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Vor dem Klimakabinett: Das zentrale Ziel muss ein einheitlicher CO2-Preis sein

Busy highway with five lanes

„Das langfristige Ziel muss ein umfassendes und damit effizientes EU-Emissionshandelssystem über alle Sektoren und europäischen Länder sein“, sagt IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. Wie dies möglich ist, zeigen die Experten des IfW Kiel Gabriel Felbermayr, Sonja Peterson und Wilfried Rickels in dem heute erschienenen Kiel Policy Brief „Schrittweise zu einem umfassenden europäischen Emissionshandel“. Der existierende europäische Emissionshandel EU ETS sei eine Erfolgsgeschichte: Die Emissionsziele werden effektiv und effizient erreicht. Emissionen weiterer Sektoren in das EU ETS einzubeziehen sei allerdings nur im Rahmen einer größeren EU-Reform möglich.

„Trotzdem kann Deutschland jetzt den ersten Schritt zu einem umfassenden System gehen“, so Felbermayr weiter, „und für die bisher nicht im EU ETS erfassten CO2-Emissionen einen innerdeutschen Emissionshandel einführen“. Dieses zweite System, etwa für die Bereiche Verkehr und Gebäude, könne zunächst von Deutschland und anderen willigen Mitgliedsstaaten wie Frankreich, den Niederlanden und den skandinavischen Ländern betrieben und mittelfristig auf alle EU-Staaten ausgedehnt werden. Schließlich sollten beide Emissionshandelssysteme, das bisherige und das neue, fusionieren.

Damit der heimische Klimaschutz nicht konterkariert wird, fordern die Autoren ein WTO-konformes CO2-Grenzausgleichssystem für das europäische Emissionshandelssystem: Vergleichbar zur Mehrwertsteuer wird der CO2-Gehalt der Exporte von der heimischen CO2-Bepreisung ausgenommen, jener der Importe aber der heimischen CO2-Bepreisung unterworfen. Andernfalls drohen Wettbewerbsnachteile für heimische Produzenten, die dann ins Ausland abwandern könnten. Ebenso droht sonst die Substitution von heimischen, der CO2-Bepreisung unterworfenen Produkten durch nicht der CO2-Bepreisung unterworfene Importe. Ein CO2-Grenzausgleichssystem erschwert es, dass der CO2-Ausstoß lediglich in andere Länder verlagert aber nicht verringert wird.

Status quo: Stark schwankende CO2-Preise außerhalb des EU ETS

Das bisherige europäische Emissionshandelssystem EU ETS – das zentrale Instrument der europäischen Klimapolitik – deckt nur etwa 41 Prozent der europäischen Treibhausgasemissionen ab (2017). Nicht enthalten sind beispielsweise die Emissionen aus den Sektoren Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall. In diesen Sektoren, so der aktuelle Stand, soll eine Emissionsreduktion über nationale Ziele der einzelnen Mitgliedsstaaten erreicht werden. Während dies für das Jahr 2020 noch voraussichtlich immerhin 20 von 28 Staaten erreichen werden, schätzt die Europäische Umweltagentur, dass nur sechs Staaten ihre Zielvorgaben im Jahr 2030 erfüllen werden.

Deutschland gehört sogar zu den Ländern, die ihre nationalen Reduktionsziele für Emissionen außerhalb des EU ETS sowohl in 2020 als auch in 2030 (voraussichtlich) verpassen werden. Besonders problematisch ist der Verkehrssektor, hier steigen die Emissionen sogar, während sie bei den privaten Haushalten und in der Landwirtschaft stagnieren. Den ausbleibenden Emissionsreduktionen steht eine Vielzahl von unterschiedlichen Instrumenten gegenüber, die implizit dafür sorgen, dass es in Deutschland sehr stark schwankende CO2-Preise gibt. Ein aktuelles Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim BMWi zeigt, dass elektrischer Strom für private Haushalte durch die Stromsteuer, die EEG- und die KWKG-Umlage mit ca. 184 Euro je Tonne CO2 belastet wird; Erdgas und leichtes Heizöl zur Wärmegewinnung mit nur 29 bzw. 23 Euro Energiesteuer pro Tonne CO2, Benzin und Diesel werden durch die Ökosteuer mit etwa 64 bzw. 58 Euro pro Tonne CO2 belastet. Felbermayr: „Die Bandbreite dieser Preise – insbesondere auch, wenn man die Preise im EU ETS berücksichtigt – zeigt, wie weit Deutschland von einem einheitlichen CO2-Preis und damit von einer effizienten Klimapolitik entfernt ist.“

Sozialverträglichkeit sicherstellen

Hier gilt es also, den Schritt weg von den dirigistischen Eingriffen des Staates zu machen. Dazu, so die Autoren, biete es sich an, die Erlöse aus der Versteigerung der CO2-Emissionsrechte in einem innerdeutschen System zur Senkung der überdurchschnittlich hohen Strompreise in Deutschland einzusetzen, wovon Haushalte und Unternehmen profitieren. Dies könne zum Beispiel durch eine Absenkung der EEG-Umlage sowie langfristig durch eine Senkung der Stromsteuern erreicht werden. „Zusätzlich stellt ein Energiegeld pro Kopf die soziale Verträglichkeit des Systems sicher und entlastet die Verbraucher“, ergänzt IfW-Präsident Felbermayr. So werde es in der Schweiz bereits praktiziert. „Mit diesem System erreichen wir eine effiziente Klimapolitik mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung.“