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Corona: Schuldentilgung problemlos möglich, Sozialkassen drohen Beitragserhöhungen

Pile of 100 Euro bank notes

„Deutschland kann sich den Schuldenberg, den es zur Bewältigung der Corona-Krise jetzt anhäuft, im Prinzip leisten“, sagt IfW-Forscher Jens Boysen-Hogrefe, der die finanziellen Folgen der Corona-Krise in einem Kiel Policy Brief analysiert hat. „Dafür ist weder eine Vermögensabgabe noch sind dafür Steuererhöhungen nötig, lediglich die Rückkehr zu Haushaltsdisziplin und Konsolidierungsmaßnahmen in geringem Umfang. Durch das Streichen von unnötigen Steuervergünstigungen und Subventionen wäre leicht eine Ersparnis von 10 Mrd. Euro jährlich zu realisieren, dies würde die derzeit absehbaren Tilgungserfordernisse im Rahmen der Schuldenbremse bereits abdecken.“

Über Kredite, Bürgschaften, Beteiligungen und die unmittelbaren Hilfspakete erhöht sich Deutschlands Bruttoschuldenstand dieses Jahr um rund 500 Milliarden Euro und nach dem Maastricht-Kriterium auf 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

In die für die Schuldenbremse relevante Nettoverschuldung fließen Kredite oder Bürgschaften aber nicht ein, da sie zurückgezahlt werden oder verkauft werden können, nur Posten im laufenden Haushalt sind relevant. Zudem können Schulden, die in der Vergangenheit im Rahmen der Schuldenbremse möglich gewesen wären, aber nicht in Anspruch genommen wurden, angerechnet werden. Hier hat der Bund Reserven von rund 50 Milliarden Euro angesammelt.

Die Neuverschuldung des Bundes liegt daher nur rund 100 Milliarden Euro über dem von der Schuldenbremse erlaubten Rahmen, für die Länder schätzt Boysen-Hogrefe die Summe auf 50 Milliarden Euro. Für diese Summen muss der Staat nun laut Schuldenbremse einen Tilgungsplan vorlegen, der Bund plant dafür einen Zeitraum von 20 Jahren was einer jährlichen Rate von 5 bis 8 Milliarden Euro entspricht. Für Kommunen gilt die Schuldenbremse nicht.

Boysen-Hogrefe: „Der Tilgungsplan ist richtig, Deutschland sollte seine Haushalte weiterhin konform zur Schuldenbremse aufstellen, diesem Umstand verdankt das Land heute seine hohe Bonität und seine auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern extrem großen finanziellen Spielräume. Viel problematischer als die Tilgungsrate ist die Situation der Sozialkassen und die sich verschlechternden Wachstumsperspektiven.“

Reform der Sozialversicherungen jetzt unumgänglich

Als Folge der Corona-Krise werden die Sozialkassen ihre Rücklagen von rund 100 Mrd. Euro wohl vollständig aufbrauchen. Dies dürfte für viele Bürger die spürbarste Folge der Corona-Krise sein, da ohne weitere Politikänderungen, etwa in Bezug auf Umfang und Anspruch der Leistungen, die Beitragssätze in nahezu allen Versicherungszweigen steigen werden. Dies zeichnete sich angesichts des demografischen Wandels ohnehin ab und wird sich nun deutlich beschleunigen.

„Eine Reform der Sozialversicherungen speziell für Rente und Gesundheit ist jetzt unumgänglich. Mit der Corona‐Krise rückt das Erreichen der doppelten Haltelinie in der Rentenversicherung aus gedeckeltem Beitragssatz und versprochenem Rentenniveau in greifbare Nähe, bei den Ausgaben für Gesundheit und Pflege werden vorhandene Puffer demnächst aufgebraucht sein.“

Größte Hypothek für die Staatsfinanzen ist ein sich durch die Corona-Krise verschlechterndes Wachstumspotenzial, das wegen der Konjunkturbereinigung die eigentliche Richtschnur der Finanzpolitik zur Einhaltung der Schuldenbremse ist. Bewahrheitet sich die jüngste Korrektur des nominalen Wachstumspotenzials durch die Bundesregierung um preisbereinigt rund 80 Milliarden Euro jährlich weniger, würde dies alleine für den Bund Einsparungen von jährlich rund 20 Milliarden Euro bedeuten.

„Im Vergleich zur Schuldentilgung sind die langfristigen Folgen der Krise für das Wirtschaftswachstum der deutlich gewichtigere Einflussfaktor“, so Boysen-Hogrefe.