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Euroraum auf solidem Wachstumspfad

Die wirtschaftliche Erholung im Euroraum hält an, eine nachhaltige Beschleunigung des Aufschwungs ist aber nach wie vor nicht in Sicht. Angesichts erhöhter Unsicherheiten und nachlassender Impulse von den gesunkenen Ölpreisen wird die Wirtschaft im Euroraum weiter in nur moderatem Tempo expandieren, das mit 1,6 Prozent in diesem Jahr und 1,5 Prozent im nächsten Jahr voraussichtlich etwas geringer ausfallen wird als 2016. Dies geht aus dem heute veröffentlichten Konjunkturbericht der EUROFRAME-Gruppe hervor, die sich aus 10 der renommiertesten europäischen Konjunkturforschungsinstitute unter Einschluss des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zusammensetzt. Die Einschätzung basiert auf den aktuellen Konjunkturprognosen der Mitgliedsinstitute. „Der Aufschwung in Europa ist auf moderatem Niveau stabil, die Aussichten geben durchaus Grund zum Optimismus, wenn auch nicht zur Euphorie“, kommentierte Klaus-Jürgen Gern, Experte für internationale Konjunktur am IfW, den aktuellen Bericht.

Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich demnach weiter verbessern, die Arbeitslosenquote im Euroraum insgesamt dürfte sich, ausgehend von der im Jahr 2016 verzeichneten Quote von 10 Prozent, in diesem und im nächsten Jahr um jeweils knapp ½ Prozentpunkt verringern. Die Inflation hat sich zuletzt vor allem als Folge höherer Energiepreise spürbar verstärkt, aber davon abgesehen, ist der Preisauftrieb nach wie vor gering und die EUROFRAME-Institute rechnen nicht damit, dass das Ziel der EZB einer Inflationsrate von annähernd 2 Prozent schon bald erreicht wird.

Niedrige Zinsen und geringer Außenwert des Euro regen an

Als prägende Kräfte für die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum sehen die EUROFRAME-Institute vor allem einen moderaten Anstieg der Ölpreise, eine allmähliche Verstärkung der Auslandsnachfrage, wobei für die Vereinigten Staaten mit einer Beschleunigung der wirtschaftlichen Expansion auf rund 2,5 Prozent gerechnet wird, und eine anhaltend niedrige Bewertung des Euro gegenüber dem US-Dollar. Für die US-Geldmarktzinsen wird ein Anstieg auf 1,5–2 Prozent bis zum Ende des nächsten Jahres erwartet, während die EZB den Hauptrefinanzierungssatz wohl für wenigstens noch 1½ Jahre bei null belassen wird.

Zu anregenden Faktoren wie den niedrigen Zinsen und dem geringen Außenwert des Euro, der die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Produzenten im Euroraum begünstigt, kommt im Prognosezeit-raum eine etwa neutrale Ausrichtung der Finanzpolitik. Gleichzeitig wird allerdings die Kaufkraft nicht mehr durch niedrigere Ölpreise gestützt und die Erholung weiterhin durch ungelöste Struktur-probleme, nicht zuletzt auch in den Bankensektoren einiger Länder, belastet. „Die erhöhte politische Unsicherheit, etwa infolge der Entscheidung in Großbritannien die EU zu verlassen, könnte sich in den kommenden Monaten negativ auf die Konjunktur auswirken“, so Gern. „Der Einfluss der Brexit-Entscheidung auf die wirtschaftliche Entwicklung ist aber nach wie vor schwer abzuschätzen, da die Unsicherheit über die zukünftige Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen weiterhin groß ist.“

Brexit: langfristig erhebliche Folgen

Auf längere Sicht dürfte der Umfang des Handels zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU laut EUROFRAME-Instituten deutlich sinken im Vergleich zu dem, was im Falle des Verbleibs in der EU zu erwarten wäre. Der Rückgang könnte sich nach Modellrechnungen auf 35 Prozent belaufen, wenn es zu einem Freihandelsabkommen kommt, und sogar auf 61 Prozent, wenn sich die Beziehungen zwischen EU und Vereinigtem Königreich nach WTO-Regeln gestalten würden. Kurzfristig waren die negativen Effekte zwar bislang geringer als erwartet, doch könnten die Risikoprämien in Zukunft noch deutlich steigen und die Investitionstätigkeit dämpfen, vor allem im Vereinigten Königreich selbst. Der EUROFRAME-Bericht enthält eine detaillierte Darstellung der zu erwartenden Effekte in den einzelnen Ländern. Direkte Auswirkungen sind bisher vor allem auf die Abwertung des britischen Pfunds zurückzuführen. Sie dürften insgesamt nicht sehr ins Gewicht fallen, wobei Irland und die Niederlande am stärksten profitierten. Indirekte Effekte als Folge von durch die britische Entscheidung ausgelöster Unsicherheit und Änderungen in der Europäischen Politik könnten bedeutsam sein, sind aber gegenwärtig kaum abzuschätzen.