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Maritimer Handel: Stau im Suezkanal verschärft Folgen der Corona-Krise

Havarierter Frachter "Evergreen" im Suezkanal

Vincent Stamer, Experte für maritimen Handel am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, hat Daten zur Bedeutung des Suezkanals für die Weltwirtschaft und insbesondere Deutschland ausgewertet. „Schon die Corona-Krise hat für Verwerfungen im maritimen Handel gesorgt und die Preise für den Container-Transport explodieren lassen. Die Schiffshavarie im Suezkanal und ihre Nachwirkungen kommen nun noch als zusätzliche Belastung hinzu. Das treibt tendenziell die Preise für den Seehandel nach oben, was sich früher oder später auch in den Produktpreisen niederschlagen dürfte.“

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Datenauswertung:

  • Deutschland exportiert auf dem Seeweg etwa Güter im Wert von 121 Mrd. Euro jährlich in asiatische Länder – der Großteil als Kraftfahrzeuge und Maschinen.
  • Bis zu 10 Prozent aller direkt verwendeten Vorleistungen im Bereich der Elektronik in Deutschland stammen aus den sechs größten Volkswirtschaften Asiens.
  • Die Transportkosten von Asien nach Europa sind zum Jahreswechsel 2020/21 explodiert. Es ist jetzt fast fünfmal so teuer, einen Container von Ostasien nach Europa zu transportieren wie vor einem Jahr.
  • Ein Umweg um Afrika, um den Suez-Kanal zu vermeiden, würde die Handelskosten auf dem Seeweg zwischen China und Europa um mindestens 30 Prozent steigen lassen.

Deutschland exportiert auf dem Seeweg etwa Güter im Wert von 121 Mrd. Euro jährlich in asiatische Länder. Der Großteil entfällt auf Kraftfahrzeuge und Maschinen (zusammen 77 Mrd. Euro). Da fast alle Frachtschiffe auf dem Weg von Deutschland nach Asien den Suezkanal passieren, werden schätzungsweise 9 Prozent aller deutschen Güterexporte und -importe durch den Suezkanal transportiert. Grundsätzlich sind die Importe aus asiatischen Ländern etwas gemischter. Im Bereich der Elektronik und elektrischen Maschinen sind allerdings die Importe aus Asien auf dem Seeweg im Umfang von 15 Mrd. Euro besonders hoch. Dies entspricht etwa 26 Prozent aller deutschen Elektronikimporte aus dem europäischen Ausland unabhängig vom Transportmodus. 

[Quelle: Eurostat; eigene Berechnung und Darstellung. Daten von 2019, gruppiert auf HS-2 Ebene. Asien beinhaltet nicht Anrainerstaaten des Mittelmeers und Staaten des Kaukasus.]

Vor allem in Bereich der Elektronik sind deutsche Industrien stark von asiatischen Vorleistungen abhängig: Bis zu 10 Prozent aller direkt verwendeten Vorleistungen im Bereich der Elektronik stammen aus den sechs größten Volkswirtschaften Asiens, wie mit Hilfe der Datenbank WIOD ermittelt werden kann. Diese Zahl bildet aber nur einen kurzfristigen Effekt ab, da indirekte Verknüpfungen und Lieferketten mit mehr als zwei Gliedern nicht in die Berechnung einfließen. Gleichwohl zeigt sie eine Annäherung an die Effekte der temporären Blockade des Suezkanals. Langfristig betrachtet ist allerdings asiatische Wertschöpfung als Anteil der in Deutschland produzierten Güter und damit die Abhängigkeit der deutschen Industrie von Asien höher.

[Quelle: WIOD.; eigene Berechnung und Darstellung. Größte Volkswirtschaften Asiens sind China, Indien, Indonesien, Japan, Südkorea und Taiwan.]

Das Volumen der Containerfracht auf dem Weg von Asien nach Europa hat zwei Einbrüche im ersten Halbjahr 2020 durchlaufen, wie sich anhand von Schiffspositionsdaten des Anbieters FleetMon.com im Roten Meer und im Indischen Ozean zeigen lässt: Im Februar durch den Lockdown in China und im Mai durch den Einbruch der europäischen Nachfrage. Im Frühjahr 2021 ist der saisonal bedingte Rückgang des Frachtvolumens von Europa nach Asien außergewöhnlich stark ausgefallen. Darüber hinaus zeigt die Abbildung deutlich, dass seit dem zweiten Halbjahr 2020 Asien mehr Fracht nach Europa exportierte als andersherum. Dieses Ungleichgewicht führt auch zu einer Knappheit von Containern und Ladekapazitäten in Asien.

[Quelle: Fleetmon; eigene Berechnung und Darstellung. Abbildung zeigt Rollender 30-Tage Durchschnitt. Werte beziehen Kapazität und Tiefgang der Schiffe ein. Stand: 25.03.2021]

Die Transportkosten von Asien nach Europa sind zum Jahreswechsel 2020/21 explodiert. Es ist jetzt fast fünfmal so teuer, einen Container von Ostasien nach Europa zu transportieren wie vor einem Jahr in derselben Richtung sowie heute in entgegensetze Richtung. Die vorübergehende Blockade im Suezkanal und der ausgelöste Stau können diese Situation nur verschlechtern und auch höhere Transportkosten von Europa nach Asien auslösen, sodass Preise sowohl von Endprodukten als auch von Zwischengütern steigen könnten. Der Umweg um Afrika misst mindestens 6.000 Kilometer auf der Strecke von Shanghai nach Hamburg, bzw. 30 Prozent der eigentlichen Strecke. Bei proportionaler Weitergabe der Mehrkosten durch die Reedereien würden auch Importkosten um 30 Prozent steigen. Wenn Zeit durch höhere Geschwindigkeit gut gemacht werden soll, steigen Treibstoff- und Transportkosten sogar überproportional.

[Quelle: Freightos; Stand Woche bis zum 28.03.2021; Eigene Berechnung und Darstellung]

Die Abbildungen zeigen, dass die Auslastung der Containerschiffe im Roten Meer und im Indischen Ozean auf der Route von Asien nach Europa konsistent höher ist als in die entgegengesetzte Richtung. Dies bedingt teilweise die unterschiedlichen Transportkosten. Ab Juli 2020 beschleunigten Containerschiffe auf beiden Routen ihre Fahrt um zwei Knoten als Resultat von niedrigen Bunkerpreisen. Die höhere Geschwindigkeit dient aber auch dazu, Kapazität des Containerschiffnetzwerks insgesamt zu erhöhen. Auch der knappe Vorrat von Containern, die schnelle Erholung Chinas nach der Corona Krise sowie bestehende Ungleichgewichte auf dem Pazifik sind für den rasanten Anstieg der Containerfrachtkosten verantwortlich.

[Quelle: Fleetmon; eigene Berechnung und Darstellung. Abbildungen zeigen rollenden 30-Tage Durchschnitt. Stand: 25.03.2021]