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Grippewelle: Drastische Folgen für Gesundheit und Wirtschaftsleistung zu befürchten

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird übergeben

„Die aktuelle Grippewelle ist früher ausgebrochen, und es stecken sich deutlich mehr Menschen an, verglichen mit den letzten schweren Erkältungswellen. Entsprechend zeichnet sich ein deutlich höherer Schaden für die deutsche Wertschöpfung ab als in der Vergangenheit“, so Michael Stolpe, Gesundheitsökonom am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) in einer aktuellen Kostenschätzung („Mögliche volkswirtschaftliche Kosten einer potentiell schweren Grippewelle und anderer Atemwegserkrankungen in der Saison 2022/23 in Deutschland“).

Demnach rollt die Erkältungswelle bereits seit November mit einer ungewöhnlich hohen Zahl an Neuinfektionen, die pro Woche um etwa 50 Prozent höher liegen als zur gleichen Zeit während der letzten schweren Grippewelle 2017/18.  Diese brach erst in der letzten Kalenderwoche 2017 aus, die Grippesaison 2018/19 begann sogar erst Anfang 2019.

Unter der pessimistischen Annahme, dass der Verlauf der Neuinfektionen bis in die zweite Aprilhälfte 2023 auf diesem rund 50 Prozent höherem Niveau bleibt, sind in der Grippesaison 2022/23 insgesamt bis zu 650.000 Krankheitsfälle zu befürchten – fast doppelt so viele wie in der schweren Grippesaison 2017/18. Seither ist außerdem die Anzahl an Krankentagen im Falle einer Infektion von durchschnittlich 6,5 im Jahr 2017 und 6,7 im Jahr 2018 auf 7,6 im Jahr 2021 gestiegen.

Kurve der Ansteckung verflachen: Maske, Impung, Homeoffice

In der Folge könnten der deutschen Volkswirtschaft alleine durch Produktivitätsverluste am Arbeitsplatz ein Schaden von mehr als 40 Mrd. Euro entstehen, über 1,2 Prozent der Wertschöpfung. 2017/2018 lag der durch Arbeitsausfall verursachte Rückgang bei etwas mehr als 21 Mrd. Euro, ca. 0,7 Prozent.

„Eine schwere Grippewelle kann durchaus länger dauern als eine gewöhnliche, auch wenn die Prognose des Verlaufs natürlich mit hoher Unsicherheit behaftet ist. Um die volkswirtschaftlichen Kosten zu senken, insbesondere die Arbeitsausfälle und die Belastungen des Gesundheitssystems, empfiehlt es sich, die Kurve der Ansteckungen zu verflachen – etwa durch das Tragen von Masken, durch Grippeimpfungen und Arbeit im Homeoffice“, so Stolpe.

Seiner Einschätzung nach kommt eine Aufhebung der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr, wie sie etwa Schleswig-Holstein zum Jahresende beschlossen hat, zu früh. "Andere Bundesländer sollten diesen Fehler nicht nachmachen, sondern mit der Abschaffung der Maskenpflicht bis zum Ende des Winters oder dem Beginn des Frühjahrs warten.“

Belastunsgrenze im Gesundheitssystem und Medikamentenmangel

Die Kosten der medizinischen Behandlung dürften allerdings nicht in gleichem Maße prozentual ansteigen wie die Anzahl der Infektionen, da viele Krankenhäuser bereits jetzt die Belastungsgrenze erreicht haben und es an notwendigen Medikamenten mangelt. „Statt eines starken Anstiegs der direkten Behandlungskosten ist eher ein überproportionaler Anstieg der Todesfälle zu befürchten, weil sich die Qualität der Versorgung umso mehr verschlechtern dürfte, je länger die Engpässe im Gesundheitswesen andauern“, so Stolpe.

Der aktuelle Mangel an Medikamenten habe längerfristige Ursachen, die in dem Festpreissystem der deutschen Krankenkassen für Generika und der gesetzlichen Verpflichtung, stets nur den preisgünstigsten Anbieter ohne Berücksichtigung des Ausfallrisikos zu wählen, begründet sind, schreibt Stolpe. Der aktuelle Medikamentenmangel könne aber auch durch das abrupte Ende der Null-Covid-Politik in China verschärft worden sein, wo jetzt sehr viel mehr Medikamente gegen Atemwegserkrankungen nachgefragt werden dürften.