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Küstenökosysteme weltweit: Milliardenschwere CO2-Speicher

Neben Australien stellen Indonesien und die USA mit ihren Küstenökosystemen das größte Kohlenstoffspeicherpotential zur Verfügung, so die Berechnungen von Christine Bertram (IfW Kiel, bis Februar 2021), Martin Quaas (iDiv und Universität Leipzig), Thorsten Reusch (GEOMAR), Anthanasios T. Vafeidis, Claudia Wolff (beide CAU) und Wilfried Rickels (IfW Kiel), die unter dem Titel „The blue carbon wealth of nations“, gerade in der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienen sind.

Zusätzlich zu der Frage, welche Länder mit ihren Küsten besonders viel zum Klimaschutz beitragen, hat das Team auch berechnet, welche Länder am stärksten von den speicherstarken Küsten weltweit profitieren. Dabei wird die unterschiedliche Betroffenheit vom Klimawandel über die sogenannten sozialen CO2-Kosten beziffert.

„Wenn wir die Unterschiede in den marginalen Klimaschäden berücksichtigen, die in jedem Land auftreten, stellen wir fest, dass Australien und Indonesien eindeutig die größten Geberländer im Hinblick auf global vermiedene Klimaschäden durch CO2-Aufnahme in den Küsten sind, da sie selbst vergleichsweise geringen Nutzen aus dem hohen Speicherpotential ihrer Küsten ziehen“, sagt Wilfried Rickels, der das Forschungszentrum Global Commons und Klimapolitik am IfW Kiel leitet. „Die USA hingegen können ebenfalls viel Kohlenstoff speichern, profitieren aber gleichzeitig hinter Indien und China am meisten von den natürlichen CO2-Senken. In Geldwerten ausgedrückt realisieren die drei Länder jährliche Wohlfahrtsgewinne in Höhe von rund 26,4 Mrd. US Dollar (Indien), 16,6 Mrd. US Dollar (China) und 14,7 Mrd. US Dollar (USA) dank der weltweiten globalen Küstenökosysteme und den daraus resultierenden geringeren Klimafolgekosten.“

Grundlage für die monetären Berechnungen sind die sogenannten sozialen CO2-Kosten, die erlauben, die Auswirkungen von CO2-Emissionen im Kontext des „Inklusiven Wohlstands“ zu analysieren. Der „Inklusive Wohlstand“ ist definiert als die Gesamtheit aller natürlichen und vom Menschen geschaffenen Kapitalbestände, bewertet mit sogenannten Schattenpreisen, also den Beiträgen zur gesellschaftlichen Wohlfahrt. Eine wichtige Rolle für die Schattenpreise spielt unter anderem die absolute Knappheit von Ressourcen. Atmosphärisches CO2 wirkt sich primär durch den Klimawandel negativ auf den Wohlstand aus. Allerdings sind die Länder unterschiedlich mit Klimaschadenskosten belastet und entsprechend werden in der Studie länderspezifische Schattenpreise verwendet.

Nicht berücksichtigt sind in der vorliegenden Analyse andere CO2-Senken oder die Emissionen aus Energie und Industrie. Wenn man auch die CO2-Emissionen aus Energie und Industrie berücksichtigt, leisten nur Guinea-Bissau, Belize, Vanuatu, Sierra Leone, die Salomon-Inseln, Guinea, die Komoren, Samoa, Madagaskar und Papua-Neuguinea über ihre Küstenökosysteme einen positiven Nettobeitrag, da sie dort mehr Kohlenstoff speichern als sie insgesamt emittieren.

Die Studie betont auch, dass die Kohlenstoffspeicherung nur einen kleinen Teil der positiven Auswirkungen der Küstenökosysteme für die Menschen ausmacht. „Küstenökosysteme sind ein essentieller Bestandteil der marinen Ökosysteme und daher besonders wichtig für die marine Biodiversität und für die Fischerei. Gleichzeitig tragen sie zum Hochwasser- und Küstenschutz bei und sind darum wichtig für die Anpassung an den Klimawandel“, betont Martin Quaas, der die Forschungsgruppe Biodiversitätsökonomie am dem Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und an der Universität Leipzig leitet.

Ohnehin liegt derzeit noch ein sehr starker Fokus auf Aufforstung an Land wenn es um die Herausforderungen zur Erreichung der Pariser Klimaziele geht. „Die marine CO2-Aufnahme als auch deren Erhöhung erfordert mehr Beachtung in der Debatte um Netto-Null-Treibhausgas- und Netto-Negative-CO2-Ziele“, hebt Rickels hervor. Gerade ein mögliches Abschwächen der marinen CO2-Senken würde noch deutlich größere Anstrengungen erfordern. „Den Küsten, mit ihren zahlreichen unterschiedlichen Nutzergruppen als auch möglichen Nutzungskonflikten kommt dabei eine besondere Rolle zu.“

Der in der Studie verwendete Naturkapitalansatz eignet sich, um die sich aus den CO2-Emissionen und CO2-Senken ergebende Umverteilung zu bewerten, die im Gegensatz zu bestehenden marktbasierten Bewertungen nicht von der Stringenz der zugrundeliegenden Klimapolitik beeinflusst wird. Diese Frage wollen die Forscherinnen und Forscher in weiteren Studien untersuchen. 

Die Studie ist heute ab 17 Uhr unter folgendem Link zugänglich:
https://www.nature.com/articles/s41558-021-01089-4

  • Melanie Radike - Kiel Institute
    Melanie Radike
    Kommunikationsmanagerin Mercator Dialogue on Asylum and Migration (MEDAM)T +49 (431) 8814-329

    Melanie.Radike@ifw-kiel.de