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Sanktionen: Koordiniertes Vorgehen steigert Kosten für Zielland und senkt eigene Lasten

Sanctions

Die Forscherinnen und Forscher haben in einer Modellsimulation untersucht, wie die Sanktionen gegen Russland im Jahr 2014 und Iran im Jahr 2012 den Wohlstand in den beiden Ländern und in den sanktionierenden Ländern verändert haben. Das Modell berücksichtigt dafür die Merkmale der globalisierten Wirtschaft, wie zum Beispiel internationale Lieferketten, und den Umfang der Handelsbeziehungen zwischen praktisch allen Ländern der Welt. Das Jahr vor der Verhängung der jeweiligen Sanktionen ist der Vergleichszeitraum für die Berechnungen.

Die Simulation kommt zum Ergebnis, dass die Sanktionen spürbar gewirkt haben: Russische Exporte fielen in der Folge dauerhaft um 36 Prozent und die Importe um über 30 Prozent niedriger aus, als es vor den Sanktionen der Fall war. Das führt zu einem Wohlstandsverlust von 1,5 Prozent oder von 10 Prozent der Handelsgewinne des Landes. Für den Iran fiel das Minus mit 41 Prozent der Exporte und 83 Prozent der Importe noch deutlicher aus. Das Land erlitt einen dauerhaften Wohlstandsverlust von 1,7 Prozent oder von 12 Prozent der Handelsgewinne. Die Wirkung der Sanktionen trat ein, obwohl es keine geschlossene, weltweite Koalition für die Sanktionen gab.

Auch kleinere Koalitionen zeigen Wirkung

Die Studie vergleicht die eingetretenen Effekte mit jenen, die eine hypothetische globale Koalition mit den gleichen Sanktionen hätte erreichen können. Ergebnis ist, dass auch die kleinere Gruppe sanktionierender Länder sowohl im Falle Russlands als auch Irans rund 60 Prozent des Effekts erzielen konnte, den eine globale Sanktionskoalition hätte erreichen können. „Selbst wenn in einer globalen Koalition wichtige Länder fehlen, können gemeinsam verhängte Sanktionen das betroffene Land erheblich schwächen“, sagt Julian Hinz, Mitglied im Forschungszentrum Handelspolitik des IfW Kiel und einer der Autoren der Studie.

Die Simulationen zeigen auch, welche weiteren Länder besonders wirksam zu den Sanktionen hätten beitragen können, wären sie der Koalition beigetreten: Im Fall Russlands wären das insbesondere China, Vietnam, Belarus, die Türkei und Südkorea. Hätten sie sich an den Sanktionen beteiligt, wäre der wirtschaftliche Schaden für Russland besonders stark gewachsen. Die Iran-Sanktionen hätten ebenfalls vor allem durch eine Beteiligung Chinas und auch der Vereinigten Arabischen Emirate, Indiens, Singapurs und Brasiliens deutlich an Durchschlagskraft gewonnen. China hat in beiden Fällen eine herausgehobene Rolle. Das Land stellt sich bei Sanktionen gegen den Iran und Russland als neutral dar. Seine Teilnahme an den Sanktionen hätte die Kosten für den Iran und Russland deutlich in die Höhe treiben können, wobei China selbst kaum Wohlstandseinbußen zu verkraften gehabt hätte. „Große, sich entwickelnde Länder wie China, Indien, Brasilien und Vietnam sind wichtige Alliierte, will man die Kosten von Sanktionen für den Iran und Russland nach oben treiben“, sagt Hinz.

Wer die Sanktionslasten trägt

Mit Hilfe der Simulation lässt sich auch untersuchen, welche der sanktionierenden Länder jeweils die höchsten Lasten in Form eigener Wohlstandverluste tragen. Insgesamt sind die Kosten der Russland-Sanktionen deutlich höher als die der Iran-Sanktionen. Im Fall Russland tragen gemessen an ihren Wohlstandsverlusten insbesondere kleinere Länder wie Lettland, Litauen und Estland hohe Kosten, aber auch die Ukraine. Absolut gesehen sind die Lasten für Deutschland, Polen und die Ukraine am höchsten. Die niedrigsten Kosten absolut gesehen tragen die USA, Großbritannien, Japan, Kanada und Australien. „Diese Sanktionskosten könnten auch als Äquivalent zu den NATO-Ausgaben betrachtet werden. Ein Ausgleichsmechanismus zwischen Ländern mit niedrigen und hohen Kosten durch die Sanktionen könnte Sanktionskoalitionen dauerhafter und widerstandsfähiger machen“, sagt Hinz.

„Unsere Simulationen zeigen deutlich, dass in Koalitionen verhängte Sanktionen die Kosten für die betroffenen Länder deutlich erhöhen. Gleichzeitig senkt das gemeinsame Vorgehen die Lasten für einzelne sanktionierende Länder. Koalitionen sind also bilateralen Sanktionen vorzuziehen. Auch mit Blick auf die in diesem Jahr gegen Russland verhängten Sanktionen ist relevant, dass erhebliche Wohlstandsverluste beim sanktionierten Land auch dann eintreten, wenn nicht alle weltweit wirtschaftlich bedeutenden Länder mitziehen“, sagt Hinz.