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IfW-Konjunkturprognose: Erholung nach dem Sommerloch, aber Aufschwung stößt an Grenzen

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Die deutsche Wirtschaft hat die Spätphase des seit über fünf Jahren anhaltenden Aufschwungs erreicht. Nach dem Einbruch im dritten Quartal ist zum Jahreswechsel 2018/2019 mit einer Gegenbewegung zu rechnen, schreibt das Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) in seiner heute vorgestellten Winterprognose. Im zweiten Halbjahr haben mit der WLTP-Umstellung, der den Fahrzeugbau stocken ließ, und dem Niedrigwasser in wichtigen Flüssen, die die Transportkapazität der Binnenschifffahrt stark beeinträchtigte, zwei Sonderfaktoren die Wirtschaftsleistung gedämpft. Die IfW-Forscher schätzen, dass die damit einhergehenden Produktionsausfälle das Niveau des Bruttoinlandsprodukts im dritten bzw. vierten Quartal des laufenden Jahres um etwa 0,5 Prozent gedrückt haben.

Der Wegfall dieser belastenden Sonderfaktoren lässt Raum für einen Zwischenspurt im ersten Halbjahr 2019. Anschließend dürfte sich das konjunkturelle Grundmuster wieder durchsetzen, bei dem der obere Wendepunkt in Sichtweite gerät: „Der Aufschwung trägt noch in das nächste Jahr, im Jahresverlauf 2019 dürfte aber allmählich der Abschwung einsetzen“, sagte Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am IfW Kiel.

Vor allem Konsum wirkt weiterhin stimulierend

Neben den Exporten, die im kommenden Jahr wieder stärker Tritt fassen, werden die Konsumausgaben zur wichtigsten Triebkraft der Konjunktur. Die Kaufkraft der Konsumenten profitiert von weiter kräftigen Lohnzuwächsen und einem expansiven Kurs der Finanzpolitik, so dass mit den konsumnahen Branchen vor allem jene Dienstleistungsbereiche stimuliert werden, die noch am ehesten Expansionsspielräume aufweisen. Die Bauwirtschaft dürfte demgegenüber weiter an der Kapazitätsgrenze operieren.

Zahlreiche Risikofaktoren verstärken Prognoseunsicherheit

Der Ausblick für die kommenden beiden Jahre ist allerdings durch zahlreiche Unsicherheiten geprägt: Angesichts der hohen Auslastung der Produktionskapazitäten kann die deutsche Industrie nicht mehr so dynamisch expandieren und wird anfälliger für Störungen, weil kaum noch Reserven bestehen, um kurzfristige Planabweichungen aufzufangen. Kosten der Überauslastung und steigende Löhne drücken auf die Rentabilität. Wie stark sich die Kapazitäten tatsächlich noch ausreizen lassen, ist nicht eindeutig zu bestimmen, zumal derzeit Sonderfaktoren (Fahrzeugbau, Binnenschifffahrt) die Konjunktursignale der einschlägigen Frühindikatoren überlagern.

Hinzu kommen außenwirtschaftliche Risikofaktoren, vor allem durch den schwelenden Handelskonflikt zwischen den USA und China, dessen Ausmaß und Dauer schwer einzuschätzen sind, da die Motive der amerikanischen Handelspolitik weiter unklar bleiben.

In Europa erwachsen Risiken einerseits aus der Lage in Italien, wo die Regierung den Konsens über die dem Euro zugrundeliegenden Stabilitätskriterien aufgekündigt hat, was für Spannungen im Euroraum sorgen dürfte. „Seit kurzem wirft zudem die politische Lage in Frankreich Fragen nach der Reformfähigkeit des Landes auf. Angesichts einer hohen Staatsverschuldung könnte sich das Land damit neben Italien zum zweiten Instabilitätsfaktor im Euroraum entwickeln“, so Kooths.

Reformdiskussion um Hartz-Gesetze setzt falschen Schwerpunkt

Angesichts der Herausforderungen müsse die deutsche Wirtschaftspolitik sich auf die Stärkung der Wachstumskräfte fokussieren, empfehlen die IfW-Konjunkturforscher. Die Debatte um die Hartz-Gesetze setze dabei die falschen Schwerpunkte. Eine Abkehr von Sanktionen für Arbeitslose bei unkooperativem Verhalten sei der falsche Weg. „Aus der Überwindung der Massenarbeitslosigkeit lässt sich nicht folgern, dass die Hartz-Reformen nun obsolet sind. Die Kombination des Förderns und Forderns hat in der Sache nichts von ihrer Richtigkeit verloren“, sagte Kooths. Verzichte man generell auf Sanktionen und setzte nur auf Belohnungen, so liefe dies darauf hinaus, das Niveau der steuerfinanzierten Lohnersatzleistungen im Durchschnitt anzuheben. Handlungsbedarf bestehe vielmehr darin, für Transferempfänger die Aufnahme von Arbeit in niedrigen Einkommensbereichen attraktiver zu machen, statt ihnen durch hohe Transferentzugsraten und Abgaben kaum mehr netto vom brutto zu belassen.

Eintrübung der Weltkonjunktur

Mit Blick auf die Weltkonjunktur hat sich 2018 die Stimmung nahezu überall deutlich eingetrübt. Neben der Verunsicherung durch Handelskonflikte trug dazu die Straffung der Geldpolitik in den USA bei. In deren Folge kam es zu einem Umschwung internationaler Kapitalströme, der die wirtschaftliche Expansion der Schwellenländer bremst. Die Weltproduktion, gerechnet auf Basis von Kaufkraftparitäten, wird in diesem Jahr wie im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent zunehmen. Im kommenden Jahr dürfte die Zuwachsrate auf 3,4 Prozent zurückgehen und damit etwas schwächer als zuletzt prognostiziert (3,5 Prozent) ausfallen. Für 2020 erwarten die IfW-Konjunkturexperten unverändert einen Zuwachs um abermals 3,4 Prozent.