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Bundesregierung muss Außenwirtschaftspolitik an veränderter Weltlage ausrichten

Conatiner

„In den vergangenen Jahren wuchs durch die Globalisierung die Vernetzung, aber damit wuchsen auch die Abhängigkeiten. Gleichzeitig kam es mit dem Aufstieg Chinas zu einer internationalen machtpolitischen Verschiebung. Außenwirtschaftspolitische Instrumente werden immer häufiger verwendet, um verschiedenste außenpolitische Ziele zu erreichen. Vor diesem Hintergrund müssen Deutschland und die EU die eigene Verwundbarkeit bewerten und offensive und defensive Strategien für ihre Außenwirtschaftsbeziehungen entwickeln“, sagte Katrin Kamin, Forscherin am Kieler Institut für Weltwirtschaft und federführende Autorin anlässlich der Veröffentlichung der Studie für das Auswärtige Amt („Instruments of a Strategic Foreign Economic Policy“). Weitere Hauptautoren sind Gabriel Felbermayr (WIFO, Wien), Marcel Fratzscher (DIW Berlin) und Guntram Wolff (Bruegel, Brüssel).

Die Offenheit der deutschen Volkswirtschaft sei eine zentrale Basis des Wohlstands in der Bundesrepublik, so die Autorinnen und Autoren. Dies mache das Land aber auch angreifbar. Deshalb müsse Deutschland eine besonders aktive Rolle einnehmen, um die eigenen internationalen ökonomischen und politischen Beziehungen und jene der EU zu gestalten. Eine Entkoppelung oder den Abbau von internationalen Wirtschaftsbeziehungen gelte es dabei zu verhindern.

Internationale Abkommen, wie etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO, blieben eine wichtige Basis für die Regelung der Außenwirtschaftsbeziehungen. Daneben müssten aber auch defensive Instrumente der EU geschärft werden, um eigene Interessen zu verteidigen oder durchzusetzen. Dazu gehörten etwa die Überwachung und sofern nötig das Ausbremsen ausländischer Investitionen in Deutschland und der EU sowie weitere Sanktionsinstrumente. Schon das Vorhandensein solcher Instrumente könne disziplinierend wirken, ohne dass sie zum Einsatz kommen müssten, heben die Autorinnen und Autoren der Studie hervor. Die Herausforderung sei, defensive Instrumente zu entwickeln, sie aber zurückhaltend einzusetzen, um nicht Protektionismus zu fördern.

Daneben empfiehlt die Studie, eine Reihe offensiver Instrumente, die vor allem darauf fußen, den Zugang zum EU-Binnenmarkt als Hebel für eine strategische Außenwirtschaftspolitik zu nutzen. Zu den genannten Punkten gehören:

  • der Ausbau und die Vertiefung des Binnenmarkts – vor allem im Bereich der Dienstleistungen, das Vorantreiben einer Banken- und Kapitalmarktunion, die Stärkung des Euro als internationaler Leitwährung, auch in Form eines digitalen Euro
  • die Stärkung des von einem erfolgreichen und stabilen Binnenmarkt abhängigen „Brüssel-Effekts“, durch welchen die EU internationale Standards setzen kann
  • der Erhalt und Ausbau strategischer Partnerschaften mit wichtigen Handelspartnern, allen voran ein Investitions- und Handelsabkommen mit den USA und ein Abkommen mit Indien
  • das Schaffen eines stabilen Regulierungsrahmens für den Handel mit EU-Nachbarländern wie Großbritannien, der Schweiz und der Türkei durch Aufbau einer Zollunion mit Mitspracherechten aller Beteiligten
  • der Aufbau eines Grenzausgleichsmechanismus für CO2-Abgaben – idealerweise kombiniert mit der Bildung eines offenen Klimaclubs von Ländern mit gemeinsamen Klimaschutzstandards
  • Stärkung des Binnenmarktes für Digitalangebote und Steigerung der Attraktivität für Venture- Capital-Geber.

„Ein starker und erfolgreicher Binnenmarkt gibt der EU in vielen Belangen einen wirkungsvollen Hebel durch Verweigerung des Zugangs die Interessen Deutschlands und der EU international durchzusetzen. Deshalb gilt: Je größer, tiefer und dynamischer dieser Markt beschaffen ist, ums so besser stehen die Chancen, dass die EU und ihre Mitglieder die globale ökonomische und politische Ordnung nach ihren Interessen mitgestalten können“, sagte Katrin Kamin vom IfW Kiel.