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Höherer CO2-Emissionspreis trifft Osteuropäer am stärksten

Für ihre Simulationen haben die Forscher die Folgen eines um 50 US-Dollar höheren Preises für CO2-Emissionen in verschiedenen Szenarien durchgespielt. Höhere Emissionspreise sind ein wichtiger Baustein der klimapolitischen Pläne der EU und der Ampel-Koalitionäre in Deutschland. Sie gelten auch als ökonomisch effizientes Mittel, um den Treibhausgasausstoß zu senken. In den gewählten Szenarien würden unter den EU-Ländern Lettland, Polen, Bulgarien, die Tschechische Republik und Ungarn die größten Einbußen an Wirtschaftsleistung (reales Bruttoinlandsprodukt) verbuchen, so die Forscher in einem jetzt im “Wirtschaftsdienst” veröffentlichten Beitrag. Grund ist, dass die Wirtschaft in diesen Ländern mit höheren CO2-Emissionen produziert als anderswo. Damit verliert sie bei steigenden CO2-Preisen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, weil sich die Produkte überdurchschnittlich verteuern. In der Erdgasgewinnung und -verarbeitung würden die Tschechische Republik, Slowenien und auch Griechenland ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit komplett verlieren und die Produktion einstellen müssen.

Der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der CO2-intensiven Güter geht mit einem entsprechenden Sinken der Emissionen in diesen Ländern einher, erzielt also in dieser Hinsicht den gewollten Effekt.

Volkswirtschaften mit Dienstleistungs-Schwerpunkt im Vorteil

Tendenziell profitieren würden Länder wie Zypern, Belgien, die Niederlande und Irland, weil ihre Volkwirtschaften einen relativ hohen Dienstleistungsanteil haben – zum Beispiel einen starken Finanzdienstleistungssektor. „Dienstleistungen sind in der Regel relativ emissionsarm. Diese Sektoren profitieren, da Kapital und Arbeitnehmer dorthin umgeleitet werden aus relativ emissionsintensiven Branchen“, erläutert Hendrik Mahlkow, Handelsforscher am IfW Kiel.

Ebenfalls profitieren würden Finnland und Schweden, die bereits seit Beginn der 1990er Jahre einen CO2-Emissionspreis einsetzen, der seitdem immer wieder steigt. Dieser Preis hat dazu geführt, dass beide Länder emissionsärmere Technologien nutzen. Die Wettbewerbsfähigkeit der schwedischen und finnischen Unternehmen verbessert sich deshalb bei steigenden CO2-Emissionspreisen im Vergleich zu anderen Unternehmen aus der EU. Deutschland verliert etwas an Wettbewerbsfähigkeit. Das reale Bruttoinlandsprodukt sinkt in der Simulation um 0,017 Prozent.

Die Forscher haben keine konkreten klimapolitischen Pläne durchgerechnet, sondern generelle Szenarien. Ziel der Simulationen ist es, die Zusammenhänge zwischen einem höheren CO2-Emissionspreis in der EU und dessen weltweite Auswirkungen auf wirtschaftliche Aktivität besser zu verstehen.

„Erwartungsgemäß zeigen die Ergebnisse, dass es sehr unterschiedliche Wirkungen je nach struktureller Zusammensetzung der Wirtschaft eines Landes gibt. Das erschwert internationale Abkommen für höhere Emissionspreise. Ausgleichsmechanismen müssen deshalb mitbedacht werden“, so Mahlkow. Außerdem können technische Entwicklungen helfen: Auch emissionsintensive Sektoren können profitieren, wenn sie emissionsarme Technologien nutzen. Diese werden mehr und mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil, wie das Beispiel Schweden zeigt.

CO2-Grenzausgleich und Klimaclub könnten Effekte abmildern

Die von der EU-Kommission vorgelegte „Fit for 55“-Klimaschutzstrategie dürfte die CO2-Preise in der EU steigen lassen und damit zu den oben genannten Effekten führen. Um Wettbewerbsnachteile im globalen Wettbewerb abzufedern, wird ein auch als CO2-Zoll bezeichneter Grenzausgleichsmechanismus wichtiger, schreiben die Autoren. Die EU-Pläne sehen ein solches Instrument vor, das auch Importe in die EU mit Emissionspreisen belastet. Damit würde der Anreiz sinken, emissionsintensive Produktion aus der EU hinaus zu verlagern, und auch außerhalb der EU entstünden Anreize, Emissionen zu senken. Die Modellrechnungen ergeben keine durchschlagend bessere BIP-Entwicklung in besonders betroffenen EU-Ländern, wenn ein CO2-Zoll existiert. In der Realität dürfte dieser allerdings sinnvoller sein, weil ökonomische Kosten in den emissionsintensiven Sektoren auf mehr Branchen und Wirtschaftsakteure verteilt werden. So sieht man in Deutschland, dass Sektoren von einem CO2-Zoll profitieren, deren Produktion besonders von einem hohen CO2-Preis betroffen ist. Zum Beispiel sinkt die Chemieproduktion ohne Zoll um 6,9 Prozent, mit Zoll lediglich um 5,7 Prozent. Ohne Zoll sinkt die Stahlproduktion um 2,1 Prozent, mit Zoll um 2 Prozent.

Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU ist darüber hinaus die CO2-Emissionspreisentwicklung im Rest der Welt wichtig. Falls andere große Volkswirtschaften wie die USA oder China sich ebenfalls für hohe CO2-Preise entscheiden, gehen die Wettbewerbsnachteile der europäischen Unternehmen zurück. „Ein Alleingang der EU wäre teuer. Der Aufbau eines Klimaclubs mit wichtigen Handelspartnern, in dem einheitliche Klimaschutzvorgaben gelten und der deshalb auf CO2-Zölle verzichten kann, ist vor diesem Hintergrund eine richtige politische Überlegung“, sagte Mahlkow.

Mehr Details im aktuellen Artikel im "Wirtschaftsdienst".