan gewertet wurde.

1984 stirbt Jurij Andropow. Zunächst folgt der ebenfalls alte und kranke Konstantin Tschernenko als Generalsekretär, er stirbt nur ein Jahr später. Am 11. März 1985 wird der 54-jährige Gorbatschow der zweitjüngste Generalsekretär der KPdSU. Sein Ziel ist es, den Sozialismus für die Zukunft zu reformieren und die internationale Position der UdSSR durch eine Versöhnung mit dem Westen zu stärken. Innenpolitisch setzt er sich für eine bessere Arbeitsqualität in Industrie, Landwirtschaft und Verwaltung ein und bekämpft Korruption sowie Alkoholismus. Ein grundlegender Umbau der Gesellschaft, eine Perestrojka, soll zu wirtschaftlichem Aufschwung führen. Er fördert Eigeninitiative der Werktätigen und führt marktwirtschaftliche Elemente ein. Durch Glasnost, die Öffnung der Gesellschaft, soll eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und eine offene Diskussion über gegenwärtige Probleme erreicht werden.

Außenpolitisch setzt sich Gorbatschow für Abrüstung ein und unternimmt vor allem gegenüber den USA zahlreiche Vorstöße in diese Richtung. Er will international in Atomfragen zusammenarbeiten, ruft zum Abbau aller Atomwaffen auf und zieht die russischen Truppen aus Afghanistan ab. Als historischer Durchbruch und formales Ende des Kalten Krieges wird die 1987 von Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichnete „Nulllösung“ international gefeiert – die Beseitigung aller Mittelstreckenraketen in beiden Ländern.

1988 wird Gorbatschow Staatsoberhaupt der UdSSR. Er gesteht den Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes, zu denen auch die DDR zählte, das Recht auf eigene Entwicklung zu und hebt so die „Breschnew-Doktrin“ auf. Die neue Freiheit führt 1989 zu einer Reihe überwiegend friedlicher Revolutionen in Osteuropa. Auch in der DDR demonstrieren die Menschen für Freiheit und Unabhängigkeit. Gorbatschow lässt sie gewähren, verzichtet auf den Einsatz dort stationierter sowjetischer Truppen und ermöglicht so die die deutsch-deutsche Einheit. In einem Treffen mit Bundeskanzler Helmut Kohl 1990 gesteht Gorbatschow einem vereinten Deutschland die volle Souveränität und die freie Wahl der Bündniszugehörigkeit zu. Im selben Jahr wird er von seiner Partei zum ersten Staatspräsidenten der UdSSR gewählt.
Die von Gorbatschow durchgeführten Reformen führen schließlich zum Zusammenbruch der UdSSR, ohne dass dies je von ihm beabsichtigt gewesen wäre. Zum 21. Dezember 1991 vereinbaren er und der russische Präsident Boris Jelzin die Auflösung der UdSSR.

1992 gründet er die Gorbatschow-Stiftung für Sozialwirtschaftliche und Politologische Forschung mit dem Ziel der Völkerverständigung und der Förderung des Friedens in der Welt.