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Subventionsbericht: Corona-Krise treibt Finanzhilfen, größter Posten sind erstmals Umweltsubventionen

„Die Neigung der politisch Verantwortlichen, Subventionen zu verteilen, hat im Gefolge der Corona-Krise deutlich zugenommen. Das für dieses Jahr geplante Finanzhilfevolumen ist gewaltig, es entspricht dem 1,9-Fachen des Verteidigungsetats oder dem 4,2-Fachen der Ausgaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung“, sagte Claus-Friedrich Laaser, Forscher am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), anlässlich des heute veröffentlichten Subventions-Zwischenberichts (Laaser, Rosenschon und Schrader: „Die Finanzhilfen des Bundes in Zeiten der Coronakrise“). 

Demnach legen die Finanzhilfen des Bundes seit 2015 jedes Jahr zu und steigen damit nun das siebte Jahr in Folge. Laut Haushaltsplanung sollen sie 2021 auf den Höchststand von 87,2 Mrd. Euro klettern. Erstmals werden damit die bisherigen Finanzhilfe-Rekorde während der Finanzkrise überschritten.

Im Vergleich zu den 57,2 Mrd. Euro, die 2019 an Finanzhilfen geflossen sind, bedeutet dies eine Steigerung um 30 Mrd. Euro oder 52,4 Prozent. Für 2020 sehen die Planzahlen Finanzhilfen in Höhe von 67,4 Mrd. Euro vor. Dabei ist der Anstieg von 2020 auf 2021 mit 29,3 Prozent fast doppelt so hoch wie von 2019 auf 2020 mit 17,9 Prozent.

„Immer mehr Subventionen werden Deutschland auf Dauer überfordern. Der demografische Wandel schwächt zunehmend die Wachstumskräfte und verschärft die Verteilungskonflikte. Mehr Subventionen sind darauf keine Antwort, sondern verschlimmern das Problem. Es ist höchste Zeit, den Subventionsabbau nun ernsthaft anzugehen“, sagte der Vizepräsident des IfW Kiel, Stefan Kooths.

Der Kieler Subventionsbericht fasst den Subventionsbegriff weiter und erfasst deutlich mehr Zahlungsströme als der amtliche Subventionsbericht der Bundesregierung, der etwa für 2020 nur Finanzhilfen von 14,4 Mrd. Euro ausweist.

Die Autoren konzentrieren sich in diesem Zwischenbericht auf die Finanzhilfen des Bundes auf Basis der Haushaltsplanungen für 2020 und 2021. Steuererleichterungen sind nicht Bestandteil des Berichts, ebenso wenig die Finanzhilfen der Länder, da sie aufgrund einer geänderten Buchführung seit 2015 ohnehin nur noch überschlagen werden können.

Corona-Pakete enthalten milliardenschwere Subventionen

„Die starke Erhöhung der Finanzhilfen in diesem Jahr kommt fast vollständig über Mikromaßnahmen zur Steuerung der Umweltpolitik zustande, das ist der neue Schwerpunkt der Subventionstätigkeit“, so Laaser. Das Geld dafür stammt aus dem 50 Mrd. Euro schweren Zukunftspaket, das im Zuge der Corona-Hilfen für 2020 und 2021 aufgelegt wurde. Insgesamt 21,2 Mrd. Euro davon fallen als Finanzhilfen unter den Kieler Subventionsbegriff. 

"Der Staat tut grundsätzlich gut daran, während einer makroökonomischen Notlage wie der Corona-Krise seine gesunden Unternehmen auch mit massiven Subventionen zu stützen. Teile des Zukunftspakets dienen jedoch selektiver Industriepolitik und damit anderen Zwecken. Diese Mittel sind der polit-ökonomischen Gunst der Stunde geschuldet, dass das Geld des Staates in einer Krise locker sitzt“, so Kooths. 

Der größte Posten bei den umweltpolitischen Finanzhilfen 2021 sind mit 10,8 Mrd. Euro Zuschüsse zur Entlastung der Verbraucher beim Strompreis, die komplett dem Zukunftspaket entstammen. Die CO2-Einsparung im Gebäudebereich wird mit insgesamt 5,8 Mrd. Euro gefördert, davon 2 Mrd. Euro aus dem Zukunftspaket. Der Kauf von E-Autos wird mit insgesamt 1,6 Mrd. Euro bezuschusst, (Zukunftspaket: 1,3 Mrd. €) die zugehörige Ladeinfrastruktur mit 0,8 Mrd. Euro (Zukunftspaket: 0,6 Mrd. €).

„Bei Einzelsubventionen stellt sich die Frage, inwiefern die Programme zielführend und effizient sind. Wir würden als Leitinstrument der Umweltpolitik einen CO2‐Preis vorziehen, der die Emissionssenkung über die veränderten Verhaltensweisen der Verbraucher am Markt regelt, das würde viele Einzelmaßnahmen überflüssig machen“, so Laaser. 

Umweltsubventionen verdrängen Verkehrssubventionen als größten Posten 

Die umweltpolitischen Finanzhilfen haben 2021 mit 25,7 Mrd. Euro erstmals den Sektor Verkehr als größten Posten abgelöst. Nur 0,7 Mrd. Euro davon entstammen dem regulären Bundeshaushalt, 8,1 Mrd. Euro dem Sonderfonds „Energie und Klima“ und 16,9 Mrd. Euro dem Zukunftspaket. 

In den Verkehrssektor sollen 2021 25,5 Mrd. Euro fließen. Größter Posten sind hier mit 9,3 Mrd. Euro die Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern zur Bereitstellung des Schienennahverkehrs überweist. 8,5 Mrd. Euro fließen direkt an die Deutsche Bahn für Erhalt und Ausbau der Schienenwege, die Pensionen der ehemaligen Bundesbahnbeamten kosten den Bund 5,3 Mrd. Euro. 

Größter Einzelposten bei den Finanzhilfen ist mit 14,5 Mrd. Euro auch 2021 der Zuschuss des Bundes zur gesetzlichen Krankenversicherung. Er wurde im Jahr 2004 eingeführt und bezifferte sich damals auf 1 Mrd. Euro. Im kommenden Jahr soll er 28,5 Mrd. Euro betragen.  

Die Land‐ und Forstwirtschaft sowie die Fischerei werden traditionell aus allen Töpfen von Bund, Ländern und EU gut bedacht. Die Subventionen summieren sich unter anderem durch hohe Zuschüsse zur Krankversicherung, das Konjunkturpaket „Wald und Holz“ und diverse Steuererleichterungen auf 13,1 Mrd. Euro.  

Erhebliches Einsparpotenzial von 10 Mrd. Euro pro Jahr für die Ampelkoalition  

Zur Kürzung von Subventionen – also Finanzhilfen und Steuervergünstigungen – schlagen die Autoren die Rasenmäher-Methode mit unterschiedlichen Schnitthöhen vor, vorgestellt im Kieler Subventionsbericht 2020. Alle als gesamtwirtschaftlich schädlich identifizierten Subventionen sollten um 20 Prozent gekürzt werden. Hierzu zählen die Autoren etwa die Subventionen für die Landwirtschaft oder andere Klientelmaßnahmen wie die Umsatzsteuerermäßigung für Hoteliers.  

Alle prinzipiell begründbaren Subventionen, bei denen jedoch Kürzungspotenzial besteht oder deren Ausgestaltung widersprüchlich ist, sollten um 10 Prozent gekürzt werden. In diese Kategorie fallen die meisten Umweltsubventionen, Investitionszuschüsse für die Bahn oder der Breitbandausbau. 

„Dieses Vorgehen würde alleine beim Bund Mittel in Höhe von circa 10 Mrd. Euro freisetzen – und zwar jedes Jahr. Es wäre politisch sehr viel realistischer durchsetzbar als das komplette Streichen einzelner Subventionen, was zu erheblichem Widerstand der Betroffenen führen dürfte“, so Laaser.  

Besonders schädliche Subventionen sollten dann in jedem weiteren Jahr erneut um zehn Prozent des Ursprungsvolumens beschnitten werden. Betroffene hätten damit rund ein Jahrzehnt Zeit, sich auf den Wegfall einzustellen.