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"EZB hat ihr Pulver verschossen"

European Central Bank Building

Der Leiter des IfW-Prognosezentrums Stefan Kooths kritisiert die EZB für ihre abermalige Senkung der Einlagezinsen  und die Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms:

„Die EZB hat ihr Pulver längst verschossen, nicht in Form ihrer Mittel, wie die heute beschlossene weitere Senkung des Einlagenzinses und die Wiederaufnahme der Anleihekäufe zeigt, aber hinsichtlich der beabsichtigten Wirkung. Der Euroraum schwimmt in Liquidität, die Zinsen sind extrem niedrig. Ein um ein Zehntelprozentpunkt geringerer Einlagezins und noch mehr Anleihen im EZB-Portfolio dürften kaum positive Konjunktureffekte haben oder die Investitionstätigkeit anregen.

Zudem: Die Konjunktur im Euroraum hat zwar wenig Schwung, aber sie ist recht robust. Von daher hat die EZB eher Anlass, über ihre geldpolitische Strategie nachzudenken, denn das starre Festhalten am scharfen Inflationsziel wird immer fraglicher. Im Euroraum herrscht Preisstabilität, was will man als Notenbank mehr? Eine Politik des „everything goes“, nur weil die Inflation unter einem bestimmten Zielwert bleibt, überzeugt immer weniger.

Dafür werden die Nebenwirkungen immer problematischer und zwar, je länger diese Politik fortgesetzt wird. Insbesondere erlahmt die politische Reformbereitschaft und der Strukturwandel wird künstlich aufgehalten. Es bleiben Unternehmen am Markt, die nur noch wegen der künstlich niedrigen Zinsen ihre Kapitalkosten verdienen können. Auch die Konsolidierungsbereitschaft der öffentlichen Haushalte leidet. Die Rufe nach höherer Staatsverschuldung werden immer lauter, weil man sich der Illusion hingibt, bei Negativzinsen rentiere sich automatisch jede staatliche Ausgabe. Dem ist nicht so, weil auch staatliche Investitionen abgeschrieben werden müssen, um den Kapitalverzehr abzubilden. Insgesamt zieht hier eine Intervention von Seiten der Geldpolitik die nächste Intervention von Seiten der Fiskalpolitik nach sich."