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IfW-Konjunkturprognose: Erholung aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

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„Im Schlussquartal 2020 und im ersten Quartal des neuen Jahres wird das BIP wegen der seit November verhängten Pandemieauflagen voraussichtlich schrumpfen. Das ist gesamtwirtschaftlich ein Rückschlag für den Erholungsprozess, aber kein Rückfall in eine Krise wie im vergangenen Frühjahr“, sagteStefan Kooths, Konjunkturchef des IfW Kiel, anlässlich der Vorlage der Winterprognose des Instituts. „Die Belastungen konzentrieren sich auf einzelne konsumnahe Branchen, für die es wieder hart wird. Aber die Industrie kommt – vor allem dank eines insgesamt robusten Auslandsgeschäfts – nicht wieder unter die Räder.“

Entsprechend der Gesamtentwicklung wird sich auch die Erholung am Arbeitsmarkt verzögern. Infolgedessen steigt die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2021 auf 6,1 Prozent und liegt damit leicht über dem Vorjahreswert (5,9 Prozent). Bis Oktober gingen durch die Krise geschätzt 860.000 Stellen verloren. Die ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigen sind dabei mit Abstand am stärksten betroffen, auch weil sie mangels Sozialversicherungspflicht keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Der Teil-Shutdown seit November und die Verschärfung der Maßnahmen Mitte Dezember dürfte die Kurzarbeit erneut steigen und die Erwerbstätigkeit sinken lassen; das Ausmaß dürfte gleichwohl deutlich geringer ausfallen als im Frühjahr. Gegen Ende 2021 dürfte dann auch die Erholung der Erwerbstätigkeit an Fahrt gewinnen. Im Jahr 2022 sinkt die Arbeitslosenquote der IfW-Prognose zufolge auf 5,5 Prozent.

Der Staatshaushalt wird auf der Einnahmenseite durch die Konjunkturschwäche und auf der Ausgabenseite durch weitere Hilfspakete zusätzlich belastet. Die Kieler Konjunkturforscher erwarten für 2020 nun ein Defizit von 4,9 Prozent in Relation zum BIP. Es bleibt damit trotz der zweiten Welle unter den noch im Herbst erwarteten 5,1 Prozent, weil insbesondere die Sofort- und Überbrückungshilfen in deutlich geringerem Umfang abgerufen wurden als geplant. Im kommenden Jahr wird das Defizit allerdings mit 4,1 Prozent deutlich höher ausfallen als bislang erwartet (3,1 Prozent) und im Jahr 2022 auf 1,8 Prozent sinken, sofern der erwartete Aufschwung in der Mitte nächsten Jahres eintritt. Den Forschern zufolge können der Bund und die überwiegende Zahl der Länder die Schuldenbremsen dann wieder einhalten.

Der exportorientierten deutschen Industrie kommt der Aufschwung der Weltwirtschaft zugute. Weltweit hat die Wirtschaft im dritten Quartal einen erheblichen Teil der in der ersten Jahreshälfte erlittenen Rückgänge im Produktionsniveau aufgeholt. Dieser Trend wird derzeit durch Maßnahmen zur Eindämmung der zweiten Infektionswelle zwar gebremst, insgesamt gesehen bleibt die weltweite Produktion aber aufwärtsgerichtet. Dazu trägt vor allem China mit einer hohen konjunkturellen Dynamik bei. Dagegen dürfte in Europa das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal erneut zurückgehen. Anders als im Frühjahr sind bislang keine gravierenden negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe, den internationalen Warenhandel und die Rohstoffpreise erkennbar. Wegen des Bremseffekts der neuen Auflagen haben die IfW-Forscher gegenüber der Herbstprognose vom September die Erwartung für die Weltwirtschaftsleistung im Jahr 2020 um 0,2 Prozentpunkte und für 2021 um 0,6 Prozentpunkte reduziert. Einem Einbruch von 3,8 Prozent im laufenden Jahr steht nun ein Plus von 6,1 Prozent im kommenden Jahr gegenüber.

„Der Pandemieverlauf überstrahlt derzeit in der Wirtschaftsentwicklung alles andere. Das bedeutet auch, dass ein erfolgreiches Eindämmen der Pandemie die Aussichten für das nächste Jahr erheblich zum Positiven beeinflussen wird. Welchen starken Effekt das Zurückfahren der Auflagen hat, konnten wir schon im vergangenen Sommer beobachten. Die Politik kann den Aufschwung am besten mit einer klar kommunizierten Pandemiestrategie und zielgenau strukturierten Hilfsprogrammen für die Unternehmen unterstützen, die das Eigenkapital schützen“, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr.

Für Hörfunk: Fragen und Antworten von Stefan Kooths

Eine Audiodatei (mp3) mit O-Tönen von Konjunkturchef Stefan Kooths können Sie hier anhören und herunterladen. (rechte Maustaste - Audio speichern)