Statement

Entschädigung der von Sanktionen betroffenen Unternehmen sinnvoll

„Der Westen verschärft angesichts der neuen Situation erwartungsgemäß seine Sanktionen gegen Russland. Damit will er vor allem seine Glaubwürdigkeit mit Blick auf zukünftige vergleichbare Fälle wahren. Ein Einlenken Russlands als Reaktion auf die Sanktionen ist eher nicht zu erwarten.

Bislang waren die Sanktionen vor allem Nadelstiche gegen die Machtelite in Moskau, die kaum Kollateralschäden im Westen verursachen. Dies dürfte sich nun ändern. Die negativen Rückwirkungen werden ungleich verteilt sein, daher wäre es ratsam, die im Russlandgeschäft besonders exponierten Unternehmen durch einen entsprechenden Fonds zu unterstützen – idealerweise EU-weit. Das wäre nicht nur ökonomisch stimmig, weil die Kollateralschäden eines außenpolitischen Ziels der EU als Gemeinschaftsgut von allen anteilig getragen werden sollten. Es hätte auch den Vorteil, die interne Verständigung der EU-Länder auf eine gemeinsame Linie zu stützen, weil die länderweise unterschiedliche Betroffenheit dadurch tendenziell abgefangen würde. Dies käme der Konsensfindung der EU zugute und würde so im Ergebnis schärfere Sanktionen und raschere Reaktionen zulassen.

Gesamtwirtschaftlich spielt Russland praktisch nur als Rohstoffexporteur für die Europäer eine wichtige Rolle, übrige Handelsbeziehungen sind vergleichsweise unbedeutend. Stärker als vom Gas ist Russland von Ölexporten abhängig. Unklar ist aber, wie stark ein westliches Embargo die Öleinnahmen dämpfen würde. Denn einerseits gäbe es weniger Abnehmer, andererseits könnten wegen der gestiegenen Risiken die Preise in die Höhe schießen. Die Weltmarktanteile des russischen Öls können andere Lieferländer kurzfristig nicht ausgleichen. Deshalb würde ein Ölembargo Russland kurzfristig kaum wirtschaftlich in die Knie zwingen.

Aus europäischer Sicht wird die Gasversorgung erst im kommenden Winter ein ernsthafteres Thema werden. Russland hat über Jahrzehnte Vertrauen in die Liefertreue aufgebaut. Ob man dies nun verspielen soll, wird man sich in Moskau sehr genau überlegen. Um auf Seiten der Verbraucher die Abhängigkeit vom Gasmarkt zu reduzieren, bietet sich die Substitution von Gas in der Stromproduktion an, denn für das Beheizen von Wohnungen oder den Bedarf der Industrie für Prozesswärme gibt es kurzfristig kaum Alternativen. Für die Versorgung wird der Bezug von Flüssiggas (LNG) wichtiger, dies erfordert jedoch einen Ausbau der entsprechenden Anlandeterminals.

Ein Abkoppeln vom SWIFT-System würde Russland praktisch vollständig von weiten Teilen der Weltwirtschaft isolieren. Das wäre wirtschaftlich das schärfste Schwert, das wohl erst als Antwort auf eine umfassende Invasion der Ukraine durch russische Truppen zum Einsatz käme. Käme es darüber zu einem Konflikt mit der VR China, wäre eine Weltwirtschaftskrise nicht zu vermeiden.

Die Erfolgsbilanz wirtschaftlicher Sanktionen ist eher schwach. In zwei von drei Fällen wurden die damit verfolgten politischen Ziele in der Vergangenheit nicht erreicht. Einiges spricht dafür, dass es auch diesmal so sein wird. Die heute angekündigte Verschärfung der Sanktionen durch die EU-Kommission schadet der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands in der langen Frist – etwa über blockierten Zugang zu Technologie. Diese Langfristschäden nimmt man im Kreml aber offenkundig in Kauf, da diese Sanktionen dort niemanden überraschen dürften.

Solange die Energiemärkte nur angespannt bleiben, nicht aber die Handelsströme unterbrochen werden, wirken zwar die damit steigenden Preise dämpfend auf die Konjunktur im Westen. Allerdings sind dort die Auftriebskräfte nach der Corona-Krise weiterhin sehr stark. Eine während der Pandemiephase in erheblichem Umfang aufgestaute Kaufkraft stützt die Konsumnachfrage, und die Industrie ist hierzulande mit einem rekordhohen Auftragsüberhang in das Jahr gestartet. Unsicherheit ist immer Gift für die Konjunktur. Ob aber der Konflikt mit Russland so toxisch wird, dass er die Post-Corona-Erholung abwürgt, ist noch nicht abzusehen.“