Perspektiven der Asyl- und Migrationspolitik in einer Zeit geopolitischer Krisen
Geopolitische Konflikte – insbesondere der Krieg in der Ukraine – und andere akute Herausforderungen wie die COVID-19-Pandemie bestimmen zunehmend die Migrationspolitik in der EU und ihren Mitgliedsstaaten.
Deutschland ist in Europa eines der Hauptzielländer der Schutzsuchenden und andere Migrierender und steht vor besonderen Herausforderungen: die Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen in Deutschland und in der EU effektiv zu gestalten; die Integration der Zugewanderten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zügig zu ermöglichen; sowie die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern rund um Migration zu vertiefen.
Gleichzeitig sind die Bestrebungen der Europäischen Kommission, die EU-Asyl- und Migrationspolitik grundlegend zu reformieren, in den Hintergrund getreten. Die strukturellen Probleme, die die EU seit Jahren plagen – vor allem tiefliegende Meinungsverschiedenheiten der Mitgliedstaaten in Fragen der Verantwortungsteilung und unzureichende Umsetzung bestehender Politiken, bleiben zentrale Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund greifen wir Themen auf aus unserem aktuellen MEDAM-Jahresbericht „Refugee protection in the EU: Building resilience to geopolitical conflict“ und diskutieren die Perspektiven der Asyl- und Migrationspolitik mit Vertreterinnen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft:
Mit der Aufnahme von über 4 Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine bewältigt die EU bisher die größte Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem 2. Weltkrieg recht erfolgreich. Können die Geschlossenheit und Innovationsbereitschaft der EU (Anwendung der Temporary Protection Directive) den Weg weisen für den Umgang mit künftigen Migrationsbewegungen?
Als Reaktion auf irreguläre Grenzübertritte, die von Nachbarstaaten wie Belarus und der Türkei aktiv gefördert wurde, hat die EU-Kommission die zeitweilige Aussetzung von EU-Asylregeln in den Blick genommen. Wie kann ein künftiges EU-Asylsystem nachhaltig funktional gestaltet werden und gleichzeitig grundlegende humanitäre Standards gewährleisten?
- Wo steht in dieser Gemengelage Deutschland mit seinem zunehmenden Fachkräftemangel, den fortbestehenden Herausforderungen bei der Arbeitsmarktintegration bereits in Deutschland lebender Geflüchteter und dem Bestreben nach einer aktiven Einwanderungspolitik für Fachkräfte?
08:15-09:00 Willkommenskaffee und Registrierungen
09:00-09:45 Keynote und Q&A
09:45–11:00 Paradigmenwechsel in der deutschen Zuwanderungspolitik: Vorrang für die Arbeitsmarktintegration?
11:00–11:15 Kaffeepause
11:15–12:30 Flüchtlingsschutz in der EU: Wege zu mehr Resilienz
12:30–13:30 Ende und Empfang
Ausgehend von den Themen, die den Vormittag über behandelt werden, wird Luise Amtsberg, die Veranstaltung mit ersten Überlegungen zur aktuellen Asyl- und Migrationspolitik eröffnen.
Keynote:
- Luise Amtsberg, Mitglied des Deutschen Bundestages und Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt
09:45–11:00
Paradigmenwechsel in der deutschen Zuwanderungspolitik: Vorrang für die Arbeitsmarktintegration?
Die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter ist Kernelement eines nachhaltigen Flüchtlingsschutzes. Gleichzeitig führt der demografische Wandel in Deutschland und Europa zu einem wachsenden Fachkräftemangel. Die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter wird nicht nur durch ein vielfach niedriges Bildungsniveau und fehlende formale berufliche Qualifikation erschwert. Viele Geflüchtete, die am Ende langfristig in Deutschland leben, sind bisher wegen ihres unsicheren Aufenthaltsstatus beim Zugang zu Sprachkursen und zum Arbeitsmarkt eingeschränkt.
Können ein freierer Zugang zu Integration und Arbeitsmarkt einschließlich der Möglichkeit eines Spurwechsels vom Asylsystem zur Arbeitsmigration den Fachkräftemangel verringern? Welche Folgen hat eine solche Öffnung für die Funktionsfähigkeit des Asylsystems und welche Rückwirkungen gibt es zu regulärer Zuwanderung in den Arbeitsmarkt? Und wie beeinflussen schließlich die Wahrnehmung und öffentliche Darstellung von Migration die Integrationschancen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt?
Sprecherin und Sprecher:
- Tobias Heidland, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Leiter des Forschungszentrums "Internationale Entwicklung" im Kiel Institut für Weltwirtschaft
- Tetyana Panchenko, Fachreferentin, ifo-Institut
- Ulrich Weinbrenner, Leiter der Abteilung Migration, Flüchtlinge, Rückkehrpolitik im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI)
11:15–12:30
Flüchtlingsschutz in der EU: Wege zu mehr Resilienz
Seit Jahren stagnieren die Bemühungen, das europäische Asylsystem zu reformieren und es resilienter für zukünftige Herausforderungen etwa durch unvorhergesehene Migrationsbewegungen zu machen. Zwar gibt es Einigkeit über einzelne Elemente des Kommissionsvorschlags für einen Neuen Pakt für Migration und Asyl wie etwa über den Ausbau der EU-Asylagentur. Trotzdem nehmen Abschottung und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen zu.
Welche strukturellen Neuerungen würden eine Reform voranbringen: Zentrale Steuerung und Finanzierung des EU-Asylsystems durch das EU-Budget? Ein europäisches Grundeinkommen, das ähnliche Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge in den EU-Mitgliedstaaten gewährleistet? Eine verlässliche Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern beim Management von Migrationsbewegungen und Schutz von Flüchtlingen?
Sprecher:
- Manuel Bewarder, Journalist, WDR Investigativ und NDR Recherche
- John Dalhuisen, Senior Fellow, Europäische Stabilitätsinitiative (ESI)
- Matthias Lücke, MEDAM-Projektleiter, Senior Researcher am Kiel Institut für Weltwirtschaft und Honorarprofessor an der Universität Kiel
- Marie Walter-Franke, Research Fellow Migrationsmanagement, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)