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China: Sorge um flächendeckenden Aufkauf deutscher Firmen übertrieben

Skyline of Shanghai

Die Angst der deutschen Öffentlichkeit vor Investoren aus China ist laut Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), übertrieben und anhand der vorliegenden Zahlen nicht begründbar. „Leider wird die Diskussion um die Rolle Chinas als Investor ziemlich evidenzbefreit geführt“, sagte er heute anlässlich der Veröffentlichung einer Studie, die Chinas Auslandsinvestitionen genauer analysiert. Die Autoren untersuchen darin im Zeitraum von 2005 bis 2018 rund 1500 Transaktionen über chinesische Direktinvestitionen im Ausland sowie etwa 1600 Baukontrakte jeweils mit einem Volumen über 100 Millionen US-Dollar.

Demnach lagen Investitionen und Baukontrakte 2005 noch auf einem zu vernachlässigbarem Niveau von jeweils zirka 10 Milliarden US-Dollar und stiegen dann bis 2017 stetig an, als ein Investitionsvolumen von 177 Mrd. US-Dollar erreicht wurde und neue Baukontrakte in Höhe von 103 Mrd. US-Dollar geschlossen wurden. Als Motiv hinter den starken Zuwächsen vermuten die Autoren schwache Renditen in China selbst. Zudem erfahren die Investoren politische Begleitung durch die Initiative Neue Seidenstrasse (Belt-and-Road-Initiative; BRI).

Im Mittel handelt es sich bei knapp drei Viertel des Investitionsvolumens um Übernahmen und Zusammenschlüsse, welche besonders in der Kritik stehen. Ein Viertel geht in so genannte „Greenfield Investments“, wo neue wirtschaftliche Aktivität geschaffen wird.

 

2018 ging das Investitionsvolumen auf 106 Mrd. US-Dollar zurück (minus 40 Prozent), neue Baukontrakte wurden noch im Wert von 73 Mrd. US-Dollar geschlossen (minus 29 Prozent). Ursächlich dürfte das schwächere Wirtschaftswachstum in China selbst sein und die damit einhergehenden politischen Maßnahmen wie verstärkte Kapitalkontrollen und erhöhte Liquiditätserfordernisse.

Investitionsboom hat Höhepunkt überschritten

Außerdem sind die vormals großen Leistungsbilanzüberschüsse Chinas inzwischen verschwunden. Im Jahr 2008 lag der Überschuss noch bei 420 Mrd. US-Dollar, 2018 gab es erstmal seit 25 Jahren ein Defizit von 10 Mrd. US-Dollar. Auch 2019 und 2020 ist mit einem Defizit zu rechnen. „Damit versiegt zusehends die Quelle, aus der China seine internationalen Investitionen finanziert. Gut möglich, dass der große Investitionsboom Chinas im Ausland bereits seinen Höhepunkt überschritten hat“, sagte Felbermayr.

2018 lagen die ausländischen Direktinvestitionen Chinas damit wieder unterhalb der Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland und das, obwohl die chinesische Wirtschaftsleistung in Dollar gerechnet mittlerweile 3,5 mal so groß wie die deutsche ist. Die deutschen Investitionen bewegen sich seit 2005 relativ konstant zwischen 100 und 140 Mrd. US-Dollar pro Jahr, nur in den Jahren 2016 und 2017 wurden sie von China übertroffen. „Es ist nicht im Interesse Deutschlands, das globale Investitionsklima zu beeinträchtigen“, sagte Felbermayr vor diesem Hintergrund.

Die Investitionen Chinas in Unternehmen der kritischen Infrastruktur und Hochtechnologie bewegen sich bislang auf bescheidenem Niveau, stiegen aber in den letzten Jahren – getrieben vornehmlich durch einzelne große Transaktionen – merklich an, etwas durch die Übernahme von Kuka durch Midea 2016 (4,7 Mrd. US-Dollar).

Investitionen in Deutschland durch Großstransaktionen geprägt

Die chinesischen Investitionen in Deutschland bewegten sich bis 2015 auf geringem Niveau und schossen dann 2016 auf über 12 Mrd. US-Dollar in die Höhe. 78 Prozent der chinesischen Investitionen wurde in den letzten drei Jahren getätigt. Seither bewegen sie sich zwar volatil, aber dennoch auf vergleichsweise hohem Niveau zwischen 7 und 13 Mrd. US-Dollar jährlich.

Die Zahlen sind maßgeblich durch einzelne große Transaktionen wie der Übernahme von Kuka, die (Minderheits-)Beteiligung von HNA an der Deutschen Bank 2017 (2,6 Mrd. US-Dollar) sowie zuletzt der Einstieg von Geely bei Daimler 2018 (ca. 9 Mrd. US-Dollar) getrieben „Es ist daher übertrieben, von einer chinesischen Investitionsflut zu sprechen, in der systematisch und flächendeckend deutsche Unternehmen aufgekauft werden“, sagte Felbermayr.

 

 

Im als kritisch angesehenen Versorgungssektor tätigten chinesische Unternehmen bislang keine nennenswerten Investitionen. Auch das vieldiskutierte Engagement Chinas in Italien ist im Gesamtkontext bisher unbedeutend und auch in den Ländern der 16+1-Gruppe ist China nicht sonderlich stark investiert. 

Die Analyse ist als Kiel Policy Brief erschienen und wird auch im ifo Schnelldienst veröffentlicht.