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450 Mio. € zu viel: Länderfinanzausgleich bietet Anreiz für hohe Grunderwerbsteuer

Verlierer dieser Sonderregelung sind vor allem die Bundesländer Bayern und Sachsen. Sie sind die einzigen, die seit der Föderalismusreform 2005 die Grunderwerbsteuer nicht erhöht, sondern auf der ursprünglichen Höhe von 3,5 Prozent belassen haben. Nach Berechnungen von Jens Boysen-Hogrefe, Experte für öffentliche Finanzen am Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), anhand von Zahlen zum Länderfinanzausgleich 2015 zahlte Bayern demnach 450 Millionen Euro mehr, als es seiner tatsächlichen Finanzkraft entsprochen hätte. Sachsen bekam 80 Mio. Euro weniger. Gewinner sind dagegen Länder mit einer hohen Grunderwerbsteuer. Das Land Nordrhein-Westfalen (Grunderwerb­steuersatz 6,5 %) erhielt 200 Mio. Euro mehr, als es seiner tatsächlichen Finanzkraft entsprochen hätte, Hessen (6 %) zahlte 140 Mio. Euro weniger.

Die Sonderregelung zur Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer für die Finanzkraftmesszahl eines Landes geht auf die Föderalismusreform aus dem Jahr 2005 zurück. Damals bekamen die Länder die Autonomie über die Festsetzung des Steuersatzes der Grunderwerbsteuer zugesprochen. Mehrein­nahmen aus den Satzanhebungen sollten aber nicht über den Länderfinanzausgleich nivelliert werden. Um dies zu gewährleisten, wird der durchschnittliche Grunderwerbsteuersatz aller Länder zur Berechnung der Finanzkraft unterstellt. Die Finanzkraft von Ländern mit einer Grunderwerbsteuer über dem Durchschnitt wird durch diese Regelung unterschätzt – ihre Einnahmen aus der Grund­erwerbsteuer sind in Wirklichkeit höher. Die Finanzkraft von Ländern mit einer Grunderwerbsteuer unter dem Durchschnitt wird dadurch überschätzt – ihre tatsächlichen Einnahmen sind niedriger. „Bedenklich an dieser Regelung ist vor allem, dass sie einen systematischen Anreiz bietet, den Satz zur Grunderwerbsteuer immer weiter zu erhöhen, was den Immobilienkauf gerade in angespannten Märkten zusätzlich erschwert“, sagte Boysen-Hogrefe. Viele Länder haben die Steuersätze für den Grunderwerb in den letzten Jahren merklich angehoben.

„Eine vielleicht erwünschte Nebenwirkung von steigenden Grunderwerbsteuersätzen, nämlich die Dämpfung von Immobilienpreisblasen, dürfte nach aktuellen Studien dagegen kaum in hinreichendem Maß eintreten. Außerdem gibt es andere, zielgenauere Maßnahmen, die deutlich vorzuziehen wären“, sagte Boysen-Hogrefe.

Sinkende Einnahmen durch Steuererhöhungen werden überkompensiert

Selbst wenn durch eine höhere Gewerbesteuer das Handelsvolumen mit Immobilien aufgrund höherer Nebenkosten für den Käufer sinkt und die Steuereinnahmen dadurch insgesamt zurückgehen, profitiert ein Land von der Erhöhung, weil durch das gesunkene Handelsvolumen auch die Finanz­kraftmesszahl im Länderfinanzausgleich sinkt. Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass bei der Erhöhung der Steuer um einen Prozentpunkt das Handelsvolumen bei Immobilien um sechs Prozent zurückgeht. „Es ist kaum nachvollziehbar, warum die Ländergemeinschaft durch Steuer­erhöhungen induzierte Steuerausfälle tragen soll“, so Boysen-Hogrefe. So hätte zum Beispiel eine weitere Erhöhung der Grunderwerbsteuer von jetzt fünf Prozent auf sieben Prozent im Jahr 2015 für das Land Hamburg dazu geführt, dass der Stadtstaat 30 Millionen Euro weniger in den Länder­finanzausgleich hätte zahlen müssen, weil durch das gesunkene Handelsvolumen auch die Finanzkraft gesunken wäre, obwohl die tatsächlichen Steuereinnahmen immer noch merklich gestiegen wären.

„Die Regelungen zur Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer im Länderfinanzausgleich sind dringend überarbeitsbedürftig. Die Länder dürfen nicht für eine Verteuerung von Immobilientransaktionen belohnt werden. Auch wenn ab 2020 die Ausgleichszahlungen vom Bund vorgenommen werden, bleiben die Anreize zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer erhalten“, sagte Boysen-Hogrefe.

Lesen Sie mehr zum Thema im Kieler Arbeitspapier "Steigende Grunderwerbsteuersätze, Verhaltensreaktionen und der Länderfinanzausgleich".